Dienstag, 25. März 2025

Rezension: The Glass Girl von Kathleen Glasgow

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: The Glass Girl
Autorin: Kathleen Glasgow
Übersetzerin aus dem amerikanischen Englisch: Barbara König
Erscheinungsdatum: 26.02.2025
Verlag: Fischer Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783737373944

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In ihrem Roman „The Glass Girl“ erzählt die US-Amerikanerin Kathleen Glasgow die berührende Geschichte der 15-jährigen Bella. Ihre Eltern haben sich vor einiger Zeit getrennt. Damit ihre Mutter einem Job im HomeOffice nachgehen kann, unterstützt sie sie im Haushalt und kümmert sich um ihre siebenjährige Schwester Ricci. Ihr Vater hat eine Freundin und sie weiß noch nicht recht, wie sie damit umgehen soll. Kürzlich hat sich ihr erster Freund von ihr getrennt, weil sie ihm nach seiner Aussage „zu viel sei“. Am meisten trifft sie jedoch der Tod ihrer Großmutter, die in ihren Armen gestorben ist. Ihr Haus, dass nur wenige Meter von dem ihrer Mutter entfernt ist, wird für sie zum Zufluchtsort. Hier findet sie nicht nur Abstand vom Stress, sondern bedient sich bei Bedarf an den alkoholischen Vorräte ihrer Oma.

Mit großer Feinfühligkeit beschreibt die Autorin detailliert den Weg von Bella, um ihre Sucht zu überwinden. In ihre Geschichte sind spürbar eigene Erfahrungen eingeflossen. Am Beginn des Romans ist die Protagonistin bereits so weit, dass sie sich nach einem Schluck Alkohol sehnt, der sie im Umgang mit Freundinnen und Familie locker sein lässt. Obwohl ihr der Gedanke nicht fremd ist, dass sie bei regelmäßigem Konsum zur Alkoholikerin werden kann, beruhigt sie sich damit, dass das nicht passieren wird, weil doch viele in ihrem Umfeld zu Bier, Wein und anderen Getränken mit noch höherem Alkoholgehalt greifen. Außerdem denkt sie, dass ihr fester Wille ihr helfen wird, jederzeit aufhören zu können.

Die Ereignisse spitzen sich zu, denn Kathleen Glasgow scheut sich nicht, die hässlichen Seiten des Rausches schonungslos zu beschreiben. Es ist nicht nur erschütternd, darüber zu lesen, wie Bella der Sucht verfällt, sondern auch bewegend, wie sie versucht, mit professioneller Hilfe daraus herauszufinden. Dabei lernt sie Jugendliche kennen, die wie sie süchtig nach Alkohol sind oder nach Drogen, nach Ritzen oder einer Kombination daraus. Sie teilen ihre Erfahrungen darüber, wie trickreich sie waren, um ihrer Sucht nachzukommen, ohne entdeckt zu werden. Der Weg zur Heilung ist lang und erfordert Selbstdisziplin.

Der Roman „The Glass Girl“ ist anschaulich und eindrucksvoll beschrieben. Auch wenn die Autorin Kathleen Glasgow einige Konsequenzen der Sucht aufzeigt, die an die Belastungsschwelle des Lesenden gehen, so bleibt die Geschichte dennoch vorstellbar und authentisch. Ich empfehle das Buch an Jugendlichen ab 14 Jahren, damit sie ein Bewusstsein für die Gefahren von Alkoholmissbrauch entwickeln. Aber auch Erwachsene sollten den Roman lesen, um zu verstehen, welche Auswirkungen es haben kann, wenn sie jungen Menschen Alkohol anbieten. Beide Altersgruppe erhalten Ratschläge im Umgang mit Süchtigen und Abstinenzlern. Unbedingt lesen!

