Mittwoch, 29. Oktober 2025

Rezension: Der Sohn und das Schneeflöckchen von Vernesa Berbo

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Der Sohn und das Schneeflöckchen
Autorin: Vernesa Berbo
Erscheinungsdatum: 04.09.2025
Verlag: Frankfurter Verlagsanstalt (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783627003319

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Im April 2022 steht in Berlin ein Kriegsverbrecher vor Gericht, dem vorgeworfen wird, während der Belagerung Sarajevo in den 1990er Jahren Gräueltaten begangen zu haben. Suade genannt Dada, ist Mitte vierzig und arbeitet in diesem Prozess, wie schon in vielen zuvor, als Übersetzerin. Vor dreißig Jahren floh sie selbst aus der heutigen Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Bis heute weiß sie nicht, ob ihre Eltern und ihre ältere Schwester Dijana den Krieg überlebt haben, weil sie im Streit gegangen ist.

Ihre Gedanken kehren zurück in den März 1992, als Bosnien seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärte und kurz darauf Sarajevo besetzt wurde. Was damals und in den folgenden Monaten geschah, erzählt Vernesa Berbo in ihrem Debütroman „Der Sohn und das Schneeflöckchen“. Die vom Vater liebevoll vergebenen Spitznamen der Schwestern sind dabei titelgebend.

Die Autorin lebte während des Jugoslawienkriegs selbst eine Zeit lang in Sarajevo und floh, wie Dada, 1993 nach Berlin. Dieser biografische Hintergrund verleiht ihren Schilderungen besondere Authentizität. Sie beschreibt eindringlich die Teilung der Stadt, die jahrelang für ihre Toleranz und religiöse Vielfalt bekannt war. Mit dem Beginn des Krieges ging ein tiefer Riss durch die Gesellschaft. Der Konflikt wurde mit brutaler Härte geführt. Scharfschützen bedrohten das Leben der Bewohner, so dass es gefährlich war, sich im Freien aufzuhalten. Für feinfühligere Leserinnen und Leser können die Beschreibungen belastend sein, ein Hinweis auf Trigger fehlt jedoch im Buch.

Die Erinnerungen von Dada werden in einer auktorialen Erzählperspektive wiedergegeben, während Dijana das Erlebte aus der Ich-Perspektive schildert. Zu Beginn des Krieges sind die Schwestern fünfzehn beziehungsweise achtzehn Jahre alt. Sie genießen ihre Jugend, amüsieren sich mit Freunden und verlieben sich. Doch mit den Kämpfen wächst ihre Wut darüber, nichts zu einem Ende der Gewalt beitragen zu können. Menschen aus ihrem Umfeld stehen ihnen plötzlich als Feinde gegenüber. Beide finden sehr unterschiedliche Wege, sich dem entgegenzustellen. Aber an die ständig drohenden Angriffe gewöhnen sie sich nie.

In ihrem Roman „Der Sohn und das Schneeflöckchen“ zeigt Vernesa Berbo eindrücklich die Realität der Zivilbevölkerung in einer umkämpften Stadt und das auch noch Jahrzehnte später verbleibende Trauma. Sie richtet ihren Fokus besonders auf die Frauen, die versuchen, den Alltag mit ihren Kindern weiterzuführen, jedoch ständig von Gewalt bedroht sind. Diese berührende Geschichte bleibt im Gedächtnis. Ich empfehle sie all jenen, die sich mit dem Krieg und dessen Folgen auseinandersetzen möchten.

Freitag, 24. Oktober 2025

Rezension: Dius von Stefan Hermans

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Dius
Autor: Stefan Hermans
Übersetzerin aus dem Niederländischen: Ira Wilhelm
Erscheinungsdatum: 22.10.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257073560
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Es sind die 1980er Jahre. Anton ist Dozent an der Kunsthochschule und arbeitet gerade an seiner Doktorarbeit. Eines Tages klingelt einer seiner Studenten, Egidius de Blaeser, kurz Dius genannt, an seiner Haustür. Er bittet ihn darum, eintreten zu dürfen und begründet seinen Wunsch mit einer Überraschung für den Kunsthistoriker. Noch ahnen beide nicht, dass aus diesem ersten Besuch eine Freundschaft entstehen wird, die ihr Leben nachhaltig verändert.

Der Belgier Stefan Hertmans schildert in seinem Roman „Dius“ die besondere Verbundenheit von Anton und der titelgebenden Figur. Die eingangs beschriebene Szene hat er selbst erlebt. Im Übrigen ist die Geschichte fiktiv, jedoch inspiriert von eigenen Freundschaften des Autors. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen und wird von Anton in einer reflektierenden Ich-Perspektive erzählt, die es ihm erlaubt, seine Erinnerungen aus der Distanz der Gegenwart zu betrachten und ihnen eine neu gewichtete Bedeutung zu verleihen.

Der Autor beschreibt Gefühle mit Tiefe und Authentizität, die auch in der deutschen Übersetzung aus dem Niederländischen erhalten bleiben, nicht zuletzt weil Stefan Hertmans selbst sehr gut Deutsch spricht und eng mit der Übersetzerin zusammengearbeitet hat. Die Freundschaft zwischen Anton und Dius ist geprägt von gegenseitigem Respekt und Akzeptanz. Über ihre gemeinsame Liebe zur Kunst hinaus gewährt sie Einblicke in private Lebenswelten und innere Konflikt. Die beiden sind in schwierigen Situationen füreinander da. Es gibt aber auch Handlungen, die zu Unverständnis und Verärgerung des jeweils anderen führen.  

Viele Meisterwerke der Kunst beschreibt Stefan Hertmans so eindringlich, dass man beim Lesen selbst nachsehen möchte, ob das erwähnte Detail tatsächlich auf dem Objekt zu finden ist. Ebenso lebendig sind seine Schilderungen der Polderlandschaften an der belgischen Küste. Anhand der eindringlichen Beschreibungen kann man sie sich bestens vorstellen. Für beide Protagonisten ist das Genießen der Natur ein Weg, zur Ruhe zu kommen und wieder zu sich selbst zu finden. Zugleich wird in der Ausführung deutlich, wie der fortschreitende Klimawandel und die zunehmende Bebauung das Gesicht der Region im Laufe der Jahre verändert haben.

Stefan Hertmans fasziniert mit seinem Roman „Dius“ durch die feinfühlige Darstellung einer außergewöhnlichen Freundschaft, die zwischen Nähe und Distanz, Bewunderung und Verletzlichkeit schwebt. In schöner Sprache und mit emotionaler Tiefe entfaltet sich eine Erzählung voller Kunst, Musik und Gedanken über die Spuren, die Menschen in der Welt hinterlassen. Es ist eine berührende und nachhallende Geschichte, die ich uneingeschränkt weiterempfehle.

Dienstag, 21. Oktober 2025

Rezension: Cozy Baking Time - Süße Rezepte für die kalte Jahreszeit von Theresa Haubs

 





Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Cozy Baking Time: Süße Rezepte für die kalte Jahreszeit
Autorin: Theresa Haubs
Erscheinungsdatum: 18.09.2025
Verlag: Gräfe und Unzer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Leseband und Farbschnitt
ISBN: 9783833899171
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Das Backbuch „Cozy Baking Time“ von Theresa Haubs enthält sechzig Backanweisungen, die besonders gut in den Herbst und in den Winter passen, ganz im Sinne des Untertitels „Süße Rezepte für die kalte Jahreszeit“.

Die Autorin ist Studentin und ist passionierte Hobbybäckerin. In den sozialen Medien ist sie als „bookslove128“ bekannt. Die Rezepte kommen fast alle aus dem Familienkreis und wurden oft über mehrere Generationen weitergegeben. Ihre Mission: Alle Zutaten sollten leicht erhältlich und einfach zuzubereiten sein. Vor allem sollen die Kuchen und Plätzchen aber nicht nur gut gelingen, sondern auch richtig lecker schmecken!

Nach einem persönlichen Vorwort teilt die Autorin einige bewährte und nützliche Hacks, die das Backen erleichtern, wie sich Rezepte durch kleine Veränderungen kreativ abwandeln oder vegan gestalten lassen. Ergänzend gibt es Ratschläge für den Fall, dass ein Kuchen einmal misslingt, und sogar eine Playlist, die für die passende Backstimmung sorgt.

Der Rezeptteil gliedert sich in Herbstrezepte und Winterrezepte beziehungsweise „Bake It Till You Make It“ und „Hot Girl Winter Is Coming“ wie im Buch getitelt wird. Die Backanweisungen werden ansprechend mit ganzseitigen Fotos von Theresa Haubs in Szene gesetzt und mit einem fantasievollen Namen betitelt. Der Running Gag besteht darin, dass unter vielen Titeln steht „Oder wie meine Mama sagen würde“ ergänzt mit einer traditionellen Bezeichnung.

Die Anleitungen sind einfach verständlich und in einem modernen, lockeren Stil verfasst, der besonders jüngere Bäckerinnen und Bäcker ansprechen dürfte. Der Verlag zieht auf seiner Seite zum Buch eine Verbindung zu den Genres New Romance und New Adult mit denen man es sich beim Verkosten der Gebäcke gemütlich machen kann.

Am Schluss der Seite gibt es hin und wieder gute Tipps verschiedenster Art. Nach einer Danksagung hilft ein alphabetisches Register nach Zutaten dabei, die passende Seite eines Rezepts zu finden.

Inzwischen habe ich die Mandarinen-Schmand-Torte und den Eggspenzive Cake gebacken. Beide Rezepte waren leicht umzusetzen und gut beschrieben. Die Backzeit und -temperatur stimmten, so dass das Ergebnis sehr gut geschmeckt hat.

Das Buch „Cozy Baking Time“ überzeugt nicht nur mit leckeren Rezepten, sondern auch mit einer attraktiven Gestaltung mit Coververedelung und Farbschnitt in der ersten Auflage. Meine Familie wird sicherlich noch mit mancher Köstlichkeit daraus verwöhnt werden. Daher empfehle ich das Buch gerne weiter. 


Donnerstag, 16. Oktober 2025

Rezension: Junge Frau mit Katze von Daniela Dröscher

 

Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Junge Frau mit Katze
Autorin: Daniela Dröscher
Erscheinungsdatum: 14.08.2025
Verlag: KiWi (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783462007619

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Daniela Dröscher erzählt in ihrem Roman „Junge Frau mit Katze“ über ein folgenschweres Kapitel im Leben einer jungen Frau. Die Protagonistin und Ich-Erzählerin heißt Ela, wie auch die Autorin ihren Vornamen abkürzt. Die Handlung spielt in den 1990er Jahren, als Ela kurz vor der Verteidigung ihrer Doktorarbeit in steht.

Seit ihrer Kindheit hat Ela ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem Körper, nicht zuletzt, weil sie einen anderen Körperbau als ihre Mutter hat. Im Roman „Lügen über meine Mutter“ erzählt die Autorin aus dieser Zeit. Zwar habe dieses Buch nicht gelesen, konnte jedoch der vorliegenden Geschichte mühelos folgen.

Ela hat in jungen Jahren bereits zahlreiche Erfahrungen mit Ärzten gesammelt, vor allem Anfang Zwanzig, als sie sich einer schweren Operation unterziehen musste. Nun plagen sie seit Tagen Halsschmerzen. Was sich zunächst wie eine schnell zu überwindende Krankheit anhört, wird für Ela zu einer Tour de Force in Sachen ärztliche Untersuchungen, Diagnosen, Symptomen und Wechselwirkungen.

Es gibt keinen Zweifel: Ela steht unter Druck, denn ihr Doktorvater hat ihr eine lukrative Stelle in Aussicht gestellt, doch dazu muss sie ihre Prüfung mit Bestnote bestehen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist distanziert, der Bruder lebt im Ausland. Sie ist alleinstehend, findet jedoch in einer befreundeten Mutter mit ihrer kleinen Tochter, die in der Nähe wohnt, Rückhalt, auch wenn sie zu Heilverfahren andere Ansichten vertritt. Schon früher hat sie sich immer mal wieder für einige Zeit zurückgezogen, daher fällt es kaum auf, dass sie sich zunehmend isoliert. Die wenigen Stunden, die sie nebenbei arbeitet, kann sie auch im Homeoffice erledigen. Das alles führt dazu, dass sie sich mit sich und ihrem Körper allein auseinandersetzen muss.

