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Titel: Die dunklen Mauern von Willard State
Titel: Die dunklen Mauern von Willard State
Autorin: Ellen Marie Wiseman
Übersetzerin: Sina Hoffmann
Erscheinungsdatum: 09.11.2015
Verlag: Piper Verlag
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar
Ellen Marie Wiseman erzählt in ihrem Roman „Die dunklen
Mauern von Willard State“ die Geschichte von zwei jungen Frauen, die zu
unterschiedlichen Zeiten leben. Clara ist in behüteten Verhältnissen der 1920er
Jahre aufgewachsen, Isabelle hat eine turbulente Jugend in den ersten Jahren
der 1990er erlebt. Soweit sind sie sehr unterschiedlