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Sonntag, 5. Oktober 2014

[Rezension] Das fremde Mädchen - Katherine Webb

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Titel: Das fremde Mädchen
Autorin: Kathrine Webb
Übersetzerin: Katharina Volk
Erscheinungstermin: 22.09.2014
Verlag: Diana Verlag
rezensierte Ausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
(Haupt-)Handlungsort: Bath/England
Handlungszeit: 1803-1823


Im Roman „Das fremde Mädchen“ nimmt Katherine Webb den Leser mit in eine Zeit von vor ungefähr zweihundert Jahren. Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen in dieser Vergangenheit. Die Erzählung beginnt im Jahr 1803. Vor einem Bauernhaus, in dem die junge Alice mit ihrer Dienerin Bridget vor den Toren der Stadt Bath lebt, findet sich ein verwahrlostes Mädchen ein. Alice nennt sie Starling und sorgt dafür, dass ihr Wohltäter Lord Faukes damit einverstanden ist, dass diese bleiben darf. Gemeinsam ist den beiden die dubiose Herkunft. Jonathan Faukes kommt mit seinem Vater gelegentlich bei den Frauen zu Besuch und über die Jahre entwickelt sich aus der Freundschaft zwischen Alice und ihm Liebe. Doch diese darf nicht sein!

18 Jahre später trifft der Leser auf Rachel, die im Begriff ist ihre Stellung als Gouvernante aufzugeben um den Weinhändler Richard Weekes aus Bath zu heiraten. Getreu den Worten ihrer Mutter glaubt sie daran, dass Liebe mit der Zeit entstehen und wachsen kann, denn es war für sie keine Liebe auf den ersten Blick. Aber bei ihrer ersten Begegnung glaubt sie ein besonderes Gefühl bei Richard ausgelöst zu haben. Erst sehr viel später erkennt sie die wahre Bedeutung. Richard verkehrt im Herrenhaus der Faukes am Lansdown Crescent. Seit Jahren trauert Jonathan, der unter der Fürsorge seiner Mutter steht, über den Verlust seiner großen Liebe und wird geplagt von grausamen Erinnerungen an seine Zeit als Mayor im Krieg auf der iberischen Halbinsel. Verwicklungen führen Rachel in dieses Haus und ein furchtbares Kapitel ihrer Kindheit, das sie verdrängt zu haben glaubte gerät dadurch in ihr Bewusstsein. Im Laufe weniger Wochen beginnt sie zu begreifen, welche Intrigen in der Vergangenheit im Hause Faukes gesponnen wurden und dass auch ihre eigene, neue Familie darin verwickelt ist.

Der Weg auf dem Cover führt den Leser in die Welt von Rachel und Jonathan zu einer Reihe von Herrenhäusern, die ähnlich zu dem sind, in der Familie Faukes in Bath wohnt. Leider wurde für das Titelbild nicht die Häuserreihe am Lansdown (und nicht Landsdown wie irrtümlich im Klappentext erwähnt) Crescent, sondern eine Fotografie der Häuser am Royal Crescent verwendet. Nichtsdestotrotz residierten zu der Zeit in der der Roman spielt in diesen viergeschossigen Häusern mit einem Souterrain für die Dienerschaft die bessergestellten Persönlichkeiten der örtlichen Gesellschaft. Von diesen Häusern aus hatte man einen herrlichen Blick über den Kurort Bath. 

In ihrem Roman entwickelt die Autorin nicht unbedingt eine komplizierte, aber eine reichlich verwickelte Geschichte, die auf zwei Erzählebenen spielt und weitere Erinnerungsrückblicke einzelner Charaktere beinhaltet. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen schildert sie die unterschiedlichen Gemütszustände ihrer Protagonisten. Von allen Seiten betrachtet sie deren Handlungsweisen, die ich überaus glaubhaft dargestellt empfunden habe, und erklärt diese manches Mal mit Schilderungen aus der Vergangenheit. Rachel ist eine Frau Ende 20, ursprünglich aus gutsituiertem Haus, die schon nicht mehr daran geglaubt hat einen passenden Ehemann zu finden. Von Richard Verhalten fühlt sie sich geschmeichelt und willigt zügig in seinen Heiratsantrag ein, ohne sein Umfeld näher kennen gelernt zu haben, soweit dies zur damaligen Zeit überhaupt vor einer Heirat schicklich war. Neben Alice ist sie Sympathieträgerin dieses Buchs, wobei Alice eher naiv wirkt und auf den Boden der Tatsachen fällt nachdem sie das Geheimnis ihrer Herkunft erfährt. Im Vergleich zu diesen beiden ist das Findelmädchen Starling ein vielschichtiger Charakter. Ihre oft unerwarteten Handlungen werden geleitet von Freude, Angst, Hass, Eifersucht. Sie scheint nicht den Überblick über die Folgen ihrer Offenheit zu haben, was wahrscheinlich ihrem zunächst jugendlichen Alter geschuldet ist. 

Obwohl die differenzierten Beschreibungen der Gefühlswelten dazu beitragen, dass der Leser die Handlungsweisen der einzelnen Personen versteht, fand ich diese im Mittelteil leicht ermüdend, eine Straffung hätte hier sicher der Spannung gut getan. Des Weiteren wurden die Kriegserlebnisse von Jonathan Faukes zwar beeindruckend detailliert und realistisch geschildert, meiner Meinung nach hätte eine kürzere Beschreibung aber ausreichend seine anhaltende Desillusionierung erklärt. Und wieder einmal über das Grauen von Kriegen nachzudenken, gab die Erzählung allemal. Gerade zum Ende hin zieht das Tempo des Romans wieder an und es fallen noch ein paar Puzzlesteine an seinen Platz, damit sich eine runde Geschichte ergibt. Mir hat das Buch gut gefallen. Ein Muss für alle Katherine Webb-Fans und eine Leseempfehlung an die Freunde historischer Romane!