Samstag, 3. Oktober 2015

[Rezension Hanna] Kinder des Winters - Simon Montefiore


Inhalt
Moskau im Juni 1945: Mit einer Siegesparade feiert Stalin das Ende des Krieges. Kurz danach treffen sich einige Kinder einflussreicher russischer Familien, die gemeinsam auf die beste Schule in Moskau gehen. Sie möchten ein geheimnisvolles Spiel spielen. Doch plötzlich erklingen Schüsse, und zwei der Kinder liegen tot am Boden. Stalin erteilt die Anweisung, die Ermittlungen ohne Bevorzugung durchzuführen. Diese nehmen bald größere Ausmaße an, als die Kinder hätten ahnen können. Der Vorfall sowie einige wohl behütete Geheimnisse sollen für die Moskauer Elitefamilien bald zur Gefahr werden. Werden sie in den Abgrund stürzen oder können sie dies noch rechtzeitig abwenden?

Meinung
Als ich das Buch zum ersten Mal in den Händen hielt, fiel es mir schwer einzuschätzen, was mich in diesem Buch erwartet. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die romantische Winterkulisse des Covers für mich nicht wirklich zum Inhalt passen. Zum einen spielt das Buch größtenteils im Hochsommer. Lediglich die Pappelpollen, welche die beiden Toten wie Schnee bedecken, haben entfernt etwas mit Winter zu tun. Zum anderen sind die „Kinder“ fast alle 18 Jahre alt und stehen kurz vor dem Schulabschluss. Die Zielgruppe des Romans, der von Intrigen, politischem Kräftemessen und den Auswirkungen auf das private Leben der Moskauer Elite erzählt, sind in meinen Augen ganz klar Erwachsene.

Das Buch beginnt mit einem Prolog, in dem die Siegesparade sowie die anschließenden Schüsse aus der Sicht von Serafima, Tochter eines Drehbuchautors und einer Schauspielerin, geschildert werden. Über die Hintergründe erfährt man als Leser aber noch nichts. Stattdessen springt die Handlung einige Wochen in die Vergangenheit und erzählt von Andreis erstem Schultag auf der renommierten Schule 801. Er stammt im Gegensatz zu den anderen Kindern nicht aus einer renommierten Familie, sondern hat eine befleckte Vergangenheit und durfte gerade erst mit seiner Mutter nach Moskau zurückkehren. Mit seinen Augen lernt man die anderen Schüler und ihre Familien besser kennen und erfährt, was es mit dem geheimnisvollen Spiel auf sich hat. Auch seine Erzählung endet wieder bei den Schüssen, und schnell merkt man, dass der Autor noch immer entscheidende Puzzlestücke zur Frage vorenthält, wie es dazu kommen konnte.

Im Weiteren Buchverlauf wechseln die Perspektiven immer wieder und man erfährt Stück für Stück mehr über die Hintergründe des Vorfalls. Zusätzlich taucht man immer tiefer in die Schicksale der einzelnen Familien ein. Dem Autor ist es gelungen, mir das politische Minenfeld aufzuzeigen, in dem die fiktiven Minister und Kommandeure rund um Stalin agieren und mich die Anspannung fühlen zu lassen, die das politische Geschehen auf das Privatleben der Familien hat. Weite Teile des Buches spielen in den Verhörräumen der Lubjanka, dem zentralen Gefängnis Moskaus. Hier bekommen die Charaktere die Grausamkeit und Willkür der ermittelnden Organe zu spüren und müssen erfahren, wie ihnen Worte in den Mund gelegt werden und sie erpresst werden. Durch den fiktiven Fall des Romans konnte ich mir gut vorstellen, wie es dort damals wirklich zugegangen ist.

Aufgrund von politischen Entwicklungen, Machtstreben und geheimer Liebe wird die Situation für die Familien zunehmend brisanter. In der Folge geraten die Schüsse zunehmend in den Hintergrund und der Autor zeigt dem Leser die größeren Zusammenhänge. Immer mehr Fragen werden beantwortet, doch dass der Autor vieles bewusst erst sehr spät aufdeckt führte bei mir stellenweise mehr zu Verwirrung als zu Verstehen. Zudem fehlten mir entscheidende Perspektiven von Charakteren, deren Motivation ich gerne besser verstanden hätte. Den Abschluss des Buches, in dem noch einmal viel aufgedeckt wird, fand ich schließlich gelungen.

Fazit
„Kinder des Winters“ erzählt von einem geheimnisvollen Spiel, das Töchtern und Söhnen der Elite Moskaus zum Verhängnis wird. Als zwei von ihnen durch Schüsse sterben, geraten die Kinder und ihre Familien in eine zunehmend bedrohliche Situation. Anhand dieser fiktiven Geschichte vermittelt der Autor dem Leser einen Einblick in das Leben in Moskau unter Stalin. Ich empfehle das Buch gerne an historisch interessierte Erwachsene weiter.

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Titel: Kinder des Winters
Autor: Simon Montefiore
Übersetzer: Ulrike Wasel & Klaus Timmermann
Taschenbuch: 480 Seiten
Erscheinungsdatum: 24. September 2015
Verlag: FISCHER Taschenbuch
Handlungszeit: 1945
Handlungsort: Moskau
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