Dienstag, 13. Mai 2025

Rezension: Leben und Sterben von Alena Buyx

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Leben & Sterben - Die großen Fragen ethisch entscheiden
Autorin: Alena Buyx
Erscheinungsdatum: 26.03.2025
Verlag: S. Fischer
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103975239
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Die ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Prof. Dr. Alena Buyx berichtet in ihrem Buch „Leben & Sterben - Die großen Fragen ethisch entscheiden“, wie in der medizinischen Praxis relevante Aspekte des Lebens geklärt werden, um gut und richtig zu handeln. Dabei spielt es eine Rolle, was moralisch erlaubt, zulässig und gesollt ist. Mit ihren Ausführungen möchte sie allen eine fundierte Grundlage vermitteln, um sich eine sorgfältig abgewogene Meinung zu medizinethischen Problemen bilden zu können. Zu beachten sind vier Prinzipien: der Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten, die Schadensvermeidung, die Fürsorge beziehungsweise das Wohltun und die Gerechtigkeit. Nachdem die Autorin die Prinzipien erläutert hat, folgen vier Kapitel, die sich den Fragen am Lebensbeginn (z.B. Frühgeburt und künstliche Befruchtung), am Ende des Lebens (z.B. Palliativmedizin, Sterbehilfe), dem Arzt-Patienten-Verhältnis und schließlich dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Robotik in der Medizin widmen.

Anhand von wenigen Fallbeispielen, an deren Klärung im Sinne der Ethik sie mitgearbeitet hat, verdeutlicht sie die Problemstellung, die meist viel komplexer ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Man merkt, dass Alena Buyx gewöhnt ist, ihr Wissen im studentischen Umfeld zu vermitteln, denn sie spricht die Lesenden im Text regelmäßig darauf an, ob eine eigene Meinung zum beschriebenen Themenkreis besteht. Es gelingt ihr, die Vielseitigkeit der Fragen zu zeigen. Häufig verweist sie auf weiterführende Literatur im fünfundzwanzigseitigen Anhang, der nach Kapiteln und darin alphabetisch geordnet ist. Dadurch kann die gelesene Textstelle nicht immer direkt der weiterführenden Lektüre zugewiesen werden. Sicherlich ist es sinnvoll, die Ausführungen im Buch zu beschränken, aber die Hinweise auf den Anhang unterbrechen den Lesefluss.

Das Buch „Leben & Sterben“ von Prof. Dr. Alena Buyx behandelt auf eine begreifbare Weise existenzielle Fragen unseres Daseins, die mit Sinn, Verstand und Empathie geklärt werden müssen. Die Ausführungen regen dazu an, sich intensiv mit den verschiedenen geschilderten Situationen auseinanderzusetzen, insbesondere im Hinblick auf persönliche Entscheidungen wie das Verfassen einer Patientenverfügung. Ich fand die Themen interessant und anregend. Daher empfehle ich das Buch allen, die sich trotz der kleinen Kritikpunkte mit medizinethischen Aspekten zwischen Leben und Sterben beschäftigen möchten.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Rezension: Geheimname Eisvogel von Liz Kessler


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Geheimname Eisvogel
Autorin: Liz Kessler
Übersetzerin aus dem Englischen: Eva Rieckert
Erscheinungsdatum: 26.03.2025
Verlag: Fischer Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783737344005

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Die in England lebende Liz Kessler verknüpft in ihrem Jugendbuch „Geheimname Eisvogel“ das aktuelle Thema Mobbing mit dem historischen Kontext des Antisemitismus. 

Die Protagonistin Liv besucht die achte Klasse und erlebt, dass sich ihre beste Freundin von ihr abwendet und sie mit der Unterstützung neuer Freundinnen zunehmend provoziert. In Gabi, einer Klassenkameradin, mit der sie bisher wenig Kontakt hatte, findet sie unerwartet eine stille, besonnene Verbündete. Als Livs über 90-jährige Großmutter Bubbe aufgrund ihrer Demenz in ein Seniorenheim zieht, entdecken Liv und Gabi bei der Auflösung ihres Haushalts auf dem Dachboden einen Stapel mit alten Dokumenten und Fotografien. Eines der Fotos zeigt ein Ehepaar mit zwei Jungen und zwei Mädchen. Auf der Rückseite sind sie als Mila und Hannie bezeichnet. Das Bild ist auf den Juli 1942 datiert und in Amsterdam aufgenommen. Liv versteht zunächst nicht, weshalb sich das Foto im Besitz ihrer Großmutter befindet.

