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Titel: Rosaleens Fest
Titel: Rosaleens Fest
Autorin: Anne Enright
Übersetzer: Hans-Christian Oeser
Erscheinungsdatum: 09.11.2015
Verlag: DVA Verlag
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
Während nur noch ganz vereinzelt Blätter an Bäumen und
Sträuchern hängen, beginnt Rosaleen, die Protagonistin im Buch „Rosaleens Fest“
von Anne Enright, im Jahr 2005 mit dem Schreiben von Weihnachtskarten. Sie ist
76 Jahre alt, ihr Mann längst verstorben und die inzwischen erwachsenen vier
Kinder haben vor Jahren schon das Haus verlassen. Die Karten beinhalten wie
jedes Jahr eine Einladung zum Fest im elterlichen Haus, der in den letzten
Jahren aber nicht alle gefolgt sind. Diesmal ergänzt Rosaleen den
Einladungstext um die Mitteilung, dass sie das Haus verkaufen wird. Ob das der
Hauptgrund ist aus dem alle vier in diesem Jahr tatsächlich der Einladung
folgen?
Bevor Rosaleen erstmals in den Fokus des Lesers tritt, lernt
dieser im ersten der beiden Romanteile die Geschwister kennen. Die Erzählung
beginnt im Jahr 1980 und er begegnet dort Hanna, der Jüngsten, als Kind. So
wird er ganz nebenbei auch mit den übrigen Familienmitgliedern bekannt. Die
weiteren Kapitel nehmen in Zeitsprüngen jeweils eins der Geschwister in den
Mittelpunkt. Anlass für den Halt bei der jeweiligen Person ist ein für sie bedeutendes
Ereignis. Rund um diese Begebenheit erzählt die Autorin im Rückblick oder
schildert die Gedankengänge des Charakters, stets im Schreibstil eines allwissenden
Erzählers. Dabei schont sie niemanden und vermag es ein ums andere Mal genau
die Schwachstelle im Leben der Person zu beschreiben, immer im Bewusstsein,
dass ihr Charakter darüber Bescheid weiß. Es ist nicht das Außergewöhnliche, was
den Inhalt des Buchs ausmacht, sondern das was uns im täglichen Leben begegnet
und von dem wir alle schon gehört haben oder betroffen sind.
Die Geschwister stehen mitten im Leben doch ihre Gedanken
wandern immer wieder in ihre Heimat zu ihrer Mutter. Und sie sind sich bewusst,
dass sie deren Erwartungen in Bezug auf Familie und Karriere zum größten Teil
nicht erfüllt haben. Über die Jahre hinweg hat sich auch der Kontakt
untereinander gelöst. Sie teilen ihre Ängste und Gefühle nicht miteinander.
Selbst in ihrer neuen Umgebung haben sie keine Menschen denen sie sich
vorbehaltslos anvertrauen können, jeder hat den Schein nach außen hin aufrecht
zu halten, dass er das von ihm gewünschte Leben führt. Anne Enright bezieht den
Leser mit der benutzen Wir-Form an einigen Stellen in ihre Geschichte ein, so
dass er sich mitten in der beschriebenen Szene wiederfindet, die auch zu seinem
eigenen Leben gehören könnte.
Rosaleen ist der Reibungspunkt für alle vier Geschwister.
Sie ist stolz auf ihre Kinder und ihre eigene Erziehung. Aus einem betuchten
Haus kommend hat sie unter ihrem Stand geheiratet. Schon früh hat sie über
körperliche Wehwehchen geklagt und darüber die Aufmerksamkeit der Geschwister
eingefordert. Obwohl die beiden Männer ihr Glück weit entfernt gesucht haben
konnten sie sich genau wie die jungen Frauen nicht vollständig von ihrer Mutter
lösen. Ein schlechtes Gewissen hat sie immer dabei begleitet, ihren eigenen
Vorstellungen beruflicher Ziele nachzugehen.
Andererseits hat Rosaleen über ihre Erziehung scheinbar
vergessen, dass ihre Kinder zu selbständig denkenden Menschen mit eigenen
Sorgen und Problemen herangewachsen sind. Sie verschließt davor mehr oder
weniger bewusst ihre Augen, blendet aus, womit sie sich in ihrem Alter nicht
mehr auseinander setzen möchte, das in früheren Jahren aber auch nie gemacht
hat. Sie war immer Rosaleen und hat ihre Perspektive nicht gewechselt.
Ein Ereignis am Ende des Buchs bringt alle dazu, gemeinsam
zu handeln. Es stimmt den Leser nachdenklich wie Rosaleens Familie als Zweckgemeinschaft
funktionieren kann und bringt die Gedankengänge hin zum Vergeben, Vergessen und
einem neuen Anfang.
Die Autorin transportiert in ihrem Roman eine große Fülle
Emotionen, die sie dank ihrer Beobachtungsgabe und Fähigkeit, das Gesehene,
Erlebte und vielleicht Gelesene zu Papier zu bringen, glaubhaft macht. Die
alltäglichen Geschichten mit ihren großen Gefühlen haben mich sehr berührt und
finden sich in diesem Buch zu einer einzigen großen Erzählung zusammen in die
jeder eventuell ein Teil von sich wiederfinden wird. Gerne vergebe ich hierzu
eine Leseempfehlung.