Titel: Die vergessenen Träume
Autorin: Ellen Sussman
Übersetzerin: Veronika Dünninger
Erscheinungsdatum: 28.07.2014
Verlag: Limes Verlag
rezensierte Ausgabe: Leseexemplar
Handlungsort: Bali/Indonesien
Handlungszeit: 2002 und 2003
Der Roman „Die vergessenen Träume“ von Ellen Sussman wartete
für mich inhaltsmäßig mit einer Überraschung auf. Die Geschichte führte mich zurück ins Jahr 2003.
Die nordamerikanische Reiseleiterin Jamie Hyde kehrt ein Jahr nach den Bombenanschlägen
auf Bali, die über 200 Tote und eine ebenso hohe Anzahl Verletzte forderten, nach
Kuta an den Ort des Geschehens zurück. Sie möchte an einer Gedenkfeier für die
Opfer aus Anlass des ersten Jahrestages dieses terroristischen Akts teilnehmen.
Gleichzeitig ist sie aber auch auf der Suche nach dem Mann, der sie schwer
verletzt aus dem Chaos gerettet hat, das unmittelbar nach der Explosion der
Bomben entstand. Doch außer seinem Namen weiß sie wenig von ihm. Während sie
sich auf die Suche nach ihm begibt, begegnet sie ihrer längst überwunden
geglaubten Vergangenheit. Denn sie gibt sich selbst die Schuld am Tod ihres
damaligen Freundes, den sie nicht mehr aus den Trümmern retten konnte.
Aufgrund des Covers glaubte ich zunächst an einen
Liebesroman an einem paradiesischen Ort. Doch so unerwartet wie Bali mit den
Anschlägen konfrontiert wurde, so unerwartet traf mich deren Beschreibung
während des Lesens. Manchmal glaubte ich zu spüren, wie die Autorin, die vor
Ort recherchiert hat, selbst betroffen war. Es gelingt ihr sehr gut dieses
Gefühl durch ihren Schreibstil, eine klare Sprache ohne große Ausschmückungen
mit treffenden Dialogen, zu transportieren. Erst dadurch versteht man, was dort
zerstört wurde.
Der Roman ist in drei Abschnitte eingeteilt. Er beginnt im
Jahr 2003 mit der Rückkehr von Jamie nach Bali. Dieser Teil sowie der dritte
sind im Präsens geschrieben, dies gibt das Empfinden unmittelbarer Nähe. Beim
Lesen des ersten Abschnitts tritt schon nach kurzer Zeit die Frage auf, was ein
Jahr vorher genau passiert ist und warum Jamie immer noch so verletzt wirkt.
Die Antworten finden sich im zweiten Abschnitt, der auf die Ereignisse ein Jahr
vorher zurückblickt und im Perfekt geschrieben ist. So erhält nicht nur Jamie
sondern auch der Leser Abstand zu den Anschlägen. Und dennoch gelingt eine
Distanzierung nur ansatzweise. Zurück blieb bei mir eine tiefe Betroffenheit,
wie sie auch Jamie weiter mit sich trägt.
Mit Jamie und Gabe hat Ellen Sussman zwei starke Charaktere
geschaffen. Jamie liebt ihre Unabhängigkeit, daher ist sie auch so gerne als
Reiseleiterin unterwegs. Das Auseinanderbrechen der Ehe ihrer Eltern hat sie
geprägt und so umgeht sie eine feste Bindung. Nach den Anschlägen ringen
verschiedene Gefühle in ihr, Verlust ihrer Liebe, Schuld, Hoffnung auf eine
Zukunft. Gabe, ihr Retter im Chaos, kann ihre Gefühle nachvollziehen, denn auch
er hatte einen Verlust zu verkraften und hat auf Bali einen Neuanfang
geschafft. Bei beiden ist der Kampf darum, den jeweiligen Verlust mental zu
verarbeiten, deutlich spürbar.
„Die vergessenen Träume“ ist ein Roman, der den Leser an
einen paradiesischen Ort mitnimmt und eine Story mit ernstem Hintergrund
entwickelt die berührt. Für mich eine unbedingte Leseempfehlung!