Mittwoch, 17. April 2024

Rezension: Und alle so still von Mareike Fallwickl

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Und alle so still
Autorin: Mareike Fallwickl
Erscheinungsdatum: 16.04.2024
Verlag: Rowohlt Hundertaugen (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783498002985

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Was wäre, wenn alle Frauen sich weigern würden, eine Arbeit, gleich welcher Art, zu erledigen und sich stattdessen einfach untätig hinlegen? Dieser Frage geht Mareike Fallwickl in ihrem Roman „Und alle so still“ nach. Der Titel lehnt sich an das Schweigen der liegenden Frauen an, denn es ist alles gesagt und es hat kaum etwas bewirkt. Die Arbeit vieler Frauen bleibt unsichtbar und erfährt daher keine Wertschätzung. Gleiche Bezahlung für alle Arbeitnehmer(innen) für gleiche Arbeit gibt es oft nicht. Das Schweigen ist aber auch das Resultat der Müdigkeit, sich immer wieder bewähren zu müssen. Ohne Worte wirkt der stille Protest wie eine Mauer.

Die Kapitel wechseln in einer personalen Erzählperspektive zwischen mehreren Protagonist(inn)en. Eine von ihnen ist Elin, 21 Jahre alt und erfolgreiche Influencerin, die sich aufgrund zahlreicher Hasskommentare zu ihren Posts in therapeutischer Behandlung befindet. Ihr Körper ist bereits so oft kommentiert worden, dass sie selbst das Gefühl für ihn verloren hat. Ihre Mutter, die Leiterin einer Therme, hat sie allein erzogen und ihr die Vielfalt kulturellen Guts gezeigt, Respekt ohne Wertung, aber auch das klare Formulieren ihrer Bedürfnisse.

Ein weiterer Protagonist ist der neunzehnjährige Nuri, der einen deutschen Vater und eine singhalesische Mutter hat. Er hat die Schule abgebrochen, ohne Kenntnis seiner Eltern. Seitdem hangelt er sich mit Aushilfsjobs durchs Leben und nimmt häufig körperlich besonders anstrengende, für Ungelernte aber vergleichsweise gut bezahlteste Arbeitsaufträge an. Die machomäßige Haltung vieler seiner Geschlechtsgenossen ist für ihn nicht akzeptabel. Die 55 Jahre alte Ruth dagegen arbeitet über das Maß hinaus als Pflegekraft im Krankenhaus. Sie erlebt ihre Mutter im Patriarchat des Vaters. Sie hat sich nie aufgelehnt und ein ausgeprägtes Pflichtgefühl ihren Mitmenschen gegenüber entwickelt.

Vor allem durch ihre Figuren Nuri und Ruth verweist Mareike Fallwickl nicht nur auf den allgemeinen zunehmenden Notstand in der Pflege, sondern auch auf den hohen Anteil bestimmter Personengruppen im Niedriglohnsektor. Die Beschreibungen der ausgeführten Tätigkeiten sind überaus realistisch, erschreckend und stimmen nachdenklich. Obwohl es genügend Personen gibt, die diese Arbeiten veranlassen und, beziehungsweise oder, die Arbeitsbedingungen kennen, gibt es kaum Verbesserungen irgendeiner Art.

Die drei Protagonist(inn)en treffen während des Aufstands der Frauen aufeinander. Die Kapitel werden wiederholt unterbrochen von der ungewöhnlichen Sichtweise einer Pistole, einer Berichterstattung und einer Gebärmutter, wobei erstere mich von Beginn an beunruhigte. Die Autorin spielt im Rahmen dieses Zukunftsbilds mit Klischees und überspitzt herausfordernd ihre Darstellung. Einige Themen sind nur am Rand angesprochen, würden aber ansonsten den Rahmen des Romans sprengen. Jedoch verdeutlichen sie, wie viel mehr Ungerechtigkeiten, Vorurteile und Stigmatisierungen noch zu beheben sind. Auch ich bin der Meinung der Autorin, dass ein gleichberechtigtes Zusammenleben der Geschlechter dann möglich ist, wenn Männer sich neu orientieren.

Der Roman „Und alle so still“ von Mareike Fallwickl ist so elektrisierend wie das Cover. Der Autorin ist es gelungen, das relevante Thema von Ungleichheiten in unserer Gesellschaft so in eine Geschichte zu verpacken, dass sie die Lesenden aufrüttelt. Hoffentlich erreicht sie ausreichend Entscheidungsträger unseres Systems, um zu Veränderungen zu führen. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung und eine Aufforderung zum Lesen.


Dienstag, 16. April 2024

Rezension: Verraten - Der zehnte Fall für Carl Morck, Sonderdezernat Q von Jussi Adler-Olsen

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Verraten - Der zehnte Fall für Carl Morck, 
Sonderdezernat Q
Autor: Jussi Adler-Olsen
Erscheinungsdatum: 21.03.2024
Verlag: dtv (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783423283526

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Mit dem Thriller „Verraten“ schließt der dänische Autor seine Serie rund um das Sonderdezernat Q mit dem zehnten Fall für Kriminalkommissar Carl Morck und seinem Team ab. Der erste Band „Erbarmen“ erschien im Jahr 2007 und trägt den Untertitel „Die Frau im Bunker“. Ebenjener Frau begegnete ich als Leserin im aktuellen Buch erneut, doch wie sie in das Geschehen um die lange erwartete Aufklärung des „Druckluftnagler-Falls“ involviert ist, verrate ich nicht.

Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Rückblick auf den Beginn einer Ermittlung im Jahr 2006, an dem damals Carl und seine Kollegen Hardy und Anker beteiligt waren. Wie man als Fan der Thriller-Reihe weiß, endete die Szene in einem Fiasko, was man später detailliert erklärt bekommt. In einem weiteren Prolog wurde mir der Rotterdamer Polizist Eddie vorgestellt, der tief in zwielichtige Machenschaften verwickelt zu sein scheint und von oberen Mächten einer Organisation für sein Fehlverhalten bedroht wird. Erst dann beginnen die Kapitel, von denen das erste die letzte Szene des neunten Falls „Natrium Chlorid“ nahtlos fortsetzt.

Am zweiten Weihnachtstag 2020 wird Carl wegen Drogenhandels und unter Mordverdacht verhaftet. Im Gefängnis verweigert man ihm eine Isolation von den anderen Häftlingen, obwohl er als Ermittler mit Übergriffen rechnet. Er hat für einige Schuldsprüche von Täter(inne)n vor Gericht gesorgt und in Verbrechenskreisen ist das weitläufig bekannt. Dagegen halten seine Kollegen ihn nun für korrupt und er erhofft sich von ihnen wenig Hilfe. Carl vertraut einzig seiner Frau sowie seinem Team des Sonderdezernats Q, die aber von oberster Seite aufgefordert sind, sich aus den Ermittlungen gegen Carl herauszuhalten. Carls Situation wird noch brisanter, als sich während der Haft herausstellt, dass der- oder demjenigen eine hohe Summe ausgezahlt wird, die oder der ihn ermordet.

Carl muss Taktik einsetzen, um sich selbst zu schützen, doch auch er durchschaut nicht immer den Charakter der Mithäftlinge sowie Wärter und Wärterinnen. Er muss viel Geduld aufbringen, denn er selbst hat keine Möglichkeit, die gegen ihn gerichteten Vorwürfe zu entkräften. Der Autor lässt einige zweifelhafte Figuren auftreten. Über der Handlung steht ständig die große Frage, ob Carl im Druckluftnaglerfall unschuldig ist oder nicht. Wird er sich endlich an weitere Details der Szene erinnern, in der einer seiner Kollegen den Tod fand und der andere schwer verletzt wurde? Umso erstaunlicher ist es, dass man ihm nun selbst nach dem Leben trachtet.   

Von Beginn an baut Jussi Adler-Olsen zunehmend Spannung auf, die er durch immer neue Wendungen bis zum Ende hochhält. Mir als Leserin kamen bereits durch die Rolle von Eddie die ersten Gedanken dazu, in welcher Richtung ein oder mehrere Drahtzieher(innen) mit einem Interesse am Ableben von Carl zu finden ist oder sind. Auch das Team vom Sonderdezernat Q hat keinen leichten Stand und beweist in seinem letzten Fall wie gut man einander kennt, seine Stärken einbringen kann und sich aufeinander verlässt, ohne dass man ausführlich darüber diskutiert.

Im Thriller „Verraten“, dem zehnten und letzten Fall für sein Cold Case Dezernat der Kopenhagener Polizeibehörde, läuft Jussi Adler-Olsen noch einmal zur Höchstform auf. Zwar sind die dargestellten Ereignisse zunehmend überspitzt, sorgen aber im wahrsten Sinne des Wortes für Sprengkraft und Nervenkitzel mit einem überraschenden Bösewicht am Ende. Der abschließende Band ist für alle Carl Morck Fans ein Must-Read und eine Empfehlung für alle Thrillerlesende.


Sonntag, 14. April 2024

Rezension: Das Flüstern des Lebens von Katharina Fuchs


Das Flüstern des Lebens
Autorin: Katharina FUchs
Hardcover: 480 Seiten
Erschienen am 2. April 2024
Verlag: Droemer Knaur
Link zur Buchseite des Verlags

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Die 45-jährige Isabelle arbeitet als Architektin in München und muss aus den Nachrichten erfahren, dass ihre Tante Corinna in Tansania gestorben ist. Die bekannte Unternehmerin hatte dort vor vielen Jahren eine Kaffeeplantage erworben, auf der Isabelle mit ihrer Familie mehrfach zu Besuch war. Auf die schockierende Nachricht folgt eine große Überraschung: Corinna hatte eine Tochter, die vierzehnjährige Hannah, die schon auf dem Weg nach Deutschland ist. Von deren Existenz haben weder Isabelle noch Doris, Isabelles Mutter und Corinnas Zwillingsschwester, etwas geahnt. Sie soll erst einmal mit Doris in Corinnas Münchener Villa leben. Die Testamentseröffnung hält schließlich weitere Überraschungen bereit. Unter anderem erbt Isabelle die Kaffeeplantage. Isabelles Bruder Moritz hatte sich vom Testament jedoch mehr erhofft und beginnt, dessen Rechtmäßigkeit zu hinterfragen.

