Franziska Fuchsberger, genannt Franka, ist die Protagonistin
im Roman „Unter Grund“ von Annegret Liepold. Die 27-jährige Referendarin an
einer Volksschule lebt seit 2017 in einer Wohngemeinschaft mit Hannah, die als Journalistin
über den NSU-Prozess in München berichtet. Als Franka mit ihrer Schulklasse
eine der Sitzungen besucht, schweifen ihre Gedanken in die Vergangenheit ab, zu
einer Zeit, in der sie sich mit Freunden aus der rechten Szene umgab. Von
diesem Kapitel ihres Lebens weiß aktuell aber niemand in ihrem Umfeld. Spontan
beschließt sie, in ihr Heimatdorf in der Nähe von Erlangen zu fahren. Ihre
Mutter und ihre Tante leben dort immer noch, aber ihre Großmutter, von allen
als „Fuchsin“ bezeichnet, ist vor einigen Jahren verstorben. Über deren Leben liegt
ein Geheimnis, das erst im Verlauf der Geschichte enthüllt wird.
Als Franka elf Jahre alt war, ist ihr Vater gestorben. Mit
ihm ist sie viel durch die Natur gestreift und hat ihm dabei geholfen, den
familieneigenen Weiher abzufischen. Sie hat gute Schulnoten, auf die ihr Vater
sicher stolz wäre, aber keine bemerkenswerten Freundschaften. Die Beziehung zu
ihrer Mutter ist kompliziert und viele Dinge zwischen ihnen bleiben
unausgesprochen. Als sie Leon kennenlernt, der eines Tages ins Dorf zieht,
erfährt sie zum echte Aufmerksamkeit. Während der Fußballweltmeisterschaft 2006
in Deutschland gerät ihre Beziehung in eine Krise. Sie findet Anschluss bei
Janna und Patrick. Die beiden sind der Ansicht, dass man eine Meinung nicht nur
in der Öffentlichkeit äußern, sondern auch aktionsmäßig durchsetzen sollte. Zum
ersten Mal fühlt Franka sich einer Gruppe zugehörig.
Bis zu ihrem Besuch des Prozesses hat sie über ihre
Vergangenheit geschwiegen. Innerlich hat sie sich von den früheren Geschehnissen
zwar distanziert, aber nicht im Einzelnen damit auseinandergesetzt. Nun aber drängen
die Erinnerungen an die Oberfläche und fordern sie heraus, sich den
Begebenheiten von damals zu stellen, denn sie will ihr jetziges Leben nicht
erneut hinter sich lassen. Es ist nicht immer leicht, den zeitlichen Sprüngen
zwischen den Abschnitten zu folgen. Ich hätte mir eine weitere Darstellung dazu
gewünscht, ob das Familiengeheimnis einen Bezug zur Entwicklung der extremen
Einstellungen von Franka als Jugendliche hat. Im Anhang finden sich ein Glossar
und Verweise zu den im Text verwendeten Begrifflichkeiten des rechten
Gedankenguts, die zur Verdeutlichung unumgänglich sind.
Annegret Liepolds zeigt mit ihrem Roman „Unter Grund“ ein
Beispiel dafür, welche Mechanismen eine Radikalisierung in kurzer Zeit
begünstigen können. Sie greift damit ein hochaktuelles und wichtiges Thema auf.
Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.