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Titel: Die erstaunliche Wirkung von Glück
Titel: Die erstaunliche Wirkung von Glück
Autorin: Susann Rehlein
Erscheinungsdatum: 13.10.2015
Verlag: Dumont Verlag
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Handlungort: Berlin
Handlungzeit: Gegenwart
Ein bescheidenes Glück nennt Dorothea Brunkhorst, genannt
Dorle, seit etwa einem halben Jahr ihr Eigen. Eine Souterrain-Wohnung, in der früher die Concierge
des Mehrfamilienhauses wohnte, und eine Heimarbeit bei der sie Kristalle für
eine Kronleuchtermanufaktur zusammensteckt sind die Zutaten dafür und geben ihr
eine gewisse Sicherheit im Leben. Sie hatte eine schwere Kindheit, wurde von
ihrem Vater geschlagen und war später im Kinderheim. Joe, der Fahrer der
Manufaktur, hat ihr nicht nur den Job besorgt sondern auch die Wohnung. Weil
sie kontaktscheu ist und Berührungsängste hat, bleibt sie vorwiegend allein zu
Hause. Im Gebäude wohnen nur ältere Menschen, denen sie aber gerne behilflich
ist. Allerdings sieht mehr als einer von ihnen Dorle als die Hausmeisterin an
und stellt Forderungen an sie entsprechende Dienste kostenlos zu verrichten.
Die im Kontakt mit Menschen unsichere Dorle steht im Konflikt zwischen helfen
wollen und ihrem Selbstwertgefühl. Bis schließlich die 84jährige lebenslustige,
im Dachgeschoss des Hauses lebende Annegret Sonne findet, dass Dorle sich so
wie sie selbst dem Leben öffnen soll. Doch das ist nicht so einfach, denn diese
lehnt Ratschläge grundsätzlich ab. Da bedarf es schon eines kleinen Tricks um
Dorle einen Schritt weiter auf ihr Glück zuzuführen.
Als Leser dürfen wir nun Dorle begleiten, wie sie als Ersatz
für die sich auf Reise begebende Frau Sonne einspringt, deren Termine wahrnimmt
sowie ihre Freunde trifft. Dorle betätigt sich in Bereichen, die sie so bisher
noch nicht kennengelernt hat. Sie darf in der Abwesenheit von Frau Sonne deren
Wohnung benutzen und erhält zusätzlich einen großzügigen Obulus. Die zunächst
naiv wirkende Dorle zeigt im Laufe der Zeit, dass sie durchaus in der Lage ist,
sich ihre eigene Meinung zu bilden, doch sie zu äußern bleibt schwierig für sie.
Nur durch kurze Andeutungen der Autorin nimmt der Leser
wahr, dass Dorle in ihrer Kindheit Schaden genommen hat. Auf ihre eigene Art
versucht sie sich von diesen Erlebnissen zu distanzieren und bleibt aufmerksam,
um nicht erneut an Körper und Seele verwundet zu werden. Schnell konnte sie mir
sympathisch werden und ich hatte Verständnis für ihr Verhalten. Susann Rehlein schildert
uns ideenreiche Aufgaben, die Frau Sonne an ihren Schützling stellt. An zwei
Stellen, an denen Dorle glaubt an einem Wendepunkt angekommen zu sein, wird der
Erzählfluss von der Autorin unterbrochen, die sich direkt mit einem kurzen
Statement an den Leser wendet. Das fand
ich ungewöhnlich und es hat mir gefallen.
Die Charaktere im Buch, von denen alle bis auf Joe über
reichlichst Lebenserfahrung aufgrund ihres Alters verfügen, sind schrullig und
kontrastreich. Nicht jeder meint es gut mit Dorle, einige handeln gedankenlos,
andere üben konstruktive Kritik mit der die Protagonistin lernen muss, zurecht
zu kommen. Erwähnenswert ist vor allem Frau Schräubchen, die allein schon durch
ihr Äußeres auffällt und ihr Herz auf der Zunge trägt, dabei aber in ihren
Handlungen den Leser überrascht. Die Erzählung entwickelt ihren ganz eigenen
Charme, manchmal möchte man selbst die Protagonistin in den Arm nehmen,
manchmal aber auch wachrütteln und Mut zum Handeln zu sprechen.
„Die erstaunliche Wirkung von Glück“ ist ein Roman, der dazu
auffordert Neues auszuprobieren, sich von den seelischen Verletzungen in der Vergangenheit
zu lösen und Stück für Stück Fähigkeiten zu entdecken, die Freude machen -
nicht nur sich selbst, sondern auch jemand anderem. Ich kann das Buch jedem zum
Lesen empfehlen.