Daniela Dröscher beschreibt einfühlsam die Anzeichen der Erkrankungen ihrer Protagonistin, ihre Erfahrungen bei Arztbesuchen und ihren Kampf um Heilung. Die Schilderungen wirken so authentisch, dass spürbar wird, wie viel persönliche Erfahrung darin steckt. Wer sich selbst mit einer langwierigen Krankheit auseinanderzusetzen hat, wird sicherlich einige Situationen gut nachvollziehen können. Die Autorin zeigt eindrücklich, wie Unwissenheit und Hilflosigkeit Ärztinnen und Ärzten manchmal eine fragwürdige Autorität verleihen. Dennoch empfand ich Elas Gespräche mit den Medizinern erhellend und interessant.

In der ersten Hälfte des Romans ist die Geschichte aufgrund der zahlreich geschilderten Leiden bedrückend. Dann jedoch beginnt Ela die Befunde zu hinterfragen und gleichzeitig auch ihr eigenes Verhalten. Sie setzt sich mit dem Verhältnis zu ihrer Mutter und zu dem ihres Bruders auseinander, wägt ihre Freundschaften ab und trifft schließlich einen weitreichende Entscheidung in Bezug auf ihre weitere Laufbahn.

Der Schreibstil der Autorin ist faszinierend. Obwohl die beschriebenen Symptome eine melancholische Grundstimmung erzeugen, gelingt es ihr durch heitere Erzählmomente immer wieder die Schwere des Themas zu mildern. Die Sprache ist klar und funkelnd, so dass ich trotz der oft bedrückenden Atmosphäre den Roman gerne gelesen habe. Ich empfehle das Buch allen, die lebensnahe Geschichten zu schätzen wissen, in denen schwierige Themen feinfühlig erzählt werden.

Sonntag, 12. Oktober 2025

Rezension: Katzentage von Ewald Arenz


Katzentage
Autor: Ewald Arenz
Illustrator: Florian Bayer
Hardcover: 128 Seiten
Erschienen am 16. September 2025
Verlag: DuMont
Link zur Buchseite des Verlags

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Paula und Peter arbeiten bei derselben Firma und haben nach einer Fortbildung die Nacht gemeinsam verbracht. Jetzt sind sie mit dem Zug auf dem Rückweg in die Heimat, doch ein Streik lässt sie in Würzburg stranden. Die beiden beschließen, aus der Not eine Tugend zu machen. Sie buchen sich eine romantische Unterkunft und lassen sich drei verzauberte Tage lang durch die Stadt treiben. Doch während Paula noch nicht daran denken möchte, was danach aus ihnen wird, erhofft Peter sich Klarheit, was die Zukunft angeht.

Paula und Peter kennen sich bislang nur aus dem beruflichen Alltag: Sie ist Ärztin, er arbeitet als Jurist in der Klinikverwaltung. Während es bei der gemeinsamen Nacht nach der Fortbildung nur um Sex ging, beginnen die beiden in Würzburg, sich wirklich wahrzunehmen. In einer ruhigen und poetischen Sprache beschreibt Ewald Arenz die Streifzüge der beiden durch die Stadt, während derer sie miteinander scherzen und mehr übereinander herausfinden. Ich fand es schade, nicht mehr Hintergrundinformationen über die beiden zu erhalten, das Buch bleibt im Moment und gibt darüber hinaus nur wenig preis. Zudem war das Touristenprogramm, das die beiden in Würzburg absolvieren, für meinen Geschmack zu ereignislos. 

Die Illustrationen von Florian Bayer sind stimmungsvoll und vermitteln eine herbstliche Stimmung. Einige sind jedoch sehr dunkel, mir haben die helleren besser gefallen. Insgesamt ist „Katzentage“ ein leiser Roman über das Innehalten und Zueinander finden. Auch wenn er mich nicht gänzlich überzeugen konnte, bietet er eine schöne Flucht aus dem Alltag und lädt Leser:innen ein, sich mit Paula und Peter durch Würzburg treiben zu lassen.


