*Werbung*
Titel: Familie der geflügelten Tiger
Titel: Familie der geflügelten Tiger
Autorin: Paula Fürstenberg
Erscheinungsdatum: 11.08.2015
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Die verschiedenfarbigen Linien auf dem Cover des Buchs
„Familie der geflügelten Tiger“, dem Debütroman von Paula Fürstenberg, stehen
für die Strecken der Straßenbahn auf deren Wegen die 20-jährige Johanna Ende
2007 unterwegs ist. Denn entgegen dem Wunsch ihrer Mutter macht sie nach dem
Abitur eine Ausbildung zur Straßenbahnschaffnerin in Berlin. Um dem Dorfleben
in Mecklenburg-Vorpommern zu entkommen, wo sie geboren wurde und aufwuchs, ist
sie in die Bundeshauptstadt gezogen.
Eine Kopie der Ebstorfer Weltkarte gehört zur Kartensammlung
von Johanna. Vor allem ein geflügelter Tiger lenkt immer wieder ihre
Aufmerksamkeit auf sich. Es ist weniger der Mut dieses Tiers, sondern vielmehr
die Tatsache, dass er als Fabelwesen ins Reich der Fantasie gehört, warum er
Johanna beunruhigt. Denn Fantasie gehört zu ihrem Leben dazu, vor allem wenn es
darum geht, das Fehlen ihres Vaters Jens, der Frau und Tochter wenige Wochen
vor dem Fall der Berliner Mauer plötzlich verlassen hat, in ihrem Leben zu
erklären. Sie hat bisher ihr Unwissen damit aufgefüllt, wenn es um eine
Erklärung ging weshalb er verschwunden ist, womit er seinen Lebensunterhalt
verdient und wo er heute lebt.
Bei einem der immer seltener gewordenen Besuche bei ihrer
Mutter erzählt diese ihr von dem unerwarteten Anruf ihres Vaters, der seine
Tochter um Rückruf gebeten hat. Dadurch erfährt sie, dass Jens in einem
Krankenhaus liegt, gar nicht weit von ihrer eigenen Wohnung entfernt. Sie hat
Hoffnung darauf, endlich Antworten auf schon lange bestehende Fragen zu
erhalten.
Johannas Suche nach den Gründen für das Verschwinden ihres
Vaters wird zu einem Ausflug in die Geschichte Deutschlands vor und nach dem
Mauerfall. Gerade weil Johanna noch zu jung dazu ist, sich an die Zeit im Osten
vor der Wende zu erinnern, ist sie auf die Erzählungen anderer angewiesen. So
entsteht aus vielen subjektiven Schilderungen ein Bild in ihrem Kopf, der ihr
als Hintergrund dazu dient zu verstehen, was ihrem Vater damals und in der
Folgezeit zugestoßen ist. Aber rund wird dieses Bild für sie nicht. Die Suche
ist für sie auch ein Stück Suche nach sich selbst und mit der Zeit beginnt die
Vergangenheit eine andere Bedeutung für sie zu erhalten.
Die Charaktere im Roman sind fein gezeichnet und durchgehend
interessant. Die Autorin hat mit viel Einfühlungsvermögen die Situation in der
Johanna sich befindet beschrieben. Hilfreich dabei war sicher, dass ihre
Protagonistin gleichaltrig mit ihr ist. Der Leser erhält Informationen zu den
markantesten Stationen im Leben der handelnden Personen. Das Wissen über die
staatliche Macht der DDR und Vorstellungen von deren Eingreifen spielen in die
Gedankengänge der Figuren hinein. Die Autorin versucht jedoch nie zwischen Ost
und West zu werten.
Paula Fürstenberg wählt für ihren Roman die Ich-Form. So
lässt sich leicht Johannas Hartnäckigkeit, die Gründe für ungewöhnliche
Entscheidungen und die Konsequenzen, die sie aus ihren Handlungen zieht,
verfolgen. Ein leiser Humor gibt der Geschichte die Leichtigkeit und hilft
Johanna dabei all die Neuigkeiten zu verarbeiten, die Vergangenheit zu
akzeptieren und voller Hoffnung in die Zukunft zu schauen, obwohl ihr Vertrauen
gelitten hat.
Unerwartete Familienbegegnungen, überraschende Wendungen und
viel Platz für eigene Spekulationen über die Gründe des Verschwindens von
Johannas Vater machten mir das Buch zu einem Lesevergnügen. Gerne habe ich auch
daran zurückgedacht, wie ich selbst die Wende erlebt habe. Leseempfehlung!
Interesse an einer zweiten Meinung?
Hannas Rezension zum gleichen Buch findest Du hier: KLICK!