Samstag, 22. März 2025

Rezension: Das Leben fing im Sommer an von Christoph Kramer

 


Das Leben fing im Sommer an
Autor: Christoph Kramer
Hardcover: 256 Seiten
Erschienen am 13. März 2025
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Link zur Buchseite des Verlags

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Es ist der Sommer 2006 und der letzte Schultag vor den Sommerferien. Chris ist fünfzehn Jahre alt und am Abend soll bei seinem Klassenkameraden Ron Scheler eine Party steigen, zu der er und sein bester Freund Johnny nicht eingeladen sind. Als Debbie, in die Chris schon eine ganze Weile verliebt ist, sich mit den Worten „Bis heute Abend!“ von ihm verabschiedet, ist für ihn klar: Er muss trotzdem hin. Er und Johnny werden erfinderisch, um sich doch noch eine Einladung zu sichern. Mit Debbie erlebt Chris eine Achterbahn der Gefühle, während der Gefallen, den er Ron Scheler schuldet, zu einem gewagten Ausflug führt.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive geschrieben und nahm mich mit in den Kopf von Chris, der gerade seinen letzten Schultag vor den Sommerferien hat. Als ihn Debbie nach der Schule in der Dönerbude anspricht, ist er im siebten Himmel. Er selbst hat sich bislang nicht getraut, sich mit ihr zu unterhalten, dafür ist er zu unsicher und macht sich zu viele Gedanken über seine Pickel. Er bewundert seinen besten Freund Johnny um sein Selbstbewusstsein, mit dem er trotz ein paar Kilos zu viel auf den Rippen bei den Mädchen punkten kann.

In dem Roman fließen laut Christoph Kramer seine eigenen Erlebnisse und Fiktion ineinander. Fußball spielt in diesem Buch nur eine Nebenrolle. Der Chris im Roman hat gerade erfahren, dass er in der kommenden Saison nicht mehr bei Bayer Leverkusen spielen darf, weil er zu schmächtig ist. Eine Nachricht, die er erst einmal verdauen muss, denn Fußball ist das Wichtigste für ihn. In den drei Tagen des Romans findet daher auch kein Training statt, sodass viel Zeit für andere Dinge bleibt. Seine Gedanken kreisen vor allem um Debbie, die am zweiten Tag der Sommerferien für sechs Wochen in den Urlaub fahren wird und mit der er vorher so gerne zusammenkommen würde. Ich fieberte mit, ob es ihm gelingt, seinen Wunsch Realität werden zu lassen.

Ich selbst war im Sommer 2006 genauso alt wie Chris, wodurch ich mich beim Lesen in meine eigene Jugend zurückversetzt fühlte. Das Chaos der Gefühle, in dem er sich befindet, konnte ich gut nachvollziehen. Die drei Tage flogen nur so dahin. Den nächtlichen Ausflug am dritten Tag fand ich sehr gewagt, hier kann ich mir nicht vorstellen, dass dies wirklich so stattgefunden hat, sondern für einen dramatischen Abschluss überspitzt wurde. Auf den letzten Seiten gibt es mehrere kurze Kapitel, in denen der Erzähler berichtet, was danach passiert ist, und das Erlebte reflektiert. Das rundete den Roman gelungen ab. Sehr gerne gebe ich daher eine Weiterempfehlung für diese Geschichte über drei Sommertage voller emotionaler Hoch- und Tiefpunkte, in denen der Protagonist Chris erwachsen wird.

Donnerstag, 20. März 2025

Bilderbuch-Rezension: Ein Stachelschwein will kuschelig sein von Christine Kugler und Yvonne Sundag

 


Ein Stachelschwein will kuschelig sein
Autorin: Christine Kugler
Illustratorin: Yvonne Sundag
Pappbilderbuch: 14 Seiten
Erschienen am 12. März 2025
Verlag: Penguin Junior
Link zur Buchseite des Verlags

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Das Stachelschwein Lou hat ein Problem: Sie fühlt sich abends allein und wünscht sich ein weiches Fell, damit jemand mit ihr kuschelt. Auf der Suche nach Hilfe schaut sie beim Fuchs, bei der Maus und beim Flamingo vorbei. Sie haben Ideen für Lou, doch die funktionieren nicht. Erst der Igel weiß Rat, sodass am Ende alle zusammengekuschelt einschlafen können.

