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Titel: Italienische Nächte
Titel: Italienische Nächte
Autorin: Katherine Webb
Übersetzerin: Katharina Volk
Erscheinungsdatum: 31.08.2015
Verlag: Diana Verlag
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag
Handlungsort: Gioia del Colle/Apulien (Italien)
Handlungszeit: 1921
„Italienische Nächte“ von Katherine Webb führt den Leser
zurück in das Jahr 1921. Das Cover wirkt einladend. Der Blick schweift von
einem Balkon über die hügelige Landschaft Apuliens, der Blick fängt sich am
kräftigen Rosa des Oleanders der die Aussicht umrahmt. Doch so heiter und
friedvoll ist die Geschichte leider nicht, die den Leser in diesem Buch
erwartet. Bereits im Prolog wird deutlich, dass sich gewisse Dinge für die Protagonistin
Clare, die sich auf der Heimreise von Italien nach England befindet, geändert
haben und sie selbst an den Ereignissen der zurückliegenden Wochen gereift zu
sein scheint.
Gioia del Colle ist eine Kleinstadt in Apulien. Der
englische Architekt Boyd Kingsley, Ende 30, wurde von dem italienischen
Grundbesitzer Leandro Cardetta, den er vor einigen Jahren in New York
kennengelernt hat, damit beauftragt, Pläne für die Renovierung seines Landguts
zu machen. Die 29jährige Clare wird gegen ihren Willen in den Sommerferien zu
ihm zitiert, begleitet von ihrem 15jährigen Stiefsohn Pip. In der Stadt kommt
es immer wieder zu Aufständen der einfachen Arbeiter gegen die Landbesitzer.
Clare fühlt sich hier gar nicht wohl und Cardetta bietet ihr an, dass sie, Pip
und seine Frau die nächsten Wochen auf seinem nahen Landgut verbringen können.
Parallel zu diesem Handlungsablauf lernt der Leser mit dem
Arbeiter Ettore einen weiteren Protagonisten kennen. Ettore wohnt gemeinsam mit
seinem kranken Vater und seiner Schwester, die ein kleines Kind hat, in Gioia
del Colle in einer ärmlich eingerichteten Wohnung. Die Familie lebt hauptsächlich
von seinen Einkünften als Tagelöhner. Seine Liebste ist vor ungefähr einem
halben Jahr verstorben. Obwohl sein Onkel Leandro Cardetta der Arbeiterschicht
entstammt, gehört er nun zur oberen Schicht und hat Ettore bereits mehrfach
Arbeit angeboten, die dieser jedoch aus Stolz abgelehnt hat. Eines Tages wird
Ettore schwer verletzt, ein Freund bringt ihn zum Landgut seines Onkels. Clare
ist Ettore bereits in der Stadt begegnet, doch jetzt ist sie verwirrt ihn auf
dem Gutshof zu sehen. Bei einem Blick in seine Augen verliebt sie sich in ihn. Doch
werden ihre Gefühle überhaupt erwidert? Empfindet sie für ihren Ehemann keine
Liebe mehr? Ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit liegt seit Jahren auf
ihrer Ehe. Im Laufe der Geschehnisse deckt Clare ein unfassbares Geheimnis auf.
Die Autorin hat für ihren historischen Roman die eher
ungewöhnliche Zeitform des Präsens gewählt. Der Leser hat dadurch den Eindruck,
die Ereignisse unmittelbar miterleben zu können. Im Stil eines allwissenden
Erzählers befindet sich der Lesende nicht nur an der Seite der Handelnden,
sondern erfährt auch deren Gefühle und hält mit ihnen Rückblick auf vergangene
Erlebnisse.
Während Ettore immer in ärmlichen Verhältnissen gelebt hat,
ist Clare als Einzelkind schon älterer Eltern wohlbehütet und umsorgt
aufgewachsen. Mit 19 Jahren wurde sie die Frau von Boyd, der nach dem Tod
seiner ersten Frau eine Mutter für seinen Sohn suchte und sich in sie verliebte.
Clare glaubte damals, seine Liebe zu erwidern. Aber Boyd ist anscheinend nie
über den Verlust seiner ersten Frau wirklich hinweg gekommen, was die Beziehung
belastet. Den Wunsch nach einem eigenen Kind hat ihr Ehemann ihr bisher
verweigert.
Der Leser ahnt bereits von Beginn an, dass es ein Geheimnis
im Leben von Boyd gibt. Dieses Geheimnis hat mich weiterlesen lassen, weil es
zumindest ein wenig Spannung in den Roman hineinbrachte. Katherine Webb hat für
ihren Roman sehr gut recherchiert und die Arbeiteraufstände gegen die
Landbesitzer realistisch in ihre Erzählung eingewoben. Allerdings nehmen die
Kämpfe einen sehr breiten Raum in ihren Schilderungen ein.
Die spontane Liebe zwischen der biederen Mittelklassefrau
Clare und dem trotzigen unbelehrbaren Ettore wirkte auf mich eher
unglaubwürdig. Beide verschwenden keinen Gedanken an die möglichen Auswirkungen
und handeln einzig triebgebunden, obwohl Clare mit jedem Tag die Mühen des
Alltags der Landarbeiter beobachten kann und von den Kämpfen sogar angewidert
ist. Clare konnte mir im Laufe der Geschichte nicht sympathisch werden.
Einerseits gewinnt sie an Selbstvertrauen, gehorcht aber den Befehlen ihres
Mannes und Cardettas ohne auf einer ausführlichen Erklärung für deren Handeln
zu bestehen. Auch die Agitationsweise von Ettore konnte ich nicht immer
nachvollziehen. Sein Stolz bringt seine Familienangehörigen, für die er
verantwortlich ist, in Gefahr und seine Rachegefühle für diverse Geschehnisse
in der Vergangenheit stehen, ohne die Konsequenzen zu bedenken, an erster
Stelle.
Leider konnte mich der Roman nicht begeistern. Für meinen
Lesegeschmack war die zwar wirklichkeitsnahe Darstellung des Klassenkampfes zu
langatmig und die Liebesgeschichte zwischen Clare und Ettore nicht überzeugend
genug. Den Hintergrund des Geheimnisses das am Ende der Geschichte aufgedeckt
wird fand ich jedoch überraschend. Daher gebe ich dem Buch 3 Sterne. Man kann
das Buch lesen, muss es aber nicht.