Sonntag, 29. Juni 2025

Rezension: Die Rettung von Charlotte McConaghy


Die Rettung
Autorin: Charlotte McConaghy
Übersetzer: Jan Schönherr
Hardcover: 448 Seiten
Erschienen am 28. Mai 2025
Verlag: S. FISCHER
Link zur Buchseite des Verlags

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Die kleine, unwirtliche Insel Shearwater liegt zwischen Australien und der Antarktis. Hier lebt nur noch Dominic Salt mit seinen drei Kindern. Die Forschungsbasis wurde aufgegeben, weil die Insel bald im Meer versinken wird. Auch die Familie soll bald mit einem Schiff abgeholt werden, im Gepäck die wichtigsten Samen aus dem riesigen Saatgutbunker der Insel, der mit allem anderen aufgegeben wird. Doch dann wird eine schwer verletzte Frau angespült. Da es kein anderes nahe liegendes Ziel gibt wollte sie wohl zur Insel – doch wieso? Dazu schweigt sie sich aus und ist gleichzeitig fest davon überzeugt, dass Dominic Salt etwas zu verbergen hat. Der wiederum will herausfinden, was sie hergetrieben hat.

Der Roman beginnt mit einem Sturm, durch den Rowan auf Shearwater angespült und von Fen, der Tochter von Dominic Salt, gefunden wird. Die ganze Familie kümmert sich aufopferungsvoll darum, Rowan zu retten, ohne zu wissen, was sie überhaupt bei ihnen sucht. Durch die verschiedenen Perspektiven, aus denen die Geschichte erzählt wird, erhält man einen guten Einblick in die Emotionen der Charaktere. Ihre Geheimnisse geben sie zunächst nicht preis. Es wird jedoch deutlich, dass in der Vergangenheit von allen Charakteren Dinge vorgefallen sind, die ihre Schatten bis in die Gegenwart werfen und ihr Verhalten sowie ihre Entscheidungen maßgeblich prägen. 

Aus der anfänglichen Skepsis gegenüber Rowan entwickelt sich bald ein vorsichtiges Zutrauen. Ich war gespannt, wohin sich das ganze entwickeln wird. Das Leben auf der abgelegenen Insel, wo die Natur unerbittlich ist und gleichzeitig in seiner Rauheit faszinierend sein kann, bildet eine gelungene Kulisse für das Geschehen und sorgt für die richtige Atmosphäre. Schmerzhafte Wahrheiten drängen schließlich an die Oberfläche und ich tauchte gemeinsam mit den inzwischen liebgewonnenen Figuren in die Erinnerungen an ihre traumatischen Erlebnisse ein. Die Lage spitzt sich auf dramatische Weise immer weiter zu, sodass es bis zum Schluss emotional und spannend bleibt. „Die Rettung“ legt seinen Fokus auf das Beziehungsgeflecht der Figuren vor einer dystopischen Kulisse, die daran erinnert, wie verheerend die Auswirkungen des Klimawandels sein können. Mich hat die Lektüre gefesselt und berührt, sodass ich das Buch sehr gerne weiterempfehle.

Freitag, 27. Juni 2025

Rezension: Glück ist ganz nach meinem Geschmack von Claudia Schaumann


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Glück ist ganz nach meinem Geschmack
Autorin: Claudia Schaumann
Erscheinungsdatum: 19.06.2025
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit gestalteten Klappen
ISBN: 9783442495993
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Entsprechend des Romantitels „Glück ist ganz nach meinem Geschmack“ wünscht sich Sarah-Marie Lautenschläger, von ihren FreundInnen liebevoll Sam genannt, sich ein gerne mit ihrem Leben zufrieden sein. Doch in der Geschichte der Autorin Claudia Schaumann kämpft die Protagonisten jeden Tag mit den Herausforderungen ihres Alltags als Grundschullehrerin. Erschwert wird der ohnehin anstrengende Schuldienst durch einen jungen, ehrgeizigen und attraktiven neuen Rektor, der den Unterricht grundlegend verändern will. Sams Eltern haben kein Verständnis dafür, dass sie ihren Beruf aufgeben und stattdessen mit Backen ihren Lebensunterhalt verdienen möchte, denn schließlich ist sie zwar Single, trägt aber auch die Verantwortung für ihre sechsjährige Tochter.