Zu Beginn der Geschichte ist die Verzweiflung gut auf dem Gesicht des kleinen Stachelschweins zu sehen und man wünscht sich wirklich inständig, dass eine Lösung gefunden werden kann. Lous Erlebnisse sind in Reimform verfasst, wodurch man automatisch melodisch vorliest und die Geschichte lebendig werden lässt. Natürlich gibt es ein Happy End und alle schlafen gemeinsam ein. Die Zeichnungen sind in warmen Farben gehalten, was gut zum Thema „Kuscheln“ passt und beim Müde werden unterstützt. Als kleines Spiel gibt es auf jeder Seite ein Glühwürmchen, das gefunden werden soll. Sehr gern empfehle ich dieses Pappbilderbuch als Gute-Nacht-Geschichte zum Vorlesen weiter.

Dienstag, 18. März 2025

Rezension: Hier draußen von Martina Behm

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Hier draußen
Autorin: Martina Behm
Erscheinungsdatum: 13.03.2025
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423284783

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Der Debütroman von Martina Behm trägt den Titel „Hier draußen“. Man könnte ihn mit „… im Dorf“ ergänzen, denn die Haupthandlung der Geschichte spielt in dem etwa zweihundert Seelen umfassenden, fiktiven holsteinischen Ort „Fehrdorf“. Ein alter Mythos um die auf dem Cover abgebildete weiße Hirschkuh bildet den erzählerischen Rahmen für die Ereignisse im Buch, die innerhalb eines Jahres geschehen.

Ingo und Lara sind vor drei Jahren mit ihren beiden Kindern von Hamburg nach Fehrdorf gezogen. Sie haben dort einen Resthof gekauft, um mehr Wohnraum zu erhalten und naturnäher zu leben. Lara arbeitet im Homeoffice, aber Ingo pendelt täglich in die Stadt. Auf einer späten Heimatfahrt läuft ihm eine weiße Hirschkuh vors Auto. Als er den Unfall meldet, wird ihm der dafür zuständige Jäger geschickt, der ihm erzählt, dass das Töten eines ebensolchen Exemplars dazu führt, dass die- oder derjenige innerhalb eines Jahres selbst verstirbt. Gemeinsam führen sie den Schuss aus. Durch die gesamte Geschichte hinweg, wird der Mythos immer wieder thematisiert, insbesondere, weil Lara daran interessiert ist, wodurch die Legende begründet wurde.

Martina Behm beschreibt das Dorfleben auf eine realistische Weise. Einerseits suchen hier Städter nach einem Leben mit weniger Stress, besserer Luft und engerem Kontakt zu den Bewohnern. Andererseits schildert die Autorin das Bedürfnis der Alteingesessenen, die sich beruflich aus der Landwirtschaft lösen, Brauchtümer hinter sich lassen und neue Wege gehen möchten, was sich oft als schwierig erweist.

Die Autorin stellt eine größere Anzahl Figuren vor, die sich zu zweit, zu dritt oder mit noch mehr Personen gruppieren. Eine Ausnahme bildet der alleinstehende Jäger Uwe, der in den 1960er Jahren geboren wurde und den Hof seiner verstorbenen Eltern weiterführt. In seinem Alter sind auch der Hähnchenmäster Söhnke und seine Frau Maggie, deren Tochter zwar studiert, sich auf dem Hof als Landwirtin aber wohler fühlt. Der Schweinezüchter Enno hält unbeirrt an alten Gewohnheiten fest und übersieht geflissentlich, dass seine Frau Tove schon seit langem seine Vorstellung der nächsten und weiteren Zukunft nicht teilt. Aus einer einst größeren Wohngemeinschaft sind nur noch Armin und Jutta im Ort geblieben, die ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander gefunden haben. Wie Ingo und Lara wohnen auch die seit langem im Dorf verwurzelten Caro und Krischi, der sich an einem Online-Handel verssucht.

Während Martina Behm eine ländliche Idylle mit grünen Wiesen und Wälder ausmalt, verschweigt sie nicht die weniger romantischen Aspekte wie zum Beispiel der Geruch nach dem Ausfahren von Gülle, Traktorenlärm in den frühen Morgen- und späten Abendstunden sowie die allgegenwärtigen Fliegen und Mäuse. Der Autorin gelingt es, durch den ständigen Perspektivenwechsel zu den verschiedenen Personen, interessante Ansichten zum Leben auf dem Land in ihrer Geschichte aufzunehmen und authentisch darzustellen.