Dienstag, 7. Oktober 2025

Rezension: Was du siehst von Laura Maaß

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Was du siehst
Autorin: Laura Maaß
Erscheinungsdatum: 28.08.2025
Verlag: Gutkind (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783989411067

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Juliane, genannt Jule, und Andreas, den alle nur Andi nennen, kennen sich von Kindesbeinen an. Später wird „Ich sehe was, was du nicht siehst“ ihr liebstes Spiel, das sie ihr Leben lang begleitet. Die beiden sind die Hauptfiguren im Roman „Was du siehst“ von Laura Maaß. Sie wachsen in einem fiktiven Dorf in der „Griesen Gegend“ im Zonenrandgebiet Mecklenburgs auf.

Die mit Jule hochschwangere Ruth, eine Schneiderin aus dem Osten Berlins, findet 1967 Unterkunft bei ihrem Onkel in dem kleinen Ort, in dem auch Andis Eltern leben. Jules Vater ist spurlos verschwunden. Ruth freundet sich mit Andis Mutter an, daher kennen sich ihre Kinder von klein auf. Ihre Freundschaft erhält eine neue Bedeutung, als sie heranwachsen. Ihre Gefühle füreinander zeigen sich in einem ersten Kuss, den sie sich zu der Zeit geben, in der sie Bewerbungen für Ausbildungsstellen schreiben. Andi möchte Förster werden. Jules Wunschberuf lässt sich zunächst nicht verwirklichen, doch durch einen glücklichen Zufall kann sie schließlich Fotografin werden, wie einst ihr Vater.

Als nach dem Mauerfall eine Ausreise möglich wird, begibt sich Jule auf eine Suche, um ein Familiengeheimnis aufzudecken. Das Kinderspiel aus alten Zeiten erhält dabei eine neue Bedeutung und wird zum Titel des Romans. Farben in vielen Facetten durchziehen die Erzählung und geben den Kapiteln ihre Überschriften.

Laura Maaß gelingt es, die Charaktere stimmig im Denken und Verhalten der Zeit ab 1967 darzustellen. Die Ereignisse sind chronologisch erzählt, wodurch die Entwicklung der Hauptfiguren besonders greifbar wird. Der Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft ist herzerwärmend. Jede und jeder wird mit seinen Stärken und Schwächen abgebildet. Die Handlungen der Personen sind eingebunden in die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit, ohne dass diese sich in den Vordergrund drängen.

Besonders schön ist es, Jule und Andi über Kindheit und Jugend hinweg über einen so langen Zeitraum zu begleiten. An ihrer Seite treten zahlreiche Wegbegleitende, deren eigene Hintergründe kleine Geschichten innerhalb der Erzählung bilden. An einigen Stellen deutet Laura Maaß die weitere Entwicklung einer Begebenheit an, was die Tragweite des Geschehenen unterstützt. Es sind die alltäglichen Dinge und die Sorgen von Menschen, wie jeder Lesende sie kennt, die an eigene Erfahrungen erinnern und bewegen. Lediglich der etwas überstürzte Beginn von Jules Suche und deren Länge fand ich eher weniger glaubhaft.

Mit ihrem Roman „Was du siehst“ zeigt Laura Maaß ihr feines Gespür für Zwischentöne. Glaubwürdige Charaktere und eine lebendige Schilderung von Zeit und Orts verleihen der Geschichte Tiefe und bieten eine ergreifende Unterhaltung. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Samstag, 4. Oktober 2025

Rezension: Nächte einer Hexe von Genoveva Dimova


Nächte einer Hexe
Autorin: Genoveva Dimova
Übersetzer: Wieland Freud und Andrea Wandel
Hardcover: 448 Seiten
Erschienen am 13. September 2025
Verlag: Klett-Cotta
Link zur Buchseite des Verlags

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Es sind einige Monate vergangen, seit Kosara den Zmey in die Mauer eingebettet hat. Doch obwohl in Chernograd Sommer sein sollte ist es eisig kalt. Noch dazu treiben Monster ihr Unwesen in der Stadt, die bis zu den nächsten Schmutzigen Tagen eigentlich im Reich der Monster verweilen sollten. Dann wird auch noch die Hexe Sofiya enthauptet in ihrem Salon aufgefunden. Auf der anderen Seite der Mauer, in Belograd, gab es einen ähnlichen Mord. Asens Ermittlungen zu letzterem führen ihn zurück nach Chernograd und zu Kosara. Kann es ihnen gelingen, die Mordfälle zu lösen, die Monster in Schach zu halten und endlich Karaiwanow das Handwerk zu legen?

