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Titel: Tierchen Unlimited
- nominiert für den Debütpreis der lit.cologne 2017 -
Autor: Tijan Sila
Erscheinungsdatum: 16.02.2017
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Lesebändchen (Leseexemplar)
„Tierchen Unlimited“ heißt der Debütroman von Tijan Sila.
Doch Tierchen Unlimited sieht der Protagonist der Geschichte nur im Traum, wenn
er sich eine wohlige Umgebung mit pelzigen Mitbewohnern wünscht. Aber die
Gegenwart sieht anders aus. Er lebt in Sarajevo während des bosnischen
Bürgerkriegs der 1990er, in dem Sentimentalität bei heranwachsenden Jungen
nicht gefragt ist. Im Traum des unbenannten Ich-Erzählers, der autobiographisch
einige Gemeinsamkeit mit dem Autor aufweist, blitzt der Wunsch nach
Frieden auf. Das Cover des Buchs zeigt eine Unterteilung in schwarz und weiß.
Dadurch ergibt sich deutlich eine fiktive Abgrenzung, durch Regeln und Normen
gezogen, die der Hauptfigur des Romans dazu dienen, sie zu übertreten.
Das Fahrrad, das mühelos dort balanciert wo die Farben des
Titels aufeinandertreffen, ist ein wichtiges Requisit des Erzählers zu Beginn
der Geschichte, denn es bringt ihn aus einer Gefahrenzone. Wer jetzt denkt, das
Buch beginnt während der Zeit des Bürgerkriegs, liegt falsch.
Zum ersten Mal
begegnete ich dem Protagonisten im Buch in einer Situation, in der er wieder
einmal eine ihm gesetzte Grenze überschritten hat. Nackt und verwundet wird er bei
seiner Flucht mit dem Rad von mitleidigen Menschen ins nächstgelegene
Krankenhaus gebracht und dort verarztet. Dort begegnet er einer guten Freundin
wieder, die inzwischen Polizistin ist. Er hat sie kennengelernt, nachdem er
bereits einige Monate mit seinen Eltern in Deutschland lebte. Sie ringt gerne
und ständig und (be-)nutzt ihn als Partner. Der Erzähler fühlt sich zu ihr
hingezogen und ist von ihren Lebensumständen und ihrer Kraft fasziniert. Das
ist für ihn neu, denn die Anforderungen und Erwartungen seiner bisherigen
Freundschaften konnte er besser einordnen. Seine Überlegungen führen ihn und
damit den Leser Jahre zurück zu seiner Jugend während der Kriegsjahre.
Bei seinen anschaulichen Schilderungen des Alltags im Krieg
habe ich manches Mal erschreckt verharrt, wenn sich das Ende einer Waffenruhe
ankündigte und der Protagonist immer noch auf den Straßen unterwegs war. Für
die im Kriegsgebiet Wohnenden musste das Leben weitergehen, auch wenn es an
Nahrungsmitteln oft fehlte. Es ist beängstigend zu lesen und macht betroffen.
Aber Tijan Sila erzählt die Erlebnisse des Jungen mit einer großen
Selbstverständlichkeit, die nicht in Wehmut an bessere Zeiten endet, sondern
das Beste aus den Gegebenheiten macht. Und dazu gehören für einen
Heranwachsenden Raufereien und Lügen. Es ist eine gefährliche und turbulente
Zeit. Auch nach seiner Ankunft in Deutschland frönt der Ich-Erzähler keinem ereignislosen
Alltag, was hauptsächlich an seiner erwachenden Liebe und einigen Bekannten mit
nationalsozialistische Einstellung liegt.
Die Sprache des Autors ist schnörkellos und gerade, er
scheut sich nicht die Dinge beim Namen zu nennen. Seine Erzählung ist
realistisch und ich habe mich beim Lesen oft gefragt, welche Situationen der
Autor selbst erlebt hat. In den Abschnitten über sein Leben in Deutschland
fliegt er dann hier und da über die Realität hinaus, was dem Roman ein gehörige
Portion Würze verleiht. Hatte der Protagonist in Bosnien noch mein Mitgefühl so
war ich zunehmend amüsiert und es schlich sich eine Menge Häme bei seinen
weiteren Schilderungen ein in denen er von unangenehmen Situationen erzählt,
die sich durch sein grenzwertiges beziehungsweise normenüberschreitendes
Verhalten ergeben. Hier kommt zwar zum Ausdruck, dass er nun mehr Möglichkeiten
und die Freiheit hat, seine Zukunft zu gestalten, jedoch entbehrt das Ganze
nicht einer gewissen Härte und Durchsetzungsfähigkeit.
Der Roman zeigt, dass jede Zeit, jede Umgebung, jede
persönliche Einstellung und jedes Alter seine Tücken und Probleme mit sich
bringt. Es ist nicht nur eine Gegebenheit die unser Leben gestaltet, sondern
viele Dinge tragen dazu bei. Nicht aufzugeben, sein Vertrauen nicht verlieren
und auf die Zukunft hoffen, ist die Essenz davon. „Tierchen Unlimited“ ist ein
gelungenes Debüt, das ich gerne weiterempfehle.