Titel: Wo ein bisschen Zeit ist
Autor: Emil Ostrovski
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Thomas Gunkel
Erscheinungsdatum: 24.07.2014
Verlag: FJB
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Handlungsort: Nordwesten der USA
Handlungszeit: Gegenwart
Jack trifft sich mit seinem erwachsenen Sohn an dessen
Geburtstag. Dieser steht kurz davor aufs College zu gehen und Philosophie zu
studieren Der Leser merkt dadurch gleich, dass Vater und Sohn keinen sehr engen
Kontakt zueinander haben. Emil Ostrovski, der junge Autor des Buchs „Wo ein
bisschen Zeit ist“ schickt diesen Prolog der eigentlichen Geschichte des Romans
voraus, die Jack nun im Folgenden aus der Ich-Perspektive seinem Sohn erzählt. Ich
finde es nicht gut, dass in der Inhaltsangabe auf der Rückseite des Umschlags
das Ende des Buchs vorweggenommen wird.
Jack erhält an seinem 18. Geburtstag den Anruf seiner
Ex-Freundin Jess, die gerade in einem Krankenhaus den gemeinsamen Sohn zur Welt
gebracht hat. Er hatte ihr zur Abtreibung geraten, doch Jess wollte das Kind
unbedingt bekommen. Im Krankenhaus erfährt er davon, dass Jess den gemeinsamen
Sohn zur Adoption freigegeben hat. Bei Jack keimen Vatergefühle auf und er mag
seinen Sohn nicht hergeben. Kurz entschlossen steigt er mit seinem Sohn aus
einem Fenster des Krankenhauses und begibt sich mit ihm auf eine Reise die erst
ein Ziel findet, als seine an Alzheimer erkrankte Großmutter ihn zur Gratulation
anruft. Sie wird er trotz der dazwischenliegenden mehrstündigen Fahrtzeit
besuchen, um ihr seinen Sohn zu zeigen!
Auch sein treuer Freund Tommy ruft zum Geburtstag an. Beide
verbinden viele gemeinsam erlebte Tage ihrer Jugend und so wird im Schwelgen
über gemeinsam Erlebtes und noch zu Erlebendes eine irrsinnige Fahrt, zunächst mit
dem Auto von Tommy und später mit dem Boot von dessen Vater, über den
amerikanischen Kontinent. Mit an Bord ist auch Jess, die vor den Adoptiveltern
ihres Sohns und der Polizei, die nach dem Entführer sucht, aus dem Krankenhaus
geflüchtet ist.
Das Buch ist eine humorvolle, abenteuerliche Geschichte,
deren schneller Handlungsablauf immer wieder unterbrochen wird durch
tiefgründige Zwiegespräche, die Jack mit seinem Sohn hält, den er nach dem
großen Philosophen der Antike Sokrates nennt. Hin und wieder macht Jack sich
bewusst, dass diese Gespräche natürlich eine innere Auseinandersetzung seiner
selbst sind. Auf diese Weise nimmt der Leser Teil daran, wie Jack sich mit
seiner bisherigen Sorglosigkeit auseinandersetzt, die sogar soweit geführt hat,
dass er sich umbringen wollte, als er über seine Glückwünsche zum Geburtstag
nachgedacht hat. Doch die Angst vor Folgeschäden hat ihn davon abgehalten. Dies
war ein erster Schritt sich darüber klarzuwerden, welche Auswirkungen
Handlungen haben können.
Die sich mühelos lesende, lebendige Erzählung ist nur die
Basis für eine viele tiefergehende Erfahrung, die der Leser an der Seite von
Jack nachvollziehen kann. Man merkt der Geschichte an, dass der Autor selber
noch jung ist, nämlich Anfang 20, da er die Handlungen und Gedanken seines
Protagonisten so leicht zu Papier bringt. Dabei bleibt die richtige Behandlung
des Babys auf der Tour Nebensache, die zunehmende Übernahme von Verantwortung
steht im Vordergrund. Emil Ostrovski weiß mit phantasievollen und frischen
Einfällen den auch wenig an philosophischen Gedankengängen interessierten Leser
immer wieder in seine Erzählung zurückzuziehen. Unter der Oberfläche der
Romanidee geht es um Freundschaft, das Erwachsenwerden, die Unendlichkeit und
vieles mehr.
„Wo ein bisschen Zeit ist“ ist ein besonderer Roman, der
neben der Beschreibung einer unglaublichen Flucht ganz nebenher ein wenig Philosophie vermittelt
und den Leser zum Mitdenken über die großen Fragen der Menschheit anregt. Gerne
empfehle ich dieses Buch weiter.