In einem parallelen Handlungsstrang erzählt die Autorin von der zwölfjährigen Mila und ihrer älteren Schwester Hannie. Die beiden jüdischen Mädchen wurden im Zweiten Weltkrieg von ihren Eltern mit neuer Identität ausgestattet und an eine arische Familie gegeben, um einer drohenden Deportation zu entgehen. Hannie entwickelt ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und schließt sich und dem Codenamen Eisvogel einer Widerstandsbewegung an, für die sie geheime Botengänge übernimmt. Mila hingegen leidet zunehmend unter der wachsenden Distanz zu ihrer Schwester.

Sowohl Liv wie auch Mila berichten in der Ich-Perspektive, wodurch ihre Erlebnisse und Empfindungen dem Lesenden besonders eindringlich nahegebracht werden. Auch wenn ihre Lebenswelten kaum vergleichbar sind, spiegelnd die Sorgen der beiden Mädchen und Milas Schwester Hannie auf unterschiedliche Weise wichtige Probleme ihrer jeweiligen Generation wider. Gemeinsam ist ihnen der Mut, sich gegen unterschiedlicher Formen von Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zu wehren. 

Um die Erzählung noch lebendiger zu gestalten, spielt Liz Kessler zusätzlich mit weiteren Erzählperspektiven. Durch die geschickte Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart rückt sie ein historisches Kapitel in den Fokus von jungen Lesenden. Das Buch spricht jedoch auch ältere Leserinnen und Leser an. 

„Geheimname Eisvogel“ ist ein bewegender Roman über Freundschaften, Hoffnung, Verzeihen und Akzeptanz des Unvermeidlichen, bei der nicht alles zum Besten endet, aber gerade dadurch tief berührt und nachhallt. Die Autorin Liz Kessler zeigt eindrucksvoll ein unrühmliches Kapitel der Geschichte, das bis in unsere Gegenwart greift und nicht in Vergessenheit geraten sollte. Die thematisierten Aspekte haben tiefgehende Bedeutung, so dass das Buch auch für den Einsatz in Schulklassen geeignet ist. Ich empfehle es daher ausdrücklich weiter.


Donnerstag, 1. Mai 2025

Rezension: Das Echo der Sommer von Elin Anna Labba

 

Das Echo der Sommer
Autorin: Elin Anna Labba
Übersetzerin: Hanna Granz
Hardcover: 464 Seiten
Erschienen am 23. April 2025
Verlag: S. FISCHER
Link zur Buchseite des Verlags

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Die dreizehnjährige Iŋgá gehört zum Volk der Samen und lebt im Jahr 1942 im Norden Schwedens. Wie jedes Jahr kehrt sie mit ihrer Mutter Rávdná und ihrer Tante Ánne aus dem Winterquartier in der Stadt ins Sommerland am See zurück. Doch in diesem Jahr müssen sie feststellen, dass der See für die Stromproduktion der Städte im Süden weiter aufgestaut wurde und das gesamte Dorf überflutet hat. Ihre Torfkote steht schon halb unter Wasser, nur wenig kann gerettet und in eine provisorische Zeltkote gebracht werden. Rávdná würde gern statt einer neuen Torfkote ein richtiges Haus errichten, doch Baugenehmigung und -kredit werden immer wieder abgelehnt. Einige aus der Dorfgemeinschaft haben die Wanderungen ganz aufgegeben und bleiben im Winterland. Auch Iŋgá, Rávdná und Ánne müssen überlegen, wie sie ihre Zukunft in Anbetracht der Diskriminierung und der Repressalien, die sie als Samen erleben, gestalten wollen und können.

Der Roman beginnt mit einer Szene, in der Iŋgá ihrer Mutter Rávdná dabei hilft, möglichst viel aus der Torfkote der Familie zu retten. Es herrscht eine bedrückende Stimmung, schnell waren bei mir zahlreiche Bilder von Überflutungen im Kopf. Doch hier handelt es sich nicht um eine Naturkatastrophe, sondern eine vom Energieunternehmen mutwillig herbeigeführte Situation, welche ohne Information und Rücksicht auf das Dorf der Samen durchgeführt wurde. Diese erschreckende Situation basiert auf wahren Gegebenheiten und ich begleitete Iŋgá und ihre Familie bei ihren Bemühungen, den Sommer am See dennoch bestmöglich zu gestalten.

