Die Nachtigall
Autorin: Kristin Hannah
Übersetzerin: Karolina Fell
Hardcover: 608 Seiten
Erschienen am 19. September
Verlag: Rütten & Loening
Inhalt
Vianne und Isabelle Mauriac sind höchst verschiedene Schwestern. Ihr
vom ersten Weltkrieg gebrochener Vater gab die beiden kurz nach dem Tod der Mutter
in fremde Hände, als Vianne 14 und Isabelle 4 Jahre alt war. Während Vianne
schon drei Jahre später heiratete, flog die rebellische Isabelle aus einem
Internat nach dem anderen. Fünfzehn Jahre später bricht ein neuer Krieg an.
Viannes Mann wird einberufen, und sie muss allein für die Sicherheit und das
Wohlergeben ihrer Tochter sorgen. Isabelle hingegen will unbedingt selber aktiv
werden und dem deutschen Gegner irgendwie Schaden zufügen. Im sich
verschärfenden Kriegsgeschehen gehen die beiden auf ihre Weise so manches
Wagnis ein…
Meinung
Das Buch beginnt im Jahr 1995 und der Leser lernt eine alte, in Amerika
lebende Dame kennen, die ihre Erinnerungen in einen Koffer auf dem Dachboden
verbannt hat. Nun gibt sie ihr Haus auf und besteht gegenüber ihrem Sohn
darauf, den Koffer mitzunehmen. Natürlich ist er neugierig und fragt, was es
mit dem Kofferinhalt auf sich hat – scheinbar weiß er über diesen Teil ihrer
Vergangenheit nichts. Gespannt tauchte ich in die Erinnerungen seiner Mutter
ein und fand mich im Frankreich des Jahres 1939 wieder.
Hier lernte ich die Schwestern Vianne und Isabelle kennen. Die beiden
gehen mit dem Kriegsbeginn in Frankreich höchst unterschiedlich um. Vianne
bricht es das Herz, dass ihr geliebter Antoine die Familie verlassen muss und
sie mit ihrer achtjährigen Tochter allein zurückbleibt. Isabelle ist hingegen
gerade wieder aus einem Internat geflogen und kommt kurzzeitig bei ihrem Vater
in Paris unter. Sie brennt darauf, irgendetwas zu tun: Vielleicht als
Sanitäterin, in einer Dechiffrierabteilung oder gar als Verführerin, gegenüber
welcher der Gegner die gemeinsten Pläne verrät? Ich fand es interessant, wie
unterschiedlich die bodenständige, besonnene Vianne und die abenteuerlustige, mögliche
Konsequenzen ausblendende Isabelle im Angesicht des aufkommenden Krieg
reagieren.
Die Situation spitzt sich schnell zu und die beiden Schwestern werden
Zeugen von Ungerechtigkeit, Leid und müssen sich so mancher Herausforderung
stellen. Vianne versucht, für ihre Tochter stark zu bleiben und sie keiner
Gefahr auszusetzen. Doch als ein deutscher Hauptmann bei ihr einquartiert wird
und Freunde deportiert werden, wird das Stillhalten für sie schnell zu einer
Herausforderung. Isabelle hingegen sucht zunehmend die Gefahr und setzt ihren
Beschluss, den Widerstand zu unterstützen, tatsächlich um. Der Autorin ist es
gelungen, für mich nachvollziehbar zu machen, wie man sich als Frau im Krieg
gefühlt haben muss und wie unterschiedlich verschiedene Charaktere damit
umgegangen sind. Tägliches Schlange stehen für eine winzige Portion
Lebensmittel, Bekannte, die plötzlich verschwunden sind – durch die Erzählung
alltäglicher Erlebnisse der Frauen konnte ich in die Zeit eintauchen.
Die Eckpunkte der Geschichte sind gut recherchiert, doch der Fokus
liegt auf den Emotionen und weniger auf einem ausführlicheren Einblick in die
historischen Hintergründe. Die Geschichte empfand ich als typisch Amerikanisch
– viele der ausschweifend beschriebenen Szenen und romantisch-dramatischen
Momente vor der Kriegskulisse lesen sich wie für einen Hollywood-Film geschrieben.
Für mich schrammte das haarscharf am Kitsch vorbei und ist klar für eine weibliche
Zielgruppe geschrieben. Zusätzliche Dramatik erzeugten in Windeseile getroffene
Entscheidungen von Charakteren, die ich manches Mal nicht ganz nachvollziehen
konnte. Doch insgesamt konnte mich das Buch fesseln und die Seiten verflogen im
Nu. Der Spannungsbogen, den die Autorin schlägt, sorgte dafür, dass ich
beständig weiterlesen wollte. Neugierig las ich mich durch eine ausgewogene
Mischung aus bedrückenden und hoffnungsvollen Momenten bis hin zu einem sehr
rührenden Schluss.
Fazit
In „Die Nachtigall“ begleitet der Leser die höchst unterschiedlichen
Schwestern Vianne und Isabelle durch die Jahre des zweiten Weltkriegs in
Frankreich. Während sich Vianne für die Sicherheit der Menschen einsetzt, die
sie liebt, will Isabelle im Widerstand aktiv werden. In den Kriegsjahren
stellen sich die beiden so mancher Herausforderung und begeben sich in immer
größere Gefahr. Von mir gibt es vier Sterne für diese emotionale Geschichte
über zwei Frauen, die jeweils auf ihre Weise Stärke zeigen.