Zu Beginn des Romans lernte ich Isabelle, Doris, Hannah und Moritz kennen, aus deren Perspektiven die Geschichte erzählt wird. Isabelle und Doris sind von der Nachricht des Unfalltods von Corinna erschüttert und können sich überhaupt nicht erklären, wie und warum die Verstorbene ihre Tochter vierzehn Jahre lang geheim gehalten hat. Außerdem würde das bedeuten, dass sie Hannah mit 54 Jahren zur Welt gebracht hätte. Statt das mit der Situation sichtlich überforderte Mädchen mit Fragen zu löchern, begegnen sie ihr jedoch erst einmal mit Geduld und Verständnis, damit sie in Ruhe in Deutschland ankommen kann. Das geht vor allem Moritz gegen den Strich, der als Neffe auf ein fettes Erbe hofft.

Der Klappentext erwähnt im ersten Satz, dass Isabelle von Corinan eine Kaffeeplantage erbt. Dementsprechend hatte ich erwartet, dass der Großteil des Romans in Tansania spielt. Von diesem Erbe erfährt sie jedoch erst nach über 160 Seiten. Das erste Drittel des Buches spielt hauptsächlich in München und beschreibt die Tage nach Corinnas Tod und die Reaktion der Charaktere auf die Existenz von Hannah. Für mich hat sich dieser Teil sehr in die Länge gezogen und ich wurde zunehmend ungeduldig. Außerdem war mich gleich klar, was Hannahs Geheimnis ist, weshalb ich mich wunderte, dass dies erst spät gelüftet wird. Isabelles und Doris' Nachsicht in aller Ehren - in dieser Hinsicht konnte ich gut verstehen, warum der ansonsten durch und durch unsympathische Moritz hier Antworten fordert.

Mit der Verlagerung des Handlungsortes nach Tansania wurde mein Interesse an der Geschichte schließlich neu entfacht. Ich fand es spannend, über Isabelles Erlebnisse auf der Farm zu lesen. Themen wie Fair Trade und Kinderarbeit werden gelungen eingebunden. Isabelle zeigt bald Tendenzen, einen White Saviour Complex zu entwickeln, wird hier aber von anderen Charakteren eingefangen und erhält Unterstützung bei der Frage, was sie am Besten tun kann, wenn sie helfen will. Schließlich muss sie sich fragen, wie ihre Aufgaben in Tansania mit ihrem Architektenjob in München vereinbar sind. Die ebenfalls schon im Klappentext angekündigte Liebesgeschichte entwickelte sich für meinen Geschmack viel zu schnell. Immer wieder springt die Handlung zurück nach München zu Doris, Hannah und dem Rest der Familie, wobei mich deren Erlebnisse und der Streit um die Rechtmäßigkeit des Testaments im Vergleich weniger fesseln konnten. Insgesamt war "Das Flüstern des Lebens" für mich ein gemischtes Leseerlebnis mit einem zu langen Intro, sehr gelungenen Szenen in Tansania und zu viel Drumherum in München. Wer den Schreibstil der Autorin mag und Lust auf einen Roman mit Afrikabezug hat, der sollte sich dieses Buch genauer anschauen.

Rezension: Ostseefinsternis - Pia Korittki ermittelt von Eva Almstädt

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Ostseefinsternis - Pia Korittki ermittel
Autorin: Eva Almstädt
Erscheinungsdatum: 28.03.2024
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit Klappen
ISBN: 9783404193172
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Die Gegend zwischen Fehmarnsundbrücke und der nächsten Ortschaft auf der Festlandseite ist für mich verbunden mit Strandurlaub. Im Kriminalroman „Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt wird dort allerdings ein Mann tot aufgefunden, der vermutlich ermordet wurde. Für die Lübecker Kommissarin Pia Korittki ist es inzwischen die 19. Ermittlung in einer Serie von  Kriminalfälle, die an der Ostseeküste und der Umgebung geschehen. Das Cover vermittelt einen stimmungsvollen Eindruck des Tatorts.

Pia Korittki hat nicht nur mit der Aufklärung des Todesfalls einiges zu tun, sondern auch mit einer Vergewaltigung, die kurze Zeit vorher geschehen ist. Es wird vermutet, dass die beiden Verbrechen in einem Zusammenhang stehen könnten. Pia und ihre Kolleg(inn)en stoßen bei den Ermittlungen auf verzwickte Verknüpfungen zweier Familien, die miteinander verfeindet sind. Es ist nicht einfach, hinter die Wand aus Verschweigen, Lügen, Rache und Missgunst zu sehen. Doch eigentlich hatte Pia geplant, die Herbstferien mit ihrem Sohn im neuen Haus ihres Freunds zu verbringen. Es kommt ihr sehr gelegen, dass die Unterkunft nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt liegt.