Im Verlauf des Romans erhielt ich viele Einblicke in das schwierige Leben der Samen in den 1940er Jahren. Die Regierung sieht dieses indigene Volk als Nomanden, sie haben keinen Grundbesitz, sondern die Koten am See werden geduldet und im Winterland wohnen sie in schlecht isolierten Baracken ohne Elektrizität. Rávdnás Bauantrag wird mit der Begründung abgelehnt, dass sie nicht in der Lage sei, Wohneigentum zu verwalten und weiter mit ihren Rentieren umherziehen solle. Dabei hat sie kaum noch Tiere und lebt vor allem vom Fischfand und dem Verkauf von Kunsthandwerk. Wer einen festen Job will, der tut gut daran, einen schwedischen Namen zu nutzen, die traditionelle Kleidung abzulegen und in der Stadt zu bleiben. Ich erlebte die Schilderungen der Autorin, die selbst samische Wurzeln hat, als authentisch und berührend. In ruhigen Tönen erzählt sie von himmelschreienden Ungerechtigkeiten, mit denen sich die meisten Samen längst resigniert arrangiert haben. 

Rávdná will sich mit der Situation jedoch nicht abfinden. Aus Iŋgás kindlicher Perspektive und ebenso aus der von Rávdná selbst erfuhr ich mehr über ihre Versuche, Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu erhalten. Nach etwa 250 Seiten gibt es schließlich einen Zeitsprung, nach welchem sich die Situation weiter verschärft hat. Hier fand ich es zunächst schwer, mich zu orientieren. Ich brauchte eine Weile, um festzustellen, dass ich in den 1970er Jahren gelandet war. Auch Iŋgá ist nun erwachsen und will mit Politik möglichst nichts zu tun haben, während sich bei Rávdná die Wut weiter aufgestaut hat und sie neue Wege der Rebellion sucht.

Mir hat die einfühlsame und oft poetische Art und Weise der Erzählung sehr gut gefallen. Die Autorin arbeitet die Verbundenheit der Charaktere mit der Natur und ihren samischen Wurzeln gelungen heraus. Gerne habe ich Iŋgá, Rávdná und Ánne dabei begleitet, die Erlebnisse auf ihre jeweils ganz unterschiedliche Art und Weise zu verarbeiten, und spreche eine Leseempfehlung aus.

Dienstag, 29. April 2025

Rezension: Mut beginnt im Herzen - Lass deine Ängste los und lerne fliegen von Tessa Randau

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Mut beginnt im Herzen: 
Lass deine Ängste los und lerne fliegen
Autorin: Tessa Randau
Erscheinungsdatum: 09.01.2025
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit Klappen
ISBN: 9783423352413
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In „Mut beginnt im Herzen“ schildert Tessa Randau einfühlsam und authentisch, wie eine unbenannte Frau zunehmend mit teils massiven Angstattacken zu kämpfen hat. In der Danksagung am Ende des Buchs erklärt sie, dass eigene Erfahrungen in die Geschichte eingeflossen sind. In einer ersten Szene fährt eine namenlose verheiratete Frau, Ende dreißig, mit ihrem sechsjährigen Sohn und ihrer neunjährigen Tochter mit dem Zug nach Hause. Vor der Abfahrt wird sie von einer Panikattacke überwältigt. So oder so ähnlich hat auch die Autorin eine entsprechende Situation erlebt. 

Die Protagonistin ist im Beruf überfordert. Weil ihr Mann auswärts arbeitet, kümmert sie sich in der Woche allein um die Kinder und das Haus. Außerdem besucht sie regelmäßig ihre Mutter, für die sie einkauft. Um ihrer geliebten Gartenarbeit nachzugehen, fehlt ihr meist die Zeit. Auch für Entspannungseinheiten bleibt im hektischen Alltag kaum Raum. Sie fühlt sich müde und erschöpft. Obwohl sie meist weiß, dass die Dinge, vor denen sie Angst hat, irreal sind, gelingt es ihr nicht, diese zu überwinden. Stattdessen versucht sie, ihr auszuweichen. Inzwischen hat sie Angst vor der Angst. Zunächst lässt Tessa Randau einfache Möglichkeiten der Beruhigung einfließen. Wichtig fand ich es, den psychologischen Notruf zu erwähnen. Es dauert einige Zeit, bis die unbenannte Frau sich professionelle Hilfe sucht. 

Zu Beginn des Buchs wird auf das behandelte schwierige Thema explizit hingewiesen. Personen, die unter Angststörungen leiden oder Leserinnen und Leser, die feinfühlig sind, können von der Erzählung getriggert werden. Die Autorin beschreibt unterschiedliche Ängste mit Überlegungen zu deren Entstehung. Sie schildert das Geschehen greifbar, sodass man als Lesende mitfühlt. „Mut beginnt im Herzen“ erzählt auch die schrittweise Befreiung von der Angst durch Zuversicht und der Bereitschaft zur Veränderung. Als Stress- und Burnout-Beraterin und ihren eigenen Erfahrungen versteht Tessa Randau es, sinnvolle Tipps zu geben und regt dazu an, sich der Herausforderung auf verschiedene Weise zu stellen. Gerne empfehle ich das Buch als Ratgeberlektüre weiter, aber auch an diejenigen, die sich über ein Leben mit Angststörungen informieren möchten.

Samstag, 26. April 2025

Rezension: Pearly Everlasting von Tammy Armstrong

 

Pearly Everlasting
Autorin: Tammy Armstrong
Hardcover: 368 Seiten
Erschienen am 26. März 2025
Verlag: Diogenes
Link zur Buchseite des Verlags

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In einem Holzfäller-Camp in Kanada wird im Jahr 1918 das Mädchen Pearly Everlasting geboren. Ihr Vater ist dort Koch, ihre Mutter kümmert sich um Verletzungen und Krankheiten. Kurz nach ihrer Geburt bringt ihr Vater ein schreiendes, noch blindes Bärenjunges mit ins Camp, dessen Mutter offensichtlich einem Jäger zum Opfer gefallen ist. Bruno wächst als Bruder von Pearly auf, die beiden sind unzertrennlich. Fünfzehn Jahre später gibt es Aufruhr im Camp, als der unbeliebte Campboss Swicker von Pearly und Bruno tot aufgefunden wird. Hat Bruno ihn etwa ermordet? Das kann keiner, der den kleinen Bären besser kennt, wirklich glauben. Trotzdem wird er von Swickers Neffen fortgeschafft. Doch Pearly will ohne ihn nicht sein. Sie macht sich mitten im Winter auf den Weg, um ihn zu finden.

Kanada ist ein Land, das mich sehr fasziniert, und ich freute mich darauf, in eine Geschichte einzutauchen, die mitten in den kanadischen Wäldern spielt. Die Atmosphäre des Holzfällercamps wurde von der Autorin gelungen eingefangen: Ein einfaches Leben fernab von Dörfern und Städten, viele Männer, die bei der harten Arbeit Leib und Leben riskieren und dazwischen Pearly mit ihrer Familie, zu der auch der Bär Bruno gehört. In den ersten Kapiteln wird das Aufwachsen der beiden beschrieben und die innige Verbindung, die sie zueinander entwickeln.

Pearlys Gefühle für den kleinen Bären werden gelungen vermittelt. Als Pearly fünfzehn Jahre alt ist und Bruno heimlich weggeschafft wird, konnte ich daher nachvollziehen, warum sie sich gleich allein auf den Weg macht. Entgegen meiner Erwartung ist sie gar nicht so lange unterwegs, sondern verbringt einige Zeit in einem Dorf nahe der Wälder. Während einige Bewohner dem Mädchen aus den Wäldern helfen wollen, begegnen ihr andere mit Argwohn. Einige Kapitel sind außerdem aus der Sicht von Ansell geschrieben, dem Gehilfen von Pearlys Vater, der sich selbst auf den Weg macht, um Pearly und Bruno zu finden.

Ich fieberte mit, ob Pearly, Bruno und Ansell einander finden und wohlbehalten zurückkehren können. Die Geschichte wird in leisen Tönen erzählt und bietet immer wieder emotionale und spannende Momente. Habt ihr Lust, in die Wälder Kanadas einzutauchen und in einer atmosphärischen Erzählung eine Weile an der Seite eines Mädchens und ihres Bärenbruders zu verbringen? Von mir gibt es eine klare Empfehlung dafür.

Freitag, 25. April 2025

Rezension: Die Summe unserer Teile von Paola Lopez

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Die Summe unserer Teile
Autorin: Paola Lopez
Erscheinungsdatum: 15.03.2025
Verlag: Tropen (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783608502725
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In ihrem Debütroman „Die Summe unserer Teile“ erzählt Paola Lopez von drei Frauen: Lucy, ihrer Mutter Daria und deren Mutter Mila. Die Handlung beginnt im Jahr 2014, reicht jedoch über siebzig Jahre in die Vergangenheit zurück und überschreitet dabei auch Ländergrenzen. Lucy wurde in München geboren, lebt aber inzwischen in Berlin. Ihre Mutter kam Anfang der 1970er Jahre zum Studium in die Hauptstadt Bayerns gekommen, doch zur Welt gekommen ist sie in Beirut. Infolge des Zweiten Weltkriegs gelangt Mila von ihrer Heimat Polen in den Libanon. Der unerschütterliche Wille zur Selbstbestimmung verbindet die drei Frauen.

Eines Tages erhält Lucy unerwartet einen Konzertflügel, den ihre Mutter unter ihrem Mädchennamen an die neue Anschrift ihrer Tochter in der Wohngemeinschaft in Berlin transportieren lässt, die sie eigentlich nicht kennen kann. Lucy wird dadurch veranlasst, über ihr bisheriges Leben und das schwierige Verhältnis zu ihrer Familie nachzudenken. Sie trägt genauso wie ihre Großmutter den Vornamen Lyudmila, doch sie hat diese nie bewusst kennenlernen können. Nachdem ihr Mitbewohner erneut mit ihrer besten Freundin zusammenkommt, nimmt es Lucy den Atem und sie stellt fest, dass sie dringend eine Veränderung braucht. Kurzfristig beschließt sie, nach Polen zu reisen, um dort einer Spur zu folgen, die sie näher an das Leben ihrer Großmutter heranführen soll.

Die Studienjahre der Frauen sorgen bei allen dreien für große Veränderungen. Mila verschafft sich bei ihrem Chemiestudium in Beirut, das sie bevorzugt aufgrund ihrer Deutschkenntnisse aufnehmen konnte, nach kurzer Zeit den Respekt ihres Vorgesetzten und den ihrer Kolleginnen und Kollegen. Erst nach einigen Jahren ihrer Ehe mit einem Chemiker kommt ihre Tochter Daria zur Welt, die ihre Mutter als kühl und abweisend in Erinnerung hat. Aufgrund des Wunschs ihrer Eltern beginnt sie später ein Medizinstudium in München, bei dem sie ihren zukünftigen Ehemann kennenlernt. Lucy hingegen studiert Informatik und entwickelt Computerspiele. Mit ihrer Mutter hat sie seit drei Jahre kein Wort gewechselt. 

Der Autorin gelingt es, die zwischenmenschlichen Spannungen nicht nur über Dialoge, sondern vor allem über stille Handlungen sichtbar zu machen. Jede der Frauen sucht einen Weg, alte Muster zu durchbrechen, die bisher gekannten Grenzen hinter sich zu lassen und eine eigene Identität zu formen. In ihrem Anspruch, stets beste Leistungen in allem zu zeigen, vergessen sie die Relevanz der Kommunikation, was zu tragischen Missverständnissen mit weitreichenden Folgen führt. 

Paola Lopez zeigt mit großer Empathie die Verletzlichkeit ihrer Figuren und lässt nachvollziehbar werden, warum es an Verständnis füreinander fehlt. Erst im weiteren Verlauf der Erzählung lüftet sie ein Geheimnis, das die erwartete Summe aus dem Zusammenfügen der Teile der Familiengeschichte hinauswachsen lässt. Als Leserin hat mich dieser atmosphärisch dichte und fein komponierte Roman an vielen Stellen tief berührt, sodass ich dieses eindrucksvolle literarische Debüt sehr gerne weiterempfehle.


Dienstag, 22. April 2025

Rezension: Lucid Fate - Was, wenn wir nicht sterben? von Nina Martin

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Lucid Fate - Was, wenn wir nicht sterben? 
(Band 3 von 3)
Autorin: Nina Martin
empfohlen ab 14 Jahren
Erscheinungsdatum: 12.03.2025
Verlag: Fischer Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
ISBN: 9783737343053
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Die Contemporary-Fantasy „Lucid Fate“ ist der dritte und abschließende Band der Trilogie von Nina Martin, in der die Traumwelt Somna und die wache Welt Corpora auf faszinierende Weise miteinander verwoben sind. Der Untertitel Was, wenn wir nicht sterben?“ ist treffend gewählt, denn die beiden Protagonistinnen und Traumgängerinnen Ria und Selena sind überzeugt, dass es nicht möglich sein wird, ohne ihren Tod die beiden Welten wieder zu trennen, die sich gerade erst vereint haben. Auch Eric, der wie die zwei Frauen ein Morphist ist, also die Welten verändern kann, würde dazu sterben müssen. 