„Nächte einer Hexe“ spielt rund ein halbes Jahr nach den Ereignissen von „Tage einer Hexe“. Nach nur wenigen Seiten war ich wieder ganz in die Welt der Hexen und Monster eingetaucht. Zwei Enthauptungen sorgen für Aufsehen, eine Ruba muss gerettet werden und ein riesiger Mratinyak, der alle Hühner und Hähne tötet, muss zurück ins Reich der Monster geschickt werden. Ist ein Problem gelöst, tauchen gefühlt zwei neue auf. Dass Kosaras zwölf Schatten, die ihr große Macht verleihen sollten, ihren eigenen Willen haben, ist dabei nicht unbedingt hilfreich. 

Das Tempo bleibt hoch und ich fieberte mit, ob Kosara und Asen gemeinsam mit ihren Verbündeten wieder Ordnung schaffen können. Es gibt spannende Kämpfe und auch emotionale Momente. Niemand ist sicher, nicht alle liebgewonnenen Charaktere überleben bis zum Schluss. Immer wenn die Geschichte Anstalten macht, cozy zu werden, kommt kurz darauf eine böse Überraschung daher, welche die Spannung wieder auflädt. Wer den ersten Teil gelesen hat, der wird nicht umhin kommen, mit „Nächte dieser Hexe“ ein weiteres Mal in die magische Welt Chernograds einzutauchen. Ich gebe eine große Leseempfehlung an alle, die Lust auf eine kurzweilige, abenteuerliche Hexen- und Monsterfantasy haben!


Freitag, 3. Oktober 2025

Rezension: Bretonische Versuchungen - Kommissar Dupins vierzehnter Fall von Jean-Luc Bannalec

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Bretonische Versuchungen
Kommissar Dupins vierzehnter Fall 
Autor: Jean-Luc Bannalec (Pseudonym von Jörg Bong)
Erscheinungsdatum: 25.06.2025
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783462002508

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Für Kommissar George Dupin scheint der 14. Fall der Reihe von Jean-Luc Bannalec zunächst ein Heimspiel zu werden. Der Mord, den er aufzuklären hat, ist ebenso spektakulär wie verstörend: In einer Confiserie in der Ville Close von Concarneau wird eine Frau kopfüber in einem Bottich mit flüssiger Schokolade aufgefunden. Sie ist eines der drei Geschwister, die das traditionsreiche Familienunternehmen führen.

Als Dupin die Nachricht erreicht, dass es einen Mord gibt, nimmt er gerade an einer Therapie zur Überwindung seiner Thalassophobie teil. Er bricht diese sofort ab, um sich den Ermittlungen zu widmen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass er und seine Kollegin Nolwenn bis zur völligen Erschöpfung viele Stunden ununterbrochen mit dem Fall beschäftigt seine werden. Eine erster Verdacht führt die beiden bald nach Bayonne im Süden Frankreichs, wo sich der Stammsitz der Confiserie befindet. Die Suche nach einem Motiv gestaltet sich schwierig, wodurch sich kaum einschätzen lässt, ob weitere Personen in Gefahr sind.

Als ein weiterer Mord geschieht, läuft dem Kommissar die Zeit davon. Ohne Schlaf, nur mit Kaffee und Schokolade als Wachmacher setzt er seine Recherchen fort. Anders als sonst, bleibt Nolwenn auf eigenen Wunsch stets an seiner Seite. Unzweifelhaft steigert es die Spannung, wenn Dupin ohne Unterbrechung ermittelt, wirkte auf mich jedoch stellenweise eher unrealistisch.