Als Leserin habe ich zum ersten Mal ein Buch der Ostsee-Krimireihe von Eva Almstädt gelesen, weil die Geschichte dort spielt, wo ich gerne urlaube. Jedoch wurde ich von der Autorin in ausreichendem Maße mit Hintergrundinformationen zum beruflichen und privaten Umfeld Pia Korittkis informiert. Nur über Pias Freund hätte ich mir noch mehr Auskünfte gewünscht, die aber für die Ermittlungen keine Rolle gespielt hätten.

Die Autorin baut von Beginn an Spannung auf. Bei den Befragungen der Tatverdächtigen wird es für die Kommissarin nicht einfach, die familiären Verbindungen zu durchschauen. Anders als Pia hatte ich auf der vorderen Klappenbroschur einen Stammbaum zur Verfügung, bei dem ich nachschlagen konnte. Neben den beiden im Fokus stehenden Familien benehmen sich auch der neue Arzt des Dorfs und die Mitarbeitenden eines Ingenieur- und Architekturbüro in der nächsten Kleinstadt verdächtig. Es gibt mehrere Personen, die verschiedene, jedoch ein gutes Motiv für ein Verbrechen haben.

Für mich war es ein besonderes Leseereignis, weil ich die Lokalitäten kannte. Das Dorf ist überschaubar, so dass sich die Bewohner, wie in der Geschichte, vermutlich gut kennen, mal abgesehen von den Touristen. Dadurch wird Pias Arbeit und die ihrer Kolleg(inn)en nicht einfacher, denn man ist auf den eigenen Ruf bedacht. Bevor es am Ende zu einer Auflösung mit steigender Spannungskurve kommt, verharren die Ermittlungen ein wenig auf der Stelle. Währenddessen hinterfragt Pia sich selbst und ihre Arbeit. Im Umfeld ihres Privatlebens kommen ihr unerwünscht Tatverdächtige in den Blick, was zum Schluss nochmal für einen zusätzlichen Konflikt sorgt.

„Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt hat mich gut unterhalten, denn es vermittelt das mir realistisch erscheinende Bild klassischer Kriminalarbeit in einem verzwickten Fall. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende des Genres weiter.

Dienstag, 9. April 2024

Rezension: Wir werden jung sein von Maxim Leo

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Wir werden jung sein
Autor: Maxim Leo
Erscheinungsdatum: 07.03.2024
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband
ISBN: 9783462003758
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Möchten wir jünger werden, wenn wir die Gelegenheit dazu erhalten würden? Diese Frage diskutiert Maxim Leo in seinem Roman „Wir werden jung sein“, wobei er die Umkehrung des Alterungsprozesses an der Regeneration von Zellen verankert. Der Protagonist Martin ist Studienleiter eines Projekts, das ein Medikament mit dem Ziel entwickelt, chronische Herzmuskelschwächen erfolgreich zu behandeln, indem es Zellen erneuert und eventuell auch neue Zellen generiert.

Die Studie hat bisher nur eine kleine Anzahl von vier Probanden mit schlechten Heilungschancen. Der sechszehnjährige Schüler Jakob, der achtzigjährige Bau- und Immobilienunternehmer Karl Wenger, die 34-jährige, bei früheren Schwimmwettkämpfen erfolgreiche Verena und die Lehrerin Jenny nehmen seit einiger Zeit die aussichtsreiche Arznei, von der sie rasch nicht nur eine Besserung verspüren, sondern die ihre Körperfunktionen auf einen Fitnessstand bringt, den sie vor mehreren Jahren erreichten. Martin erprobt das Medikament auch an sich selbst und verfüttert es an seinen alten Hund.

Maxim Leo hat mit seinen Testpersonen eine gute Auswahl getroffen, um die Annehmlichkeiten der Arznei ebenso aufzuzeigen wie die Schattenseiten. Bei Wenger steht bereits der Nachwuchs bereit, das Unternehmen weiterzuführen und Verena erntet für ihre aktuellen sportlichen Leistungen nicht nur Ruhm. Ein Wunsch geht für Jenny in Erfüllung, aber Jakobs jugendlicher Körper entwickelt sich in einer Phase der Verliebtheit auf den Stand eines Kinds zurück. Doch der Autor führt nicht nur an, welche Konsequenzen die Verjüngung für die Proband(inn)en und ihr Umfeld haben können, sondern er verweist ebenfalls auf ethische Konsequenzen und wirft die Frage auf, wer Zugang zu dem erprobten Verjüngungsmittel haben sollte. Zum Ende hin steigerte er meine Zweifel als Leserin, ob ein solches Medikament sinnvoll ist, indem er Bedenken auf die Zukunft einer Welt ausstreut, deren Bewohner nicht mehr zwangsläufig sterben müssen.

