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Titel: Ich, Eleanor Oliphant
Titel: Ich, Eleanor Oliphant
Autorin: Gail Honeyman
Übersetzerin: Alexandra Kranefeld
Erscheinungsdatum: 24.05.2017
Verlag: Lübbe (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
„Ich, Eleanor Oliphant“ ist nicht nur der Titel des
Romandebüts der Schottin Gail Honeyman sondern so stellt sich auch die
Protagonistin im Buch dem Leser vor. Die bald 30jährige Eleanor hat eine
bewegte Vergangenheit, die sie für jeden deutlich spür- und sichtbar gezeichnet
hat. Wäre das Leben so bunt wie ein Farbklecks stände Eleanor auf dessen
dunkler Seite vergleichbar mit dem Schemen einer Frau auf dem Cover dieses Buches.
Doch die Farben laufen ineinander und das Bunte, welches Spaß und Freude
beinhaltet, ist auf dem Weg zu Eleanor. Schaut man auf die Rückseite des
Buchumschlags bemerkt man links unten einen jungen Mann, der sich ebenfalls auf
einem dunklen Randgebiet befindet, aber nicht nur bereits selbst vom bunten
Glück gefärbt wurde sondern auch seinen
Blick ins Helle in Eleanors Richtung wirft. Ein gutes Vorzeichen.
Eleanor ist studierte Altphilologin, arbeitet aber seit neun
Jahren bei einer Grafikdesign-Agentur als Buchhalterin. Wenn sie sich tagsüber
ihrer Zahlenwelt gewidmet hat, geht sie nach getaner Arbeit nach Hause und
verbringt dort allein ihre Stunden bis zum nächsten Dienstantritt. Ihre
Freizeit verbringt sie mit Lesen und Fernsehen Einmal in der Woche ruft ihre
Mutter an, die im Gefängnis sitzt. Ein Freund ist ihr nur der Wodka, dem sie
immer wieder gerne zuspricht.
Eines Tages sieht sie ihren Traummann bei einem Konzert, zu
dem sie Eintrittskarten gewonnen hat, auf der Bühne. Fortan geht ihr der
Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, ihren Schwarm zu treffen und sie stellt sich
vor, dass sie schon bald ein Paar sein werden. Während der neue Kollege Raymund
sie ein Stück auf ihrem Heimweg begleitet sehen die beiden wie ein älterer Mann
zu Fall kommt. Sie eilen ihm zu Hilfe und auch nach der gemeinsamen Aktion hält
Raymund den Kontakt zu ihr. Doch seine Gegenwart findet Eleanor eher lästig als
erfreulich. Sie folgt weiter ihrem Herzen, den Sänger für sich zu gewinnen. Sie
hat noch einige Erfahrungen mit dem Leben zu meistern um zu erkennen, welche
Gefühle ihr tatsächlich wichtig sind.
Von den ersten Seiten an wurde mir klar, dass
Eleanor ein Erlebnis in ihrer Kindheit hatte, das sie mehr oder weniger
erfolgreich verdrängt, sie aber traumatisiert und sichtbare Narben in ihrem
Gesicht hinterlassen hat. Gail Honeyman lässt ihre Protagonistin den Roman
selbst erzählen und auf diese Weise habe ich über Eleanors Vergangenheit nur so
viel erfahren können, wie sie selbst bereit war preiszugeben. Das war anfangs
recht wenig doch mit der Zeit hat sie sich immer mehr geöffnet und Gefühle
zugelassen. Ihre Kindheit hat sie in Pflegefamilien verbracht. Ihre Mutter
sitzt also vermutlich schon sehr lange im Gefängnis für ein von ihr verübtes
Verbrechen. Worum es sich dabei handelt bleibt bis fast zum Ende hin unbenannt,
allerdings hatte ich eine Vorahnung. Die Gespräche mit ihr durchbrechen das
Einerlei ihres Alltags und vor allem ihrer Einsamkeit, sind ihr aber verhasst.
Dennoch hält sie an den Telefonaten fest, vielleicht weil sie der letzte
Kontakt zu einem Mitglied ihrer Familie sind. Sie weiß nicht, wer ihr Vater ist
und sonst sind ihr keine Verwandten bekannt.
Um sich vor körperlichen und seelischen Wunden zu schützen,
lebt Eleanor zurückgezogen, gerne beobachtet sie jedoch das Verhalten ihrer
Mitmenschen. Sie hat es nie für nötig befunden, Freundschaften zu schließen,
vermutlich weil sie durch den häufigen Wechsel der Pflegestellen immer wieder
neu beginnen musste, Vertrauen aufzubauen. Sie war gut in der Schule und konnte
ein Studium abschließen. Im weiteren Verlauf erzählt sie im Rückblick von einer
Beziehung während dieser Zeit, die ihr sehr schlechte Erfahrungen gebracht hat.
Ein weiterer Grund also für sie, sich von näheren Bekanntschaften fernzuhalten.
Bücher sorgen dafür, dass Eleanor ein breites
Allgemeinwissen hat. Im Rahmen ihrer Begeisterung für den Sänger entdeckt sie
das Medium Internet für sich, dass ihr letztlich mehr bringt als nur das Wissen
über ihren Traummann. Aber bei all ihren äußeren Veränderungen und ihrer
zaghaften Kontaktaufnahme hat sie immer die Stimme ihrer Mutter im Kopf, die
sich negativ über jedes Tun äußert. Obwohl sie sich dessen absolut bewusst ist,
findet sie nicht selber einen Weg aus dieser frühen Prägung dem Willen der
Mutter zu folgen um keine Restriktionen befürchten zu müssen. Zunehmend genießt
sie das Mitgefühl und die kleinen Aufmerksamkeiten der langsam vertrauter
werdenden Personen. Aktuell positive Erfahrungen mit guten Ratschlägen decken
sich mit dem früheren Erleben einer
gelungenen Umsetzung der Empfehlung einer Fachkraft. Daraus folgt nicht nur für
Eleanor eine Aufforderung, sich professionelle Hilfe zu suchen. Ihr wachsendes Selbstbewusstsein
geht mit einem entsprechenden Feedback einher.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm zu lesen. Hauptsächlich
beschreibt die Ich-Erzählerin ihren Alltag. Unterschwellig umgibt die
Geschichte von Beginn an das Geheimnis um das besondere Geschehen in der Kinderzeit
Eleanors. Es brauchte seine Zeit bevor die Protagonistin sich ihren
Vorstellungen entsprechend für ihren Schwarm ausgestattet hatte, dadurch entstand
im mittleren Buchteil eine gewisse Länge. Eleanor hat ganz eigene Ansichten
über passendes Verhalten in allen möglichen Situationen, die sie durch ihre
Beobachtungen, vielfältiger Lektüre und den Vorgaben ihrer Mutter entwickelt
hat. Hieraus ergeben sich immer wieder amüsante Szenen. Sie wirkte
schutzbedürftig auf mich, obwohl sie sich schon vielfach behauptet hatte.
Ich musste Eleanor einfach sympathisch finden und ich habe
mich für sie gefreut, dass sie nach so langen Jahren des Alleinseins einen Weg
zu sich selbst gefunden hat, der durch den Moment der vermeintlichen Liebe
ausgelöst worden ist und auch eine Öffnung zu anderen hin bewirkt hat. Mir als
Leser wurde dadurch wieder einmal klar, auf welche Dinge es im Leben wirklich
ankommt: Vertrauen, Offenheit und Aufrichtigkeit. Dieses Buch empfehle ich
gerne weiter.