Kaede ist 27 Jahre alt und unterrichtet wie einst ihr einundsiebzigjähriger
Großvater an einer Grundschule. Inzwischen ist er dement, möchte aber trotz
Einschränkungen weiterhin in seinem eigenen Haus wohnen. Ein Pflegedienst
organisiert unterstützende Therapien, aber auch Kaede besucht ihn wöchentlich.
Am liebsten hält er sich in seiner umfangreichen Bibliothek auf, die
titelgebend für den Roman „Die Bibliothek meines Großvaters“ des japanischen
Autors Masateru Konisi ist.
Die Krankheit bringt einige Schattenseiten mit sich: An
manchen Tagen verliert sich der Großvater in Visionen, deren Ursprung sich erst
nach und nach offenbart. Auf diese Weise entfaltet sich eine bewegende Familientragödie.
Nebenher vermittelt der Autor einiges an Wissen über verschiedenen Formen der
Demenz. Durch das Verhalten des Großvaters zeigt er, wie sich einige Symptome
auswirken: Momente der geistigen Umnachtung wechseln sich überraschend klaren
Phasen ab.
Die Handlung des Romans entwickelte sich für mich anders als
erwartet. Es geht weniger um die Geschichten in Büchern, sondern um das Wissen,
das man aus ihnen zieht. Zwar wird auch eine Liebesbeziehung einbezogen, aber
im Vordergrund steht die liebevolle Weise, in der Großvater und Enkelin
miteinander umgehen. Sie teilen die Leidenschaft für mysteriöse Rätsel, die der
Großvater an seinen guten Tagen mit akribischer Sorgfalt, Lebenserfahrung und
Intuition bei einem festen Ritual löst. Kaede ist dabei weniger erfolgreich,
aber sie ist es, in deren Umfeld sich die Denkspiele ergeben, bei denen es um
Leben und Tod geht. Schließlich geraten die beiden selbst in eine äußerst
gefährliche Situation.
Dank der guten Übersetzung von Peter Aichinger-Fankhauser
sind die Wortspiele aus der japanischen Sprache zwar eigentümlich, aber
nachvollziehbar. Der Roman zeigt einige Charakteristiken der Lebensart in
Japan. Die Figuren behandeln einander mit Respekt und drücken eher selten ihre
Gefühle aus, wodurch Kaede zunächst scheu und zurückhaltend wirkt, aber in wichtigen
Situationen durchaus ihre Stärken beweist. Es sind aber vor allem international
bekannte Autorin, deren Werke in der Geschichte Erwähnung finden.
„Die Bibliothek meines Großvaters“ von Masateru Konishi ist
ein ruhig erzählter Roman, der durch geschickt eingestreute Kriminalelemente
Spannung aufkommen lässt und zum Miträtseln anregt. Das lange zurückliegende
Familiendrama, das Kaede und ihren Großvater schließlich in Gefahr bringt, ist
besonders berührend. Daher empfehle ich das äußerlich wunderschön gestaltete
Buch gerne weiter.