Maxim Leo hat sich für die authentische Gestaltung seines Romans fachkundige Hilfe geholt. Die Geschichte ist trotz der Auseinandersetzung mit einem ernsten Thema von heiteren Momenten durchzogen. Durch die Auflistung immer weiterer Auswirkungen des verjüngenden Präparats entwickelt sich eine hintergründige Spannung, die mich nicht nur rasch weiterlesen ließ, sondern schließlich auch ins Grübeln brachte. Durch eine kurze Recherche erfuhr ich, dass das Szenario des Autors nicht mehr allzu weit von der Realität entfernt ist. Noch bin ich mir unklar, ob ich das beängstigend oder beruhigend finden sollte.

In seinem Roman „Wir werden jung sein“ setzt sich Maxim Leo auf eine lesenswerte, vielfach heitere und unterhaltende Weise mit dem Für und Wider eines Medikaments zur Verjüngung unserer Körperzellen auseinander. Ohne sich selbst zu positionieren, wirft er in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragen moralischer Natur auf, die unsere Gesellschaft in die Verantwortung nehmen wird. Ich empfand die Geschichte nicht nur als interessante Lektüre, sondern sie ließ mich auch nachdenklich zurück. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

Sonntag, 7. April 2024

Rezension: Nightowls - Boten der Dämmerung von Kathrin Tordasi

 


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Nightowls - Boten der Dämmerung
Autorin: Kathrin Tordasi
Erscheinungsdatum: 13.03.2024
Verlag: Fischer Tor (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Klappenbroschur
ISBN: 9783596707539
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In ihrer Urban Fantasy „Nightowls – Boten der Dämmerung“ wirft Kathrin Tordasi einen besonderen Blick auf die Nacht, in der Nyx, James und Leon ihre Fähigkeiten ausleben können. Die drei haben verschiedene Eltern, die verstorben sind, als sie noch Kinder waren. Deswegen wurden sie von Diane Harling adoptiert und auf deren Wohnsitz gebracht, bevor der Orden des Ersten Tages auf ihre speziellen Fähigkeiten aufmerksam werden konnte.

Die Adoptivgeschwister verfügen über paranormale Talente. Diane möchte die drei davor bewahren zum Chaosträger zu werden. Ihrer Meinung nach wird es dazu kommen, wenn sie ihre speziellen Begabungen vernachlässigen oder undiszipliniert damit umgeht. Dennoch kommt es zu einem tragischen Vorfall mit weitreichenden Konsequenzen. Einige Jahre später rettet James eine Zivilistin vor den Übergrifflichkeiten eines Boten des Tages. Bald wird deutlich, dass es in London jemanden geben muss, der die Stadt mit Chaos füllt. Diese oder dieser Unbekannte muss aufgehalten werden, damit der dadurch vermutete Weltuntergang verhindert werden kann.

In ihrer ersten Fantasy für erwachsene Lesende erschafft Kathrin Tordasi eine Welt voller Mythen, die ineinandergreifen. Nyx kann Träume zu sich locken, doch mit ihrem zunehmendem Alter fühlt sie Unstimmigkeiten darin anwachsen. Außerdem ist es ihr eigen, eine Tür zur Nacht zu öffnen. Dagegen kann James Dunkelheit erzeugen und er spürt das Chaos in anderen Menschen. Ihre Talente ergänzen sich im Kampf gegen das Böse, das in der Geschichte immer mächtiger wird und schließlich zu einem furiosen Finale führt. Bis dahin jedoch versorgte mich die Autorin als Leserin mit zahlreichen Mysterien rund um die Nacht und dem drohenden Chaos. Die Erklärungen sind komplex, wodurch das Ausmaß des drohenden Grauens erst langsam bewusst wird.

Ebenso wie bei ihrer Kinderbuchserie „Brombeerfuchs“ geht es in der Geschichte darum, dass man durch den gemeinsamen Einsatz seiner Fähigkeiten eher zu einer Lösung gelangt. Jedoch scheinen die Widersacher gute Gründe zu haben, das Chaos auf ihre Weise zu verhindern. Die Autorin versucht redensartlich die zwei Seiten einer Medaille sichtbar zu machen. Selbst Nyx und James sind sich nicht immer klar darüber, ob sie auf der Seite des Guten stehen, was die Lektüre zu einem abwechslungsreichen Leseerlebnis macht, obwohl die Begründungen auch zu gewissen Längen führen. In „Nightowls“ sind die Gefühle der Protagonistinnen und des Protagonisten tief, manchmal zwiespältig und konfliktbehaftet. Ihre Handlungen sind von Freundschaft, Liebe, Hass, Furcht und Trauer getrieben.