Es ist erst zwei Wochen her, dass Somna und Corpora verschmolzen sind. Seitdem gelten manche physikalische Gesetzte nicht mehr, was zu einer zunehmend chaotischen und unberechenbaren Welt führt. Während Eric, der früher mit Ria und Selena befreundet war, sich aber schließlich zu ihrem erbitterten Gegner gewandelt hat, für seine Schutzzonen wirbt, tauchen Ria und Selena unter. Nachdem sie ihre Familien in Sicherheit gebracht haben, leben sie im Verborgenen. Sie sind sich allerdings bewusst, dass Eric sie über kurz oder lang aufspüren wird, um die uneingeschränkte Kontrolle über beide Welten zu erlangen. Währenddessen sorgen die Traumwandlungen der Menschen zu wachsender Instabilität.

„Lucid Fate“ steht den zwei vorigen Büchern der Serie in Sachen Spannung in nichts nach. Erneut sind sich Ria und Selena unsicher über ihr weiteres Vorgehen, was sie nicht nur angreifbar, sondern auch nahbar macht. Die Vereinigung der Welten hat dazu geführt, dass einige Traumgänger ihre Meinung über die beiden Morphistinnen geändert haben. Dennoch müssen die zwei jungen Frauen aufpassen, wem sie ihr Vertrauen schenken. Die Geschichte ist vielschichtig und treibt die Hauptfiguren an den Rand ihres Könnens, denn geschickt setzt Eric seine Kräfte dafür ein, seine Gegenspielerinnen an ihrem wunden Punkt zu treffen: den von ihnen geliebten Personen. 

Nina Martin gelingt in ihrem Buch „Lucid Fate“ ein fesselndes Finale. Sie wirft aber auch die tiefgründige Frage auf, wie wir mit der Vorstellung des Todes umgehen, wenn er unausweichlich erscheint, aber auch vermeidbar wäre. Ria und Selena schwanken zwischen der Bereitschaft, sich heldenhaft für die Menschheit zu opfern, hin zum Respekt und der Ehrfurcht vor diesem großen Schritt, denn eigentlich möchten sie ihr Leben in Frieden an der Seite der jeweils geliebten Person verbringen. Für die Lesenden ergibt sich daraus ein Hoffen und Bangen über die Entscheidung bis zum Schluss, der in einem großen Showdown endet. Ein spannungsgeladenes und emotionales Ende der Trilogie, die ich gerne den Fans der Reihe empfehle.

Freitag, 18. April 2025

Rezension: Heimweh im Paradies - Thomas Mann in Kalifornien von Martin Mittelmeier