Der Roman „Hier draußen“ von Martina Behm spiegelt das Leben auf dem Land in seinen Facetten wider. Bewusst spielt sie mit Klischees, ohne ins Banale abzudriften. Sie schaut auf die Gefühle ihrer Figuren im dörflichen Zusammenleben. Einige kurze Rückblicke in die Vergangenheit einzelner Charaktere sorgen für ein tieferes Verständnis der Hintergründe für ihr gegenwärtiges Handeln. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und daher lege ich sie gerne jeder und jedem ans Herz.

Samstag, 15. März 2025

Rezension: Der Einfluss der Fasane von Antje Rávik Strubel

 

Der Einfluss der Fasane
Autorin: Antje Rávik Strubel
Hardcover: 240 Seiten
Erschienen am 12. März 2025
Verlag: S. FISCHER
Link zur Buchseite des Verlags

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Hella Karl arbeitet seit zwölf Jahren in Berlin für die Abendpost, davon sieben als Leiterin des Feuilletons. Als sie die Nachricht erreicht, dass sich der Theaterintendant Kai Hochwerth in Sydney während eines Opernauftritts seiner Frau hinter den Kulissen das Leben genommen hat, ist sie nicht sonderlich erschüttert, fand sie ihn doch alles andere als sympathisch. Sie verfasst einen Nachruf und betrachtet das Thema als journalistisch verarbeitet. Doch dann werden Stimmen laut, die behaupten, dass Hella eine Mitschuld an seinem Tod trägt: Sie ist es, die vor einiger Zeit den Artikel „Intendant treibt Schauspielerin zur Abtreibung“ verfasst hat, was dazu geführt hat, dass Hochwerth zur Kündigung gedrängt wurde. In einem auf den Suizid folgenden Interview macht Hella keine gute Figur. Während sie versucht, sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und nicht glaubt, etwas falsches getan zu haben, muss sie feststellen, dass nun sie es ist, die gecancelt werden soll.

Zu Beginn des Romans erfährt Hella vom Suizid Hochwerths in Sydney. Sie rekapituliert die erste unangenehme Begegnung mit ihm bei einer Theaterpremiere kurz nach ihrem Amtsantritt als Feuilletonchefin. Die berufliche Beziehung der beiden hatte ihre Höhen und Tiefen, doch sonderlich sympathisch ist er Hella nie geworden. Dabei sagt sie in der Selbstreflektion, dass sie sich oft Männern näher fühlt als Frauen. Im Rahmen der #MeToo-Debatte hat sie Männern eine Plattform zur Gegendarstellung gegeben und sich in Funk und Fernsehen gegen den Trend des Verurteilens und Cancelns ausgesprochen. Nun soll ihr ausgerechnet ein Artikel, in dem sie Hochwerth Machtmissbrauch vorwirft, weil er zu einer Schauspielerin „Sieh zu, dass du das wegmachen lässt“ gesagt hat, zum Verhängnis werden.

Der Roman ist gänzlich aus der Perspektive von Hella geschrieben. Sie gibt sich nüchtern und distanziert, nichts scheint sie aus der Ruhe bringen zu können. Erst als der Sturm, der sich allmählich zusammenbraut, nicht nachlässt, und auch ihr Privatleben aus dem Takt gerät, beginnt sie, ihre Entscheidungen stärker zu reflektieren. War es richtig, sich bei den Vorwürfen gegen Hochwerth auf die Seite der Schauspielerin zu stellen und die Anschuldigungen als Erste mit solch einem reißerischen Artikel zu veröffentlichen? Oder ist sie tatsächlich zu weit gegangen? Darüber geriet auch ich als Leserin ins Grübeln. Auf den letzten Seiten gibt es schließlich überraschende Entwicklungen, welche mir nochmals neuen Stoff zum Nachdenken gaben und die Lektüre nachhallen lassen. Für mich ist „Der Einfluss der Fasane“ ein gelungener Roman zur Cancel Culture und ihren Konsequenzen, bei dem die Anklägerin zur Angeklagten wird.

Freitag, 14. März 2025

Rezension: True Crime in Nature- Kriminelle Machenschaften unter Tieren und Pflanzen von Farina Grassmann

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: True Crime in Nature
Autorin: Farina Grassmann
Illustrationen: Cornelis Jettke
Farbfotos: Farina Grassmann
Erscheinungsdatum: 17.02.2025
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783440180235

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Die Autorin, Naturfotografin und Referentin für Naturschutzthemen Farina Grassmann wirft im ihrem Buch „True Crime in Nature“ einen besonderen Blick auf Fauna und Flora. Sie deckt Betrug, Diebstahl und Mord in unserer heimischen Tier- und Pflanzenwelt auf. In beiden Welten steht das Prinzip der Fortpflanzung im Vordergrund. Für dieses Ziel sind die Organismen bereit, erstaunliche kriminelle Energien freizusetzen. Sie kapern zum Beispiel fremde Nester oder Vorratskammern, leben im Körper von anderen, manipulieren und bauen raffinierte Fallen. Dabei kann man ihnen keine Hinterlist nachsagen, sondern der Trieb dazu ist in der Regel angeboren. Für den Menschen bleibt diese Naturgeschehen oft unbemerkt und ist meistens ungefährlich.

Den größten Teil der Beschreibungen nehmen Insekten ein, aber auch Vögel, Frösche, Fuchs und Wal sowie Bäume und Pflanzen sorgen für staunenswerte Erkenntnisse. Vielfach begegnet der Lesende im Buch einer parasitären Lebensform. Die Autorin weist auf deren Bedeutung hin, denn sie sorgen dafür, dass Ökosysteme im Gleichgewicht bleiben.

Farina Grassmann schreibt informativ und unterhaltsam. Sie beschränkt sich nicht nur auf reine Fakten, sondern arbeitet gezielt die erstaunlichsten Aspekte heraus. Manchmal greift sie auf Ironie zurück, um besondere Leistungen zu betonen oder gängige Meinungen zu widerlegen. Fauna und Flora verändern sich ständig, wodurch Tiere und Pflanzen einem steten Wandel unterliegen. Die Wissenschaft steht immer wieder vor neuen Rätseln und längst sind nicht alle Fragen geklärt.

Die Ausführungen werden begleitet mit humorvollen Illustrationen von Cornelis Jettke, die den unerfreulichen Tatsachen erheiternd entgegenwirken. Ebenso finden sich fünfzehn Farbfotografien der „Verbrecher“, die von der Autorin aufgenommen wurden. Hiervon hätte ich mir noch mehr gewünscht.

In ihrem Buch „True Crime in Nature“ zeigt Farina Grassmann eindrucksvoll, dass die Natur nicht immer so friedfertig ist, wie wir sie meist wahrnehmen. Es ist nicht nur eine Darstellung, welche Tricks einige Tiere und Pflanzen aufwenden, um ihr Überleben und ihre Fortpflanzung zu sichern, sondern auch ein Plädoyer dafür, genauer hinzusehen, um die Feinheiten der Flora und Fauna bewusster wahrzunehmen.

Donnerstag, 13. März 2025

Rezension: The Last Bookstore on Earth von Lily Braun-Arnold

 

The Last Bookstore on Earth
Autorin: Lily Braun-Arnold
Übersetzerin: Mareike Weber
Paperback: 320 Seiten
Erschienen am 12. März 2025
Verlag: Rotfuchs
Link zur Buchseite des Verlags

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Die 17-jährige Liz gehört zu den wenigen Menschen, welche den „Sturm“ und seine Nachwirkungen überlebt haben. Sie lebt in einer Wohnung über der Buchhandlung, in der sie in ihrem alten Leben gearbeitet hat, bevor sie ans College gehen wollte. Zwischen Exemplaren von „Anna Karenina“ und „Hüter der Erinnerung“ lebt sie von Tag zu Tag und wartet auf gelegentliche Besucher, die mit ihr Bücher gegen allerhand Nützliches tauschen und Briefe für andere Überlebende bei ihr hinterlegen. Eines Nachts erwischt sie ein Mädchen bei einem Einbruch in die Buchhandlung. Da Maeve behauptet, nur nach einem Platz für die Nacht gesucht zu haben, lässt Liz sie bleiben. Nach anfänglicher Skepsis verstehen sich die beiden immer besser und fühlen sich zueinander hingezogen. Doch Maeve hat Geheimnisse, und es braut sich ein neuer „Sturm“ zusammen, für den Liz ihre Vorbereitungen noch längst nicht abgeschlossen hat.

Cover und Titel des Romans vermitteln einen guten Eindruck davon, was Leser:innen zwsichen den Buchdeckeln erwartet: Eine dystopische Welt mit wenigen Überlebenden, die sich mit Nahrung und Wasser versorgen und auf den nächsten „Sturm“ vorbereiten müssen. Liz‘ Buchhandlung ist in diesem düsteren Szenario ein sicherer Hafen für sie, den sie nicht verlässt. Stattdessen lässt sie Besucher zu sich kommen und kommt mit ihrem Tauschhandel über die Runden. Gedanken daran, wie es außerhalb der Buchhandlung zugeht, schiebt sie von sich. Erst mit Maeves Eintreffen und der wachsenden Not nach mehr Vorräten und Materialien für dringende Instandhaltungsarbeiten vor dem „Sturm“ setzt sie sich mehr damit auseinander.

Auch sonst ist Liz gut im Verdrängen: Erst nach und nach erfährt der Leser mehr über ihr Leben vor dem „Sturm“, was es mit diesem überhaupt auf sich hatte und was mit ihrer Familie passiert ist. Gemeinsam mit Maeve wagt sie sich schließlich nach draußen und macht sogleich schockierende Erfahrungen. Mit dem nahenden Sturm und einer neuen menschlichen Bedrohung nahm die Spannung allmählich zu und ich fragte mich, ob es ihr gelingen wird, über sich hinauszuwachsen.

Neben dem Kampf ums Überleben legt der Roman seinen Fokus auf die Beziehung zwischen Liz und Maeve. Die beiden sind charakterlich sehr verschieden. Liz ist vorsichtig und zurückhaltend, während Maeve unerschrocken vorprescht. Doch auch sie hat eine verletzliche Seite. Allmählich merken die beiden, dass sie sich damit sehr gut ergänzen. Ich fand es schön zu sehen, wie sie allmählich Gefühle füreinander entwickeln. Doch diese werden in Anbetracht der nahenden Ereignisse auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Ich erlebte mit den beiden eine Achterbahn der Gefühle, während die Lage immer dramatischer wird und in einem hochspannenden Finale gipfelte, in dem alles auf dem Spiel steht. Ein lesenswertes Buch für alle, die einen Weltuntergang wie Liz am liebsten in einer Buchhandlung aussitzen würden!

Mittwoch, 12. März 2025

Rezension: Wie wir so schön wurden - Eine Biografie des Gesichts von Rabea Weihser

Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wie wir so schön wurden - Eine Biografie des Gesichts
Autorin: Rabea Weihser
Erscheinungsdatum: 26.02.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257073362

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In ihrem Buch „Wie wir schön wurden“ setzt sich Rabea Weihser mit der Geschichte der Schönheit auseinander und fokussiert sich dabei entsprechend des Titelzusatzes auf unser Antlitz. „Eine Biografie des Gesichts“ nennt sie ihr Buch, denn sie versucht die Veränderungen über die Jahrhunderte hinweg nachzuvollziehen. Den Sozialen Netzwerken und Videokonferenzprogrammen ist in den letzten Jahren immer mehr Bedeutung zugekommen. Bei Nutzung digitalen Medien erhält unser Gesicht besondere Aufmerksamkeit, denn häufig ist es der einzige sichtbare Teil unseres Körpers.

Die Autorin ergründet, welche Schönheitsvorstellungen uns leiten, wenn wir uns für andere zurechtmachen. Während einige Natürlichkeit in den Vordergrund stellen, greifen andere nach Hilfsmitteln, durch die sie sich auf künstliche Art ihrem Ideal anpassen. Entsprechend widmet sich das erste Kapitel den „Masken“ und verwendet als zentrales Beispiel den „Glass Skin“, einen hyperreflektierenden Look der Starvisagistin Pat McGrath, der im Jahr 2024 boomte und Gesichter makellos und porzellanartig aussehen lässt.

Ein weiterer Abschnitt schaut auf unser Profil, bei der die Nase wesentlich zur Form der Seitenansicht beiträgt, gefolgt von detaillierten Betrachtungen zu Augen, Brauen und Lippen werden. Die letzten drei Kapitel schauen auf die Makel unseres Gesichts, das Alter und den Idealen an denen wir unsere Maßstäbe ausrichten.

Ein 26-seitiges Quellenverzeichnis und eine fünfseitige Auflistung der verwendeten Literatur bezeugen die umfassende Recherche der Autorin. Sie verwendet durchgehend einen Trendjargon, in dem sie fundiertes Wissen vermittelt. Als Leserin brachte sie mich auf den neuesten Stand aller Schönheitsströmungen, über die Jahrzehnte hinweg. Ergänzend zum Buch bietet ihre Webseite neun Bilderdossiers zu den Kapiteln, die das Geschriebene veranschaulichen.

Als erfahrene Journalistin versteht Rabea Weihser es, mit jedem Thema spannende Aspekte zu verknüpfen. Elemente aus der Soziologie, Anthropologie und Psychologie finden Eingang in ihre Betrachtungen genauso wie Faktoren aus der Kunstgeschichte. Schönheit ist sowohl von biologischen Mustern als auch kulturellen Moden abhängig und steht unter dem Einfluss von politischen Ansichten, ökonomischen Absichten und technischen Entwicklungen.

Die Autorin lockert ihre Erkenntnisse durch amüsante Einwürfe auf, so dass das Buch „Wie wir so schön wurden“ nicht nur ein faktenreiches Lesevergnügen ist. Besonders begeistert hat mich Rabea Weihser mit ihrer Fähigkeit, überraschende Querverbindungen zu ziehen, die manchmal unvermutet sind. Gerne vergebe ich eine Empfehlung an alle, die mehr über die Schönheit des menschlichen Gesichts erfahren möchten.

Rezension: Der Einfluss der Fasane von Antje Rávik Strobel

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Der Einfluss der Fasane
Autorin: Antje Rávik Strubel
Erscheinungsdatum: 12.03.2025
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103971712
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Zu Beginn des Romans „Der Einfluss der Fasane“ von Antje Rávik Strubel erfährt die etwa 50-jährige Protagonistin Hella Karl aus der Tageszeitung vom Tod des ihr bekannten deutschen Intendanten Hochwerth. Er hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Seine Frau hat ihn nach ihrem Auftritt als Opernsängerin an der Sydney Opera in ihrer Garderobe tot aufgefunden.

Hella ist überrascht, dass sie als langjährige Leiterin des Feuilletons einer Zeitung darüber nicht informiert wurde. Sie fährt in die Redaktion, um selbst einen Nachruf zu verfassen. Die Anzeichen mehren sich, dass einige in ihrem Umfeld der Ansicht sind, sie hätte mit einem ihrer Artikel dazu beigetragen, dass der Intendant gekündigt habe und als weitere Konsequenz aus dem Leben geschieden sei.

Antje Rávik Strubel beschäftigt sich in ihrem Roman damit, was Massenmedien bewegen können und wirft dabei eine Menge Fragen. Wie wirken sich Medienberichte auf die öffentliche Wahrnehmung aus? Wem kann ich persönlich gewonnene Informationen anvertrauen, ohne dass diese ungefragt weitergegeben werden? Gleichzeitig regt die Geschichte dazu an, über die Zuverlässigkeit von erhaltenen Informationen und die Dynamik von Fake News nachzudenken, die sich oft unkontrolliert verbreiten.

Bei Hella ist es das Wissen um das Spiel mit der Macht des Intendanten, dass sie dazu veranlasst hat, ihn zu beschuldigen. Sie fühlte sich verpflichtet, über die Missstände öffentlich zu schreiben. Obwohl sie stets um Objektivität bemüht ist, kommt sie über eigene, in der Vergangenheit geäußerte Meinungen ins Grübeln.

Es sind vor allem die sensationellen Meldungen, die hohe Aufmerksamkeit erhalten und sich schnell verbreiten. Uns allen muss bewusst sein, dass es Entscheidungen gibt, die nicht immer umkehrbar sind. Was sollte die Öffentlichkeit über eine Person erfahren und was sollte demgegenüber nicht öffentlich verhandelt werden?

Die Autorin kreiert für ihre Protagonistin eine interessante Partnerbeziehung, die Hella bisher auf gewisse Weise Halt gegeben hat. Doch Hella ist unermüdlich in ihre Arbeit vertieft, dass sie die schleichenden Veränderungen in ihrem persönlichen Umfeld kaum wahrnimmt. Das Ende der Geschichte bietet eine unerwartete Wendung, die zeigt, wie tief man sich in jemandem täuschen kann, dem man sein Vertrauen geschenkt hat.

„Der Einfluss der Romane“ von Antje Rávik Strubel ist ein tiefgründiger Roman, der eindrucksvoll veranschaulicht, wie Medien das Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit beeinflussen können. Die manchmal ins satirische gehende Darstellung lockert das schwerwiegende Thema stellenweise auf. Die Geschichte bietet Denkanstöße und hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Gerne empfehle ich sie weiter.


Freitag, 7. März 2025

Rezension: Mörderfinder - Das Muster des Bösen von Arno Strobel

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Das Muster des Bösen,
Band 5 der Serie Mörderfinder
Autor: Arno Strobel
Erscheinungsdatum: 26.02.2025
rezensierte Buchausgabe: Broschur mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783596711482
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Im fünften Fall der Reihe „Mörderfinder“ von Arno Strobel stehen der titelgebende Fallanalytiker Max Bischoff und der Psychologen Dr. Marvin Wagner kurz vor der Eröffnung ihrer gemeinsamen Detektei „WaBi Investigations“ in Düsseldorf. Während sie die Einweihungsfeier planen, werden sie aufgesucht und gebeten, in einem Fall von Kindesentführung tätig zu werden.

Der Täter aus Trier sitzt zwar in Untersuchungshaft, fürchtet jedoch, dass er eine Mitschuld an der vor zwei Tagen geschehenen Entführung eines Jungen aus Düsseldorf haben könnte. Anlass dazu ist eine ominöse Mail, die er vor kurzem erhalten hat. In ihr wird angekündigt, dass der Schreiber ihm zeigen wird, wie eine Geiselnahme erfolgreich ist. Wenig später wird der Junge tot aufgefunden. Alles deutet auf einen Rachefeldzug hin und Max, Marvin und der Kriminalpolizei bleibt nur wenig Zeit, bevor der Täter ein weiteres Opfer finden wird.

Normalerweise kann Max bei seinen Ermittlungen auf Hinweisen zu ehemaligen Kollegen bei der Kripo zählen. Auch Marvin hat ihm stets hilfreich zur Seite gestanden. Doch diesmal erhalten die beiden unfreiwillige Unterstützung, und das gleich doppelt. Da ihre Recherchen ins Stocken geraten, nehmen sie die Hilfe schließlich gerne an. Die Spur führt ins Darknet, wo sich Informationen rasant verbreiten, jedoch nicht immer der Wahrheit entsprechen. Dabei geraten sowohl Max als auch Marvin in Schwierigkeiten. Selbst als sie entsprechend des Untertitels „Das Muster des Bösen“ das Vorgehen des Täters entschlüsseln, bleibt es schwierig, potenzielle Opfer zu schützen, denn die Zahl ist schlicht zu groß.

Arno Strobel stellt in seinem Thriller mehrere Verdächtige vor, so dass es bis zum Ende in auch für den Lesenden spannend bleibt. Erneut erfuhr ich in kursiv gesetzten Kapiteln von der Gefühlslage des Täters vor und während seiner Verbrechen. Die Beschreibungen der Gewalttaten sind nicht für Feinfühlige geeignet. Aufgrund des Zeitdrucks und der hohen Arbeitsbelastung hat Max kaum Gelegenheit, sich wie gewohnt, in die Gedankenwelt des Mörders hineinzuversetzen. Das Thema Selbstjustiz als Hintergrund der Verbrechen stimmt nachdenklich. Der Schluss sorgt noch einmal für zunehmende Spannung und endet überraschend schnell.

Erneut ist Arno Strobel in seiner Serie „Mörderfinder“ mit dem fünften Band „Das Muster des Bösen“ ein Thriller gelungen, der durch einige unerwartete Wendungen für fesselnde Unterhaltung sorgt, falsche Fährten legt und den Lesenden miträtseln lässt. Für Fans der Reihe ist es erneut ein „Must-Have“, aber auch für Neueinsteiger eine Leseempfehlung, die ohne die Kenntnis der Vorgängerbände auskommt.


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