„Nightowls – Boten der Dämmerung“ von Kathrin Tordasi ist eine Geschichte über die Rivalität zwischen Nacht- und Tagboten. Die Autorin schlägt sowohl laute wie auch leise Töne an, wenn sie das Chaos wirbeln lässt, beziehungsweise die entsprechenden Erklärungen dazu beschreibt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese stimmungsvolle Fantasy.

Samstag, 6. April 2024

Rezension: Sommer ist meine Lieblingsfarbe von Claudia Schaumann


Sommer ist meine Lieblingsfarbe
Autorin: Claudia Schaumann
Taschenbuch: 464 Seiten
Erschienen am 20. März 2024

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Ava ist 43 und ihr Leben ist eigentlich genau so, wie sie es sich immer erträumt hat: Sie ist mit ihrem Traummann verheiratet, hat drei Kinder und lebt in einem schönen Haus in Hamburg Vierlanden gleich hinter dem Deich. Doch seit einiger Zeit fühlt sich das alles nicht mehr richtig an: Ihr Mann Jan muss so viel arbeiten, dass sie ihn kaum mehr zu Gesicht bekommt, sie kümmert sich allein um die Hausarbeit und die Hühner und in der Elternvertretung überlässt man ihr alles Organisatorische, weil sie als einzige nicht arbeitet und nach Auffassung der anderen doch sicher genug Zeit dafür hat. Als Ava eine Mail ihres Ex-Freundes erhält, der sie gerne sehen will, ist das Gefühlschaos komplett. Sie gerät ins Grübeln, was sie in ihrem Leben ändern möchte, um wieder glücklich zu sein, und was vielleicht doch bleiben darf, wie es ist.

Das Cover des Romans ist frisch und bunt und macht Lust auf die Geschichte. Es zeigt eine Frau mit Farbpinsel in der Hand, was eine Anspielung auf Avas Hobby ist, für das sie schon lange keine Zeit mehr gefunden hat. Zu Beginn des Romans lernte ich Avas turbulentes Leben kennen und musste schnell feststellen, dass sie selbst dabei viel zu kurz kommt. Insofern konnte ich gut nachvollziehen, warum sie unzufrieden ist und das Gefühl hat, dass sich etwas ändern muss.

Claudia Schaumann zeichnet Ava als eine authentische Figur, deren innerer Konflikt und emotionale Reise mich als Leserin mitnahm. Sie fragt sich, was sie wirklich im Leben will und was sie braucht, um glücklich zu sein. Der überwiegende Teil des Romans ist aus Avas Perspektive geschrieben, gelegentlich kommt aber auch ein "Er" zu Wort, der berichtet, wie er Ava kennengelernt hat. Hier ist zunächst nicht hundertprozentig klar, wer der Erzähler ist.

Der Autorin gelingt es, mit ihrem einfühlsamen Schreibstil eine berührende Geschichte über Selbstfindung, Liebe und Lebensglück zu kreieren. Es gibt nachdenklich stimmende und emotionale Szenen, aber auch humorvolle Momente, die der Handlung Leichtigkeit geben. Insgesamt ist "Sommer ist meine Lieblingsfarbe" ein gelungener Roman über die Frage, wie es nach dem Happy End weitergeht, den ich sehr gerne weiterempfehle.

Montag, 1. April 2024

Rezension: Wir werden jung sein von Maxim Leo


Wir werden jung sein
Autor: Maxim Leo
Hardcover: 304 Seiten
Erschienen am 7. März 2024
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Link zur Buchseite des Verlags

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Martin Mosländer leitet die Abteilung für Regenerative Medizin am Institut für Biowissenschaften der Berliner Charité und träumt von dem großen wissenschaftlichen Durchbruch. Ein von ihm entwickeltes Medikament soll kranke Herzmuskelzellen regenerieren. Dazu führt er gerade eine Studie an vier herzkranken Probanden und an sich selbst durch. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend, und dann geschieht eine Sensation: Das Medikament wirkt nicht nur auf die Herzmuskelzellen, sondern auf den ganzen Körper - das biologische Alter der Probanden sinkt! Ein Teenager steckt plötzlich im Körper eines Kindes, eine ehemalige Profisportlerin ist wieder zu Höchstleistungen fähig, eine unfruchtbare Frau wird schwanger und ein Senior, der schon seine Angelegenheiten ordnet, wird doch nicht so schnell sterben. Die Welt ist in Aufruhr - was bedeuetet es für die Gesellschaft, wenn vielleicht niemand mehr sterben muss? 

Weltweit wird aktiv Forschung auf dem Gebiet der Zellverjüngung betrieben und hat schon zu einigen wegweisenden Ergebnissen geführt. Insofern hat mich dieser Roman angesprochen, der sich mit der Frage beschäftigt, was passiert, wenn es tatsächlich gelingen würde, Menschen relativ unproblematisch wieder zu verjüngen. Zu Beginn lernte ich die vier Probanden der Studie kennen, die sich in verschiedenen Lebensphasen befinden und sich untereinander nicht kennen. Die plötzliche Verjüngung kommt für sie völlig überraschend und hat ganz unterschiedliche Folgen, die ihr Leben auf den Kopf stellen. Auch der Leiter der Studie nimmt das Medikament im Selbstversuch und ist zunächst selbst überrascht über den Effekt, der weitreichender ist als von ihm beabsichtigt.