Auch diesmal nimmt der Autor die Lesenden mit an verwunschen schöne Orte, diesmal vor allem in der Umgebung von Concarneau. Das Thema „Schokolade“ hat mich besonders angesprochen. Im Krimi erfuhr ich eine Menge über die Ingredienzien und den Herstellungsprozess. Während der sozusagen atemlosen Ermittlungstätigkeit bleibt das Privatleben des Kommissars und seines Teams nahezu ausgeblendet. Aber ein Hinweis zum Schluss lässt erfreuliche Aussichten ahnen. „Bretonische Versuchungen“ ist definitiv ein Must Read für alle Dupin-Fans und ein aufregender Lesegenuss für die Leserschaft von Kriminalromanen. Inzwischen wurde der Band verfilmt und ich freue mich schon auf die Ausstrahlung.

Rezension: Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? ...wenn die Schneeflocken fallen von Sam McBratney und Anita Jeram


Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab? ...wenn die Schneeflocken fallen
Autor: Sam McBratney
Illustratorin: Anita Jeram
Übersetzer: Rolf Inhauser
Pappbilderbuch: 24 Seiten
Erschienen am 24. September 2025
Verlag: FISCHER Sauerländer
Link zur Buchseite des Verlags

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Es hat geschneit! Der kleine und der große Hase sind in der weißen Schneelandschaft unterwegs und spielen „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Denn auch im Winter gibt es draußen einiges zu entdecken. Der kleine Hase macht es schließlich ganz schön knifflig. Das bringt auch den große Hasen auf eine tolle Idee.

Mein Sohn lässt sich die Geschichten vom kleinen und großen Hasen immer wieder gerne vorlesen. Die Neuauflage dieser winterlichen Geschichte kommt in einem stabilen und handlichen Format für kleine Kinderhände daher und durfte in unserer Sammlung nicht fehlen. Die vertrauten Motive sind hier von einer Schneeschicht bedeckt, die Lust auf die ersten Schneeflocken macht. 

Auf jeder Seite stellen der kleine und der große Hase sich abwechselnd Aufgaben, die erfolgreich gelöst werden. Aber es wird immer schwieriger! Die letzte Aufgabe vermittelt eine wunderschöne Botschaft – gesucht wird das Liebste, was der große Hase hat – und macht Lust darauf, das Buch gleich wieder von vorn zu lesen. Eine wunderschöne, winterliche Geschichte, die sich auch perfekt als Geschenk für Nikolaus oder Weihnachten eignet.


Mittwoch, 24. September 2025

Rezension: Komm und such mich! sagt der kleine Dachs von Constanze von Kitzing


Komm und such mich! sagt der kleine Dachs
Illustratorin: Constanze von Kitzing
Pappbilderbuch: 10 Seiten
Erschienen am 24. September 2025
Verlag: FISCHER Sauerländer
Link zur Buchseite des Verlags

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Der kleine Dachs sucht seine Freunde, um mit ihnen etwas zu spielen. Hinter einem Blätterhaufen raschelt es und im Gebüsch hört er ein Pupsen. Wer war das denn? Das Suchspiel ist bereits in vollem Gange – und am Ende darf sich auch der Dachs selbst verstecken.

Mein Sohn liebt es aktuell sehr, Guckguck zu spielen, daher sind auch Versteckbücher gerade bei ihm ganz hoch im Kurs. Der Dachs und seine Freunde sind in weichen Farben gezeichnet und ihre freundlichen, neugierigen Gesichtsausdrücke machen Lust auf das gemeinsame Suchen. Es gibt fünf Doppelseiten, auf denen jeweils ein Tier gefunden werden muss. Dabei wird das Kind immer direkt angesprochen und gefragt, was sich seiner Meinung nach hinter der Klappe verbirgt.

Die Klappen lassen sich mal zur Seite und mal nach unten öffnen. Mein Sohn hatte den Dreh schnell raus. Sie haben ein gutes Format für kleine Kinderhände, könnten aber noch etwas stabiler sein. Das Buch ist bereits das siebte aus der Reihe rund um den kleinen Dachs, für mich aber das Erste. Hier kam es sehr gut an, weshalb ich es gerne weiterempfehle.


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