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Heimweh im Paradies - Thomas Mann in Kalifornien
Autor: Martin Mittelmeier
Erscheinungsdatum: 11.03.2025
Verlag: Dumont (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783755800330
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In seinem Buch „Heimweh im Paradies“ erzählt Martin Mittelmeier von den Jahren, in denen Thomas Mann in Kalifornien gelebt hat. Aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Frau und seiner kritischen Stellung zum NS-Regime wanderte seine Familie zunächst in die Schweiz aus. Im Frühjahr 1938 unternahm der renommierte Schriftsteller eine Vortragsreise von der Ost- zur Westküste der Vereinigten Staaten, nachdem er das Land bereits mehrfach besucht hatte. Dabei legt er einen Monat Pause in Los Angeles ein. 
Als er in Princeton eine Gastprofessur erhält, lässt er sich ab Herbst 1938 dort nieder. Jedoch zieht es ihn an die Westküste. 1941 mietet er ein Haus in einem Stadtteil von LA mit Garten und Swimmingpool. Nur ein Jahr später zieht er in ein für ihn und seine Familie entworfenes und erbautes Haus, das nur eine halbe Stunde Fußweg von seiner bisherigen Residenz entfernt liegt. Es wird bis zu seiner Rückkehr nach Europa im Jahr 1952 sein Wohnsitz bleiben. 
In 22 Kapiteln, die bis ins Jahr 1952 reichen, schaut der Autor auf das jeweilige Werk, an dem Thomas Mann arbeitet, auf die weltpolitischen Entwicklungen und auf die Freunde, Freundinnen und Bekannten mit denen der Schriftsteller Umgang pflegt. Viele der in die USA emigrierten, deutschsprachigen Künstler und Wissenschaftler kennen einander. Thomas Mann ist mit Lion Feuchtwanger, Bertolt Brecht, Vicky Baum, Theodor W. Adorno, Bruno Walter, Arnold Schönberg mehr oder weniger befreundet. Gelegentlich kommt es jedoch zu Spannungen zwischen ihnen vor allem aufgrund des unterschiedlichen Erfolgs und der daraus resultierenden finanziellen Situation. Anders als mancher seiner Kolleginnen und einigen seiner Kollegen gelingt es dem Schriftsteller sich seine Kultur auch im Exil zu erhalten. 
Das Schlusskapitel gibt einen Überblick in kurzer Form darüber, wie sich das Leben der Wegbegleiter von Thomas Mann nach den Jahren des Exils in den Vereinigten Staaten weiterentwickelt hat. Am Ende des Buchs wird auf eine Webseite des Dumont Verlags hingewiesen, auf der sich zahlreiche Anmerkungen und Quellen zu den Kapiteln nachlesen lassen. „Heimweh im Paradies“ ist als Sachbuch konzipiert und wendet sich vor allem an diejenigen, die sich über die Werke von Thomas Mann hinaus mit einem bewegenden Abschnitt in dessen Leben beschäftigen möchten.

Donnerstag, 10. April 2025

Informationen zum Roman "Hoffnung in stürmischer Zeit", Band 1 des "Ferne Heimat"-Zweiteilers

 

„Ferne Heimat, Zweiteiler
Band 1: Hoffnung in stürmischer Zeit“

Autorin: Ingrid Eßer
Genre: Historischer Roman/Schicksalsroman
Zielgruppe: Erwachsene
Klappentext: Aufgrund der näher rückenden Frontlinie werden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs Orte im Rheinland evakuiert. Anna trifft die schwierige Entscheidung, die Heimat mit einem letzten Sonderzug mit ungewissem Ziel zu verlassen. Die Fahrt führt sie in die Niederlausitz, wo sie unermüdlich versucht, ihre sieben Kinder vor den Schrecken des Krieges zu bewahren. Inmitten der Wirren erlebt ihre älteste Tochter Liesel währenddessen eine erste zaghafte Liebe.


Ein Bild, das Text, Buch, Handschrift, Papierprodukt enthält.

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  • Ein bewegender historischer Roman über Flucht, Liebe und Überlebenswillen im Zweiten Weltkrieg    
  • Die emotionale Geschichte einer Mutter und ihrer Kinder: Zwischen Verlust und Hoffnung
  • Inspiriert von wahren Begebenheiten berührt dieser

    Roman durch seine intensive Atmosphäre

Blogger*innen (ab 1.000 Follower) und Presse (Kopie des Journalistenausweises bitte mit senden) richten ihre Anfrage für ein kostenloses Rezensionsexemplar an: presse@bod.de

Buchhandlungen schreiben für ein kostenfreies Leseexemplar an: buchhandel@bod.de




„Der September 1944 war für uns alle eine Zeit schwerster Prüfung. […] Ein dumpfer Druck lag auf den Menschen; denn das Gespenst „Flucht“ zeigte sein höhnisches Gesicht.“ Magdalena, Mutter der Autorin, im Oktober 1946

 


 

Erscheinungstermin:

24.03.2025

Seitenzahl:

284

Format:

Paperback, strukturgeprägt

ISBN:

9783842374836

Verkaufspreis:

E-Book ISBN

14,99 EUR

9783769386653
bis 21.05 4,99 EUR,
später 7,99 EUR

 

 

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VITA: Ingrid Eßer, Jahrgang 1963, ist in einem Dorf im Rheinland, einem der (Haupt-)Handlungs-orte ihres Roman-Zweiteilers ‚Ferne Heimat‘, aufgewachsen. Sie studierte Wirtschaftswissen-schaften mit Schwerpunkt Finanzwirtschaft sowie den Nebenfächern Wirtschaftsinformatik und Psychologie und arbeitete im Steuerbüro und in der Verwaltung. Seit 2012 betreibt sie gemeinsam mit ihrer Tochter den Bücherblog ‚Buchsichten‘. Von Jugend an interessiert sie sich für die Geschichte ihrer Familie. Sie lebt mit ihrem Mann im Kreis Heinsberg.
Mail: autorin.i.esser@gmx.de
Instagram: @buchsichten

 

Das Buch ist bei Buchhandlungen vor Ort und Online-Buchhandlungen bestellbar. Als Autorin verkaufe ich selbst keine Bücher.