Schon bald berichten Medien weltweit davon, dass ein Verjüngungsmedikament entwickelt wurde. Viele sind euphorisch und bereit, viel Geld zu bezahlen, um es einnehmen zu dürfen. Doch es gibt auch zahlreiche Skeptiker, welche unter anderem die berechtigte Frage stellen, ob die Menschheit auf Kinder verzichten muss, wenn niemand mehr sterben wird. Für die vier Charaktere, die das Medikament genommen haben, ergeben sich aus der Verjüngung handfeste Probleme, mit denen sie sich auseinandersetzen müssen. Schließlich kommt es zu lebensgefährlichen Nebenwirkungen, welche für Spannung sorgen.

Der Autor Maxim Leo setzt sich auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema der Verjüngung auseinander. Die vier Probanden sind gut ausgewählt, um zu zeigen, welche sehr unterschiedlichen Effekte es haben kann, wenn das biologische Alter des Körpers sinkt. Mit Martin Mosländer bringt er die Perspektive des Wissenschaftlers ein, der sich bislang wenig Gedanken gemacht hat, welche gesellschaftlichen Auswirkungen sein Medikament hat. Für diese Fragestellung wird die Runde durch Miriam ergänzt, die neben Medizin auch Philosophie studiert hat und als Mitglied des Ethikrats der Bundesregierung den Gesundheitsminister und den Kanzler berät. Durch die vielen verschiedenen Perspektiven bleibt bei 300 Seiten leider wenig Zeit, um die einzelnen Charaktere genauer kennenzulernen, ich blieb als Leserin zu ihnen auf Distanz. Als spannendes und temporeiches Gedankenexperiment zum Thema Verjüngung hat mir das Buch sehr gut gefallen, sodass ich es gerne weiterempfehle!

Samstag, 30. März 2024

Rezension: Annas Lied von Benjamin Koppel


Rezension von Ingrid Eßer

Titel: Annas Lied
Autor: Benjamin Koppel
Übersetzer aus dem Dänischen: Ulrich Sonnenberg
Erscheinungsdatum: 13.03.2024
Verlag: S. Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN: 9783103976236

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Der Debütroman „Annas Lied“ von Benjamin Koppel, einem dänischen Jazz-Saxophonisten, Komponisten und Musikproduzent, ist eine Hommage an seine Großtante, deren Leben er darin beschreibt. Beruhend auf Fakten und ergänzt mit Fiktion erzählt er von seiner Familie, die Ende der 1920er Jahre in Kopenhagen lebte. Damals war Hannah, die Schwester seines Großvaters, acht Jahre alt. Sie hatte vier ältere Bruder. Die Wurzeln ihrer Eltern lagen in Polen, doch inzwischen lebten weitere Verwandte in der Nähe. In der dänischen Hauptstadt hatte Hannahs Vater sich als Schneider niedergelassen.

Der Autor lässt den Alltag in der quirligen Familie lebendig werden. Er beschreibt die jüdischen Riten, die Hannahs Eltern befolgen und darauf achten, dass dabei ihre Kinder eingebunden sind. Klassische Musik spielt eine große Rolle. Drei der vier Brüder von Hannah wurden Musiker. Der Wunsch der Mutter, dass ihre Söhne Frauen heiraten, die ihrer Religion angehören, ging jedoch nicht in Erfüllung, obwohl erbetene Ehevermittlungen erfolgreich versprechend waren. Aufgrund ihres musischen Talents ist Hannahs großer Traum, Pianistin zu werden, doch ihre Eltern haben eine ganz andere Zukunft für sie geplant.

Hannahs Mutter Bruche erweist sich als Matriarchin, die ihren Willen unter Umständen mit Wutanfällen durchzusetzen vermag. Das Verhalten ihres Ehemanns wirkt ausgleichend auf sie, aber auch er kann es ihr nicht immer recht machen. Bruche ist stolz auf ihre Kinder, jedoch spürt Hannah auch ihre tiefe Enttäuschung über die Abkehr der Söhne von den religiösen Gepflogenheiten. Sie will sie nicht ebenfalls enttäuschen und ordnet sich unter. Im Weltkrieg flieht Hannah mit ihren Eltern nach Schweden, doch nachdem Frieden eingekehrt ist, führt das Schicksal sie nach Paris, wo der von den Eltern Ausgewählte auf sie wartet.