Bei einem Klassentreffen, 25 Jahre nach ihrem Abitur, begegnet Sam ihrem früheren Schwarm Max wieder, der ihre Gefühle nun zu erwidern scheint. In Rückblenden ruft Sam sich die Zeit rund um ihren Schulabschluss ins Gedächtnis, die auch bei mir Erinnerungen weckte. Sams erste Verliebtheit und ihre Unsicherheit im Umgang mit Gleichaltrigen werden dabei sehr einfühlsam geschildert.

Sam ist 43 Jahre alt und befindet sich an einem Wendepunkt, der geprägt ist von Selbstzweifeln. Sie spürt, dass sie noch jung genug ist, etwas in ihrem Leben zu verändern, statt weiter einem Beruf nachzugehen, den sie nicht mit Überzeugung ausübt. Die Autorin schafft Figuren wie die von Sam, mit denen sich die Lesenden gut identifizieren können. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Ava und Charlotte sucht sie nach einer Lösung für ihr Problem, sich zwischen sicherer Verbeamtung und risikobehafteter, aber erfüllender Selbständigkeit zu entscheiden. In ihrem Privatleben lebt sie bisher ihre Unabhängigkeit von einer Beziehung aus. Dennoch kommt immer wieder zum Ausdruck, dass sie sich eine feste Partnerschaft wünscht, obwohl sie bisher häufig auf verschiedene Weise enttäuscht wurde. Claudia Schaumann führt den Lesenden über einige emotionale Höhen und Tiefen von Sam. In die Beschreibung des schulischen Alltags der Grundschullehrerin fließen eigene Erfahrungen der Autorin ein und verdeutlichen sowohl die Belastungen des Berufs als auch die erfüllenden Seiten.

Der Roman überzeugt mit unterhaltsamen Situationen und amüsanten Dialogen sowie authentischen Protagonisten, deren Handeln nachvollziehbar ist. Claudia Schaumann gelingt es zu zeigen, dass man die Lebensmitte einiges an Chancen bietet, sein Leben neu auszurichten. Das Ende ruft nach einer Fortsetzung mit Charlotte als Protagonistin. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung. 

 

Mittwoch, 25. Juni 2025

Rezension: Wild wuchern von Katharina Köller


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wild wuchern
Autorin: Katharina Köller
Erscheinungsdatum: 26.02.2025
Verlag: Penguin (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783328603924
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Johanna und Marie sind die beiden Protagonistinnen im Roman „Wild wuchern“ von Katharina Köller. Ihre Mütter sind Zwillingsschwestern und ihre Lebenswege könnten kaum unterschiedlicher verlaufen. Marie entspricht dem Idealbild ihrer Mutter als braves, blondes Mädchen. Als sie erfährt, dass Johanna fortan in ihre Klasse gehen wird und sie sich um ihre Cousine kümmern soll, beginnt ein Konflikt, dessen Hintergründe lange im Verborgenen bleiben. Sie offenbaren sich mit der Zeit in Rückblicken. Mich fesselte die Geschichte dadurch, dass ich mehr über dieses Familiengeheimnis aus der Vergangenheit erfahren wollte. Der eigentliche Spannungsbogen entsteht jedoch in der Gegenwart, im Moment des Wiedersehens der beiden Frauen.

Am Anfang des Buchs begegnete ich Marie, die offenbar vor etwas flieht. Die Gründe dafür klären sich ebenfalls erst im Laufe der Erzählung, doch zunächst gibt die Autorin kleine Andeutungen. Marie hat sich als Designerin von Schuhen einen Namen gemacht, ist inzwischen aber seit langem arbeitslos. Mit ihrem in der Modebranche erfolgreichen Ehemann ist sie nach Wien zurückgekehrt. Jetzt aber klettert sie einen Berg in Tirol hinauf. Dort lebt Johanna seit ihrer Jugend als Einsiedlerin in einer Berghütte, die früher dem Großvater der beiden Frauen gehört hat. Jahrelang hatten die Cousinen keinen Kontakt, weil ihre Lebensentwürfe sehr verschieden sind.