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Sonntag, 6. April 2025

Rezension: Bis die Sonne scheint von Christian Schünemann

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Bis die Sonne scheint
Autor: Christian Schünemann
Erscheinungsdatum: 26.02.2025
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783257615593

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Trotz knapper finanzieller Mittel macht sich Familie Hormann in den 1980er Jahren auf den Weg in den Süden und fährt so lange „Bis die Sonne scheint“. Der gleichnamige autobiografische Roman von Christian Schünemann erzählt die Geschichte seiner Familie über mehrere Generationen hinweg, bis hin zu seinen Großeltern. Die Namen hat der Autor geändert.

Kurz vor der Konfirmation des 15-jährigen Daniel Hormanns, der als Alter Ego des Autors fungiert, regnet es wieder durch das marode Dach des Elternhauses. Daniel lebt mit seinen Eltern und drei Geschwistern auf dem Land in der Nähe von Bremen. An diesem Abend belauscht er ein Gespräch seines Vaters mit seiner Mutter aus dem er schließt, dass deren Probleme gravierender sind, als er bisher ahnte und vermutet, dass es Sorgen finanzieller Art sind. In Erwartung seines anstehenden großen Fests hatte Daniel sich darauf gefreut, schick eingekleidet zu werden. Außerdem hatte er gehofft, viele Verwandte einladen zu können, die ihn großzügig mit hohen Geldsummen beschenken würden. Während innerhalb der Familie an allen Ecken gespart wird, bemühen sich seine Eltern, nach außen den schönen Schein von gut Verdienenden zu wahren.

Der Autor spannt in seiner Familiengeschichte einen weiten Bogen. Seine in Oberschlesien geborene und später heimatvertriebene Mutter Marlene hat sich Mitte der 1950er Jahre den Wunsch nach Abitur und Studium nicht erfüllen können. Stattdessen musste sie auf Gehiß ihrer Mutter mit ihrem Gehalt zum Familieneinkommen beitragen. Die Mutter von Daniels Vater Siegfried dagegen hat sich seit der Weltkriegszeit von ihren Kindern und ihrem Mann distanziert. Siegfried selbst hat sich für eine Beamtenlaufbahn entschieden, träumte aber insgeheim davon, Opernsänger zu werden. Sowohl Marlene als auch Siegfried sind überzeugt, dass das Leben noch mehr für sie bereithält. Auch wenn aktuell kein finanzielles Polster vorhanden ist, halten sie weiterhin an Träumen fest, die sich aber im Laufe der Zeit geändert haben.

Gerne habe ich mich als Leserin mit in die 1980er Jahre nehmen lassen. Weil ich im Alter der ältesten Tochter der Familie Hormann bin, konnte ich dank der zahlreichen Details über diese Zeit in Erinnerungen schwelgen. Christian Schünemann lässt das Lebensgefühl der damaligen Zeit authentisch aufleben, unter anderem durch die Erwähnung von Filmen und Musiktiteln. Nach den entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegsjahren ermöglicht inzwischen der wirtschaftliche Aufschwung, dass ein Durchschnittverdiener sich einiges leisten kann. Technologische Fortschritte machen die Zukunft spannend. Die Kapitel, die in den 80er Jahren spielen und von Daniel in Ich-Perspektive erzählt werden, unterscheiden sich von denen mit Rückblicken auf die Familiengeschichte in auktorialen Erzählform durch eine Überschrift mit französischen Vokabeln.

Der Roman „Bis die Sonne scheint“ von Christian Schünemann berührt mit Begebenheiten innerhalb der Familie des Autors, die über fünf Jahrzehnte zurückreichen. Durch die gewählte Ich-Erzählform des Protagonisten, der den Autor verkörpert, wurden dessen Gefühle deutlich über das diffuse Verhalten seiner Eltern, die bemüht waren, sich nach außen hin nicht von anderen Familien abheben zu wollen. Gleichzeitig möchten sie sich aber dennoch ihre Träume von einem schönen erfüllten Lebens nicht nehmen lassen. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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