Benjamin Koppel hatte das große Glück, seine Tante noch im hohen Alter kennenzulernen und vieles aus ihrem Leben aus erster Hand zu erfahren. Hannahs Leben hatte einige tragische Tiefen, aber sie hat nie den Mut aufgegeben, obgleich ihr vieles versagt blieb. Ihr sind kritische Ansichten zu ihrem Lebensstil angetragen worden, doch sie ist immer treu geblieben, was manchem unverständlich sein mag. Vor allem auf den ersten beiden Dritteln des Buchs passiert ständig etwas Unvorhersehbares. In den späteren Dekaden von Hannahs Leben verweilt der Autor nur noch bei einzelnen Szenarien und schreitet dadurch in der Handlungszeit schnell voran. Erst im hohen Alter erfüllt die Protagonistin sich einen langgehegten Wunsch.

Im Roman „Annis Lied“ beschreibt der Autor Benjamin Koppel den Lebensweg seiner Großtante Hannah Koppelmann, die einer jüdischen Familie mit religiösen Traditionen angehörte. Ihr Leben wird gestreift von der Geschichte der Judenverfolgung, ebenso ist es verknüpft mit der Liebe zur Musik. Mit dem Bewusstsein, dass man hier über ein tatsächlich gelebtes Leben liest, wird das Geschriebene zu einem berührenden Lesegenuss, den ich gerne weiterempfehle.

Mittwoch, 27. März 2024

Rezension: Und Großvater atmete mit den Wellen von Trude Teige


Und Großvater atmete mit den Wellen
Autorin: Trude Teige
Übersetzerin: Günther Frauenlob
Hardcover: 416 Seiten
Erschienen am 27. März 2024

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Der Norweger Konrad Bjerke arbeitet als Leichtmatrose einem Handelsschiff, das Dieselöl aus dem Iran nach Australien bringen soll. Es ist das Jahr 1943, und Japan in Südostasien auf dem Vormarsch. Als ein japanisches U-Boot das Schiff auf hoher See mit Torpedos angreift, wird sein Bruder Sverre, der als Funker ebenfalls an Bord war, gefangen genommen. Konrad selbst versucht, mit einem Rettungsboot an Land zu gelangen. Als er an der Küste von Java strandet, ist er mehr tot als lebendig. Im Krankenhaus bietet die Krankenschwester Sigrid Greve an, sich um ihn zu kümmern, da sie ebenfalls aus Norwegen kommt. Sie lebt seit ihrer Kindheit auf Java, da ihre Eltern dort ein Hotel besitzen. Die beiden kommen sich schnell nahe. Doch die japanischen Besatzer verschärfen täglich die Regeln, und beide ahnen, dass sie getrennt voneinander in Gefangenschaft geraten werden. Was wird sie dort erwarten?

Der Roman beginnt mit einem Brief von Juni Bjerke, die ankündigt, dass man nachfolgend in die Erinnerungen ihres Großvaters eintauchen wird. Da ich das vorherige Buch der Autorin nicht gelesen habe, konnte ich damit wenig anfangen, denn Juni wird während der ganzen Geschichte nicht in Erscheinung treten und nur auf der allerletzten Seite des Romans ein kurzes Fazit ziehen. Ansonsten brauchte ich aber keine Vorkenntnisse, um in die Geschichte hineinzufinden. Sie beginnt hochspannend mit einem Torpedoangriff und ich bangte mit, ob es Konrad an Land schaffen wird.

Das Tempo ist zu Beginn hoch. Die Geschichte wird aus den Perspektiven von Konrad, Sverre und Sigrid erzählt, die auf dem von den Japanern besetzten Java ganz unterschiedliche Erfahrungen machen. Die beiden Brüder klammern sich an die Hoffnung, dass der jeweils andere überlebt hat, und versuchen, Erkundigungen einzuholen. Unterdessen kommen sich Konrad und Sigrid näher. Doch die Japaner haben es sich zur Aufgabe gemacht, alle auf der Insel, die keine Asiaten sind, in Lager zu verfrachten. Nach etwas mehr als 100 Seiten geraten alle drei getrennt voneinander in Kriegsgefangenenschaft. 

Der Rest des Romans beschreibt auf eindringliche Weise die Erlebnisse in den Lagern. Es gibt wenig Nahrung und schlechte hygienische Verhältnisse, wodurch Krankheiten grassieren. Die Charaktere sind der Willkür ihrer Bewacher ausgesetzt. Bald wird das Leben in den Lagern zum Überlebenskampf, der immer wieder neue Opfer fordert. Einzelne hoffnungsvolle Momente weichen schon bald wieder der Sorge, dass die Besatzer ihre Gefangenen irgendwann verhungern lassen. Der beschaulich klingende Titel des Romans bezieht sich auf die Methode von Konrad, in dieser schrecklichen Zeit in den Schlaf zu finden. 

Erst als die Nachrichten vom Kriegsende die Lager erreichen, flammt die Hoffnung wieder auf. Das Erzähltempo ist plötzlich wieder hoch, die Ereignisse überschlagen sich, halten aber neue schockierende Momente bereit. Ich habe das Buch traurig und mit einem wehmütigen Gefühl beendet. Eine intensive und beklemmende Lektüre darüber, wie es den Ausländern auf Java unter japanischer Besatzung ergangen ist. 

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