Katharina Köller gelingt es eindrucksvoll, die beiden konträren Figuren aufeinandertreffen zu lassen. In Gesprächen und durch Handeln zeigt sich Maries Tatkraft und Entschlossenheit. Johanna hingegen, still und naturverbunden, hat im Einklang mit der Umgebung eine feine Sensibilität entwickelt, die nicht nur Tieren zugutekommt. Marie fällt es schwer, sich der wortkargen Johanna zu nähern und sich mit dem Geruch der Ziegen, der überall präsent ist, zu arrangieren. Gerade daraus wird deutlich, wie tief ihre seelische Erschütterung sein muss, um trotz aller Widerstände bei ihrer Cousine bleiben zu dürfen. Trotz des ernsten Hintergrunds verleiht die Autorin der Geschichte immer wieder Leichtigkeit durch amüsante Situationen und schafft dadurch ein Gleichgewicht, welches das Lesen bereichert und zugleicht bewegt.

Der Roman stimmt nachdenklich über die Art und Weise familiärer Prägungen und die Erwartungen, die uns von Kindesbeinen an begleiten. Katharina Köller wirft Fragen danach auf, wie es gelingen kann, dem „Wuchern“ in einem eng gesteckten Rahmen zu entkommen und wie man „wild“ wachsen und Selbstbewusstsein entwickeln kann, ohne dabei Schaden zu nehmen. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.


Mittwoch, 18. Juni 2025

Rezension: Play of Hearts von Juli Dorne


Play of Hearts
Autorin: Juli Dorne
Hardcover: 448 Seiten
Erschienen am 17. April 2025
Verlag: dtv
Link zur Buchseite des Verlags

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Als junges Mädchen begegnet Genevieve im Spiegelkabinett ihrer Großmutter einem Jungen im Spiegel, der ihr einen Tausch vorschlägt: Einen Freund gegen ihr Herz. Seitdem liegt ein Fluch auf ihren Händen: Sie bringen jedem, den sie anfasst, den Tod. Darüber hinaus muss sie als Teil ihrer magiebegabten Familie regelmäßig Seelenbruchstücke von Menschen im Moment ihres Todes einfangen, um weiterleben zu können. Ihre Eltern sehen genau wie die Bewohner ihres Dorfes nur ein Monster in ihr, weshalb sie bei ihrer strengen Großmutter lebt und für das Bestattungsunternehmen ihrer Familie arbeitet. Eines Tages trifft sie im Wald auf den charmanten Arthur, der sie wiedersehen will. Die beiden beginnen, sich täglich zu sehen und entwickeln Gefühle füreinander. Doch als er sie bittet, mit ihr das Dorf zu verlassen, überschlagen sich die Ereignisse. Plötzlich ist Arthur verschwunden und Genevieve Teil eines magischen Zirkus, in dem der mysteriöse Eigenbrötler Rémy ihr Hilfe bei der Suche nach Arthur verspricht, wenn sie im Gegenzug etwas für ihn herausfindet.

Das Buch startet mit einem bedrückenden Prolog, der berichtet, wie Genevieves Hände mit einem Fluch belegt wurden, mit dem sie kurz darauf einen Schulkameraden tötet, der Zeit mit ihr verbringen wollte. Danach springt das Buch zu ihrem achtzehnten Geburtstag. Ich brauchte eine Weile, um mich in der Geschichte zurechtzufinden und zu verstehen, dass ihre ganze Familie auf magische Weise im Dienst des Todes steht und der Fluch nur ein Zusatz ist. Schnell taucht Arthur auf, der sie liebevoll Evie nennt und in den sie sich in kürzester Zeit verliebt. Hier legt die Story ein hohes Tempo vor und mir ging das alles etwas zu schnell. Die Ereignisse überstürzen sich und werfen immer neue Fragen auf, von denen nicht alle in diesem Band beantwortet werden.

Nach Evies Ankunft im Zirkus wird das Tempo reduziert und ich konnte in der magischen Welt, die Julie Dorne geschaffen hat, endlich richtig ankommen. Der Zirkus ist ein faszinierender Ort, und die meisten seiner Mitglieder sind mir schnell ans Herz gewachsen. Doch hier warten auch noch mehr Geheimnisse. Es sind Illusionisten am Werk und bald weiß man nicht mehr sicher, was von dem, was Evie erlebt, Illusion und was Realität ist. Um Arthur zu finden, verbringt sie gezwungenermaßen viel Zeit mit Rémy und stellt fest, dass seine abweisende Art nur eine Fassade ist. Gefühle für ihn will sie nicht zulassen, da sie doch in Arthur verliebt ist. Es gibt im Buch aber so viel mehr Szenen mit Rémy als mit Arthur, dass ich mir irgendwann nicht mehr sicher war, ob dieser vielleicht nur eine Illusion war. Bis zum Schluss bleibt es spannend und ein gemeiner Cliffhanger sorgt dafür, dass ich am liebsten sofort in „Twist of Hearts“ weiterlesen möchte, das im Herbst erscheint. Wer magische Geschichten voller Geheimnisse mag, in denen vieles nicht so ist, wie es zunächst scheint, für den ist „Play of Hearts“ die richtige Wahl!

Dienstag, 17. Juni 2025

Rezension: Der alte Apfelgarten von Sharon Gosling

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Der alte Apfelgarten
Autorin: Sharon Gosling
Übersetzerin: Sibylle Schmidt
Erscheinungsdatum: 17.06.2025
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit gestalteten Klappen
ISBN: 978383216720

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Im Roman „Der alte Apfelgarten“ der Britin Sharon Gosling spielt ein verborgener Obsthain eine große Rolle. Er gehört zu einem Gutshof, den Nina Crombie, Mitte 20, geschieden und Mutter eines sechsjährigen Sohns, nach dem unerwarteten Tod ihres Vaters nun allein bewirtschaften muss. Zur Beerdigung reist auch ihre zehn Jahre ältere Schwester Bette an, eine erfolgreiche Londoner Anwältin. Die beiden haben sich nie besonders nahegestanden, doch ihr Vater hat ihnen den Hof gemeinsam hinterlassen. Während Nina sich um den Alltag auf der Farm kümmert, entdeckt Bette beim Sichten der Unterlagen, dass der Hof hoch verschuldet ist. Durch Zufall stoßen sie auf den versteckten Apfelgarten. Beim Obst handelt es sich möglicherweise um eine legendäre Sorte, die sich zur Herstellung von Cidre eignet. Ob das die Rettung für die Farm sein kann?

Die Geschichte bietet von Beginn an ein hohes Potenzial an Konflikten zwischen den Schwestern. Beide haben ihr Elternhaus früh verlassen. Nina kann nicht recht verstehen, warum Bette in all den Jahren kaum je zurückgekehrt ist. Sie selbst hat sich jung verliebt und ist nach schmerzhaften Erfahrungen mit ihrem wenige Monate alten Kind nach Hause zurückgekehrt. Der väterliche Bauernhof ist nicht nur seit fünf Jahren ihr Arbeitsplatz, sondern auch ihr Zufluchtsort. Als Leserin hoffte ich darauf, dass die Geschwister mit der Zeit mehr Verständnis füreinander entwickeln werden, zumal auch über Bettes Aufbruch zum Studium ein ungelüftetes Geheimnis umgibt.

Rund um den verborgenen Apfelhain bindet Sharon Gosling eine faszinierende Geschichte ein, rund um ein altes Kloster aus dem 16. Jahrhundert und eine Adelsfamilie, in die die junge Ophelia Mitte des 19. Jahrhunderts einheiraten musste. Die Autorin vermittelt dabei auf anschauliche Weise Wissen über Apfelanbau und die Herstellung von Cidre. Geschickt gibt sie zwei jungen Männern Rollen, in denen sie den Schwestern beistehen und für romantische Momente, aber auch für zusätzliche Kontroversen sorgen. Die Figuren sind durchweg vielschichtig ausgearbeitet und entwickeln sich glaubwürdig an ihren Herausforderungen weiter.

„Der alte Apfelgarten“ von Sharon Gosling ist eine berührende Geschichte voller unerwarteter Wendungen, verborgener Geheimnissen, zarter Romantik und bewegenden Dramen. Die Handlung wird begleitet von der Suche nach Neuanfängen, sowohl im Beruflichen als auch in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein Roman, den ich uneingeschränkt weiterempfehle.

Montag, 9. Juni 2025

Rezension: Miffy und die Kunst. Eine Einführung für Kinder von Dick Bruna


Miffy und die Kunst. Eine Einführung für Kinder
Autor: Dick Bruna
Hardcover: 64 Seiten
Erschienen am 20. März 2025
Verlag: Midas
Link zur Buchseite des Verlags

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Das Hasenmädchen Miffy erkundet in diesem Buch die Welt der Kunst. Dazu wurden diverse bekannte Kunstwerke aus dem 17. Bis 21. Jahrhundert ausgewählt von Künstlerinnen und Künstlern wie Jan Vermeer, Henri Matisse, Frida Kahlo und Andy Wahol. Jede Doppelseite ist einem Werk gewidmet. Auf der einen Seite ist dieses mit einer kurzen Beschreibung abgebildet. Auf der anderen Seite ist ein Bild von Miffy oder ihren Freunden mit einer aktivierenden Frage, die sich direkt an das Kind richtet. Beim Bild „Harlekin mit Gitarre“ von Pablo Picasso wird zum Beispiel gefragt, ob es die Finger des Musikers mit der Gitarre findet.

Das Buch eignet sich hervorragend dafür, Kindern die Welt der Kunst zugänglich zu machen. Die Auswahl der Werke gefällt mir sehr gut. Es handelt sich nicht nur um Bilder, sondern auch um Skulpturen und Installationen. Auch die kulturellen Hintergründe der Künstlerinnen und Künstler sind divers, sodass man beim Lesen einen Überblick über die Vielfalt erhält, die Kunst bietet. Die Frage, die zu jedem Werk an das Kind gerichtet wird, bietet beim gemeinsamen Anschauen eine Inspiration, um ins Gespräch zu kommen. Die farbenfrohen Bilder von Miffy und ihren Freunden sind ebenfalls kleine Kunstwerke, die Freude machen. Ganz hinten im Buch findet man Infos zu Dick Bruna, dem Schöpfer von Miffy, und seiner Technik, die ich interessant fand. „Miffy und die Kunst“ ist ein gelungenes Bilderbuch, das ich sehr gerne weiterempfehle!


Samstag, 31. Mai 2025

Rezension: Perlen von Sian Hughes

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Perlen
Autorin: Sian Hughes
Übersetzerin aus dem Englischen: Tanja Handels
Erscheinungsdatum: 13.05.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover in Strukturpapier 
mit Hochprägung, Glanzlack und Leseband
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Vater, Mutter, kleine Hand, dunkle Tage, helle Tage – wie Perlen auf einer Schnur reihen sich die Erinnerungen der Ich-Erzählerin Marianne im Debütroman „Perlen“ der Engländerin Sian Hughes, der für den Bookerpreis 2023 nominiert war. Die Autorin erzählt in feinfühliger Sprache die Geschichte eines Verlusts, der ein Leben lang nachhallt.

Niemals hat die etwa vierzigjährige Protagonistin den Tag vergessen, an dem ihre Mutter die Familie verließ und spurlos verschwand. Lediglich verwischte Spuren am nahen Fluss deuten auf ihren Freitod hin. Seither zieht sich die Frage nach dem ‚Warum‘ durch ihr ganzes Leben. Damals war Marianne acht Jahre alt, ihr kleiner Bruder noch ein Baby. Inzwischen ist sie selbst Mutter einer Tochter. Jährlich kehrt sie zum Totengedenken in ihrem Heimatort zurück.

Die ersten Jahre nach dem Verschwinden der Mutter waren keine einfache Zeit für Marianne. Trotz der Mühe ihres Vaters hat sie ständig die Schule geschwänzt. In England scheint es andere Regeln für den Schulbesuch zu geben, denn folgenschwere Konsequenzen ergeben sich nicht aus ihrem Fehltagen. In der Pubertät rebelliert sie auf ihre Weise durch eine vom Vater nicht gern gesehene Freundschaft. Je älter sie wird, desto mehr beginnt sie zu verstehen, welche ihre Beweggründe ihre Mutter eventuell hatte. Ihre Eindrücke manifestieren sich, als sie ein Geheimnis ihrer Eltern aufdeckt.

Gleich zu Beginn des Romans beobachtet Marianne beim Spielen ihrer Tochter eine auffällige realitätsferne Wahrnehmung, woraufhin sie umgehend professionelle Abklärung einholt. Die psychischen Probleme ihrer Mutter sind rückblickend meist nur zu vermuten, denn die Protagonistin schildert sie als liebevoll, fürsorglich und fröhlich. Jedem Kapitel ist ein englischer Kinderreim vorangestellt, oft düster im Inhalt. Sie sind gleich oder ähnlich denen, die Marianne von ihrer Mutter gelernt hat. Als Kind weiß sie nicht, dass ihre Mutter eine Fassade aufrechthält. Ich hätte mir einen Triggerwarnung und einen Hinweis auf Hilfsmöglichkeiten bei psychischen Störungen im Buch gewünscht.

Einfühlsam beschreibt Sian Hughes in ihrem Debüt „Perlen“ den als Kind erlittenen Verlust der Mutter der inzwischen erwachsenen Protagonistin Marianne. Trotz der immer noch lebendigen Erinnerungen hat sie über Schwierigkeiten und Trauer hinweg es geschafft, sich selbst einige Wünsche im Leben zu erfüllen. Durch die Geschichte zieht sich quer ein Band der Wärme und Zuneigung. Gerne empfehle das Buch weiter.


Donnerstag, 29. Mai 2025

Rezension: Das Echo der Sommer von Elin Anna Labba

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Das Echo der Sommer
Übersetzerin: Hanna Granz
Erscheinungsdatum: 23.04.2025
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103976779
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Die schwedische Autorin Elin Anna Labba widmet sich in ihrem Debütroman „Das Echo der Sommer“ der Geschichte der Samen, dem indigenen Volk des Nordens, dem sie selbst entstammt. Früher folgten sie stets ihren Rentierherden. Sie nutzten im Sommer Weiden oberhalb der Baumgrenze im Fjäll, also dem Gebirge. Im Winter fanden sie Weideland in geschützten Wäldern.

Die Handlung beginnt im Jahr 1941 als Ravdna, ihre Schwester Anne und ihre dreizehnjährige Tochter Inga im Norden von Schweden am Ufer eines Sees zusehen, wie das Wasser zunehmend ihre im Sommer genutzte kuppelförmige Torfkote und weitere Koten von anderen Dorfbewohnern flutet. Der schwedische Staat betrachtet die Samen als nicht sesshaft und verweigert ihnen damit das Recht auf eigenes Land. In unregelmäßigen Abständen wird der Staudamm am See erhöht, um mit Wasserkraft mehr Strom zu gewinnen. Zunächst wird auf das Hab und Gut der samischen Bevölkerung keine Rücksicht genommen. Während Anne zunehmend resigniert, beginnt Ravdna auf ihre Weise für die Rechte ihres Volks und den Erhalt ihrer kulturellen Identität zu kämpfen. Es wird ein langer und steiniger Weg.

Elin Anna Labba erzählt realistisch von dem entbehrungsreichen Alltag der Samen: von ihren Lebensgewohnheiten und Ritualen, von ihrer Kleidung und ihrer Ernährung. Im Laufe der Erzählung lernte ich mehr über die Historie des Volks. Durch die Perspektive der drei Protagonistinnen mit Mutter, Tochter und Schwester erfuhr ich auch vom familiären Miteinander und der gegenseitigen Unterstützung im Alltag. Samische Männer sind in der Regel im Sommer mit den Rentieren unterwegs. Die Frauen in den dörflichen Ansammlungen sind geschickt und fertigen diverse Artikel, die sie, wann immer möglich zum Verkauf anbieten, vor allem an Touristen. Themen wie Liebe oder Partnerschaft spielen hingegen eine eher untergeordnete Rolle.

Immer wieder wird samisch gesprochen, was den Lesefluss unterbricht, jedoch zur authentischen Atmosphäre beiträgt. In freien Versen lässt die Autorin zu Beginn, zwischen den Kapiteln und am Ende eindrucksvoll den See selbst zu Wort kommen. So verstärkt sie die poetische und zugleich beklemmende Stimmung ihres Romans

„Das Echo der Sommer“ erzählt anhand dreier Protagonistinnen einen bewegenden Ausschnitt aus der schicksalhaften Geschichte der Samen. Abseits des Dramas um die wiederholten Überflutungen ihrer Siedlung entwickelt sich der Roman in ruhigem Ton und vermittelt ein tiefes Gefühl für das Leben im Einklang mit der Natur. Ich habe beim Lesen viel über ein mir bisher unbekanntes Stück Zeitgeschichte erfahren, ebenso wie über samische Kultur und Lebensart. Der Umgang des schwedischen Staats mit diesem indigenen Volk lässt mich nach dem Beenden der Lektüre nachdenklich zurück. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Montag, 26. Mai 2025

Rezension: Wut und Liebe von Martin Suter

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wut und Liebe
Autor: Martin Suter
Erscheinungsdatum: 23.04.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257073331
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Camilla da Silva ist 31 Jahre alt und gleichzeitig von Wut und Liebe im Bauch erfüllt: Sie liebt Noah Bach, der sich als Künstler jedoch bis jetzt keinen Namen machen konnte. Gleichzeitig ist sie wütend auf ihn, weil er so gut wie nichts zum gemeinsamen Auskommen beiträgt. Ihr Gehalt als Buchhalterin reicht jeden Monat gerade so aus, um den Lebensunterhalt für sie beide zu meistern. Allmählich wird sie von dem Gefühl beschlichen, dass ihr kaum Zeit bleibt, um ihr Leben so zu verändern, dass sie für den Rest ihrer Jahre keine finanziellen Sorgen mehr haben muss. Die naheliegendste Lösung schein ihr daher, sich einen wohlhabenden Ehemann zu suchen.

Darum trennt sie sich schweren Herzens von ihrem Freund, der ein hervorragender Schütze ist, was kaum jemand weiß. Noah möchte jedoch seine Liebe zu Camilla nicht so leicht aufgeben. Er lernt eine ältere Witwe kennen, die ihm ein zweifelhaftes Angebot macht.

Camilla und Noah sind die beiden Hauptfiguren im Roman „Wut und Liebe“ von Martin Suter. Der Autor vermittelte mir fortwährend das Gefühl, dass seine Protagonistin und sein Protagonist nicht voneinander lassen können. Camillas Beweggrund, die Beziehung zu beenden, ist wohlüberlegt. Ich wusste nicht, ob ich Camilla für den Mut, ihr Leben auf diese radikale Art mit weitreichenden Konsequenzen zu verändern, verachten oder bewundern sollte. Gleichzeitig hatte ich Mitgefühl für Noah. Aufgrund der Trennung steht sein Ziel, Anerkennung in der Kunstszene zu finden und damit Verkäufe zu generieren, auf dem Spiel. Aber ist er wirklich nur ein Bauernopfer in Camillas Plänen? Er weiß: „Wenn er wieder in seinen gelernten Beruf als Grafiker zurückkehrt, wird er nicht genügend Arbeitszeit aufbringen können, um seine angestrebte Karriere voranzutreiben. Bei mir verlor er Sympathiepunkte, weil er ernsthaft darüber nachdenkt, das unmoralische Angebot anzunehmen.

Es ist faszinierend zu beobachten, wie sowohl Camilla wie auch Noah nach Selbstverwirklichung streben und dabei ausgerechnet jenen vertrauen, die ein angenehmes Leben führen und sich durch selbstsicheres Auftreten und große Worte auszeichnen. Der Roman ist nicht nur eine gefühlvoll erzählte Liebesgeschichte, sondern enthält auch kriminalistische Elemente. Martin Suter gewährt einen Einblick in den Handel mit Kunstgegenständen und den Abhängigkeiten im Netzwerk aus GaleristInnen, Kunstvermittelnden und KünstlerInnen. Dabei streut er nebenbei Kritik am gesellschaftlichen System ein.

In seinem Roman „Wut und Liebe“ wirft Martin Suter die Frage danach auf, wie wichtig uns finanzielle Sicherheit im Leben ist und wie weit wir gehen würden, um sie zu erreichen. Die Geschichte ist leicht zu lesen, überrascht mit einigen Wendungen und ist zugleich tiefgründig. Sehr gerne empfehle ich das Buch uneingeschränkt weiter.

Mittwoch, 21. Mai 2025

Rezension: Schauplätze der Weltliteratur - Eine Reise zu berühmten Orten großer Werke von John Sutherland (Hrsg.)

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Schauplätze der Weltliteratur: Eine Reise zu
berühmten Orten großer Werke
Herausgeber: John Sutherland
Erscheinungsdatum: 07.04.2025
Verlag: wbg Theiss (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783534610303
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Das Buch „Schauplätze der Weltliteratur“ ist eine „Reise zu berühmten Orten großer Werke“, wie es im Untertitel heißt. Es geht hier nicht darum, reale Schauplätze vorzustellen. John Sutherland, der die Sammlung zusammengestellt hat, erklärt in seiner Einleitung, dass eine „literarische“ Landschaft mit Worten gestaltet wurde. Sie lösen beim Lesenden ein Kopfkino aus, anhand dessen sich für ihn eine Vorstellung bildet. Außerdem bezieht er in dem von ihm angewendeten Konzept sowohl Orte wie auch die Gewohnheiten, Sitten und Konventionen der dort lebenden Menschen mit ein. Anhand der Beschreibung von SchriftstellerInnen des gleichen Schauplatzes wird deutlich, wie verschieden dieser wahrgenommen wird.

In vier verschiedenen Kapiteln ordnet der Herausgeber die von ihm ausgewählten Bücher zeitlich zu. „Romantische Aussichten“ behandelt Romane, die in der Zeit bis 1920 geschrieben wurden, „Kartierung der Moderne“ schaut auf Bücher aus der Zeit von 1921 bis 1951, „Nachkriegspanoramen“ umfasst die Jahre bis 1982 und abschließend blickt man in „Zeitgenössische Schauplätze“ auf die vergangenen vier Jahrzehnte. Jedes Buch wird auf zwei bis vier Seiten vorgestellt. Nach einem ersten Pitch unterhalb des Titels wird der Inhalt des literarischen Werks kompakt zusammengefasst. Kurze Zitate aus dem jeweiligen Roman ergänzen den Überblick. Biografische Informationen zur Autorin oder zum Autor befinden sich in einer äußeren Spalte am Beginn der Vorstellung. Fotos, Landkarten, Illustrationen und Meisterwerke ergänzen die Darstellung.

Die Präsentation eines Romans übernehmen AutorInnen von Rang, die im Anhang alphabetisch aufgeführt sind. Dazu zählen KritikerInnen, ProfessorInnen und RedakteurInnen. Auf welche Reise sie den Lesenden mitnehmen, steht unterhalb ihrer Beschreibung. In ihren Zusammenfassungen des jeweiligen Werks beschreiben sie neben dem Schauplatz Wissenswertes zu Hintergründen und Motiven der Entstehung. Ein Register und ein Bildnachweis finden sich ebenfalls am Ende des Buchs.

„Schauplätze der Weltliteratur“ ist ein ansprechend aufgemachtes gestaltetes Buch, das wertig erscheint. Von den mehr als siebzig vorgestellten Werke kann der Lesende sich inspirieren lassen, um den Roman anschließend zu erwerben und zu lesen. Diejenigen, die das ein oder andere Buch bereits kennen, werden sich gerne durch die Präsentation daran zurückerinnern. Ich vergebe eine Leseempfehlung und weise darauf hin, dass das Buch auch gut zum Verschenken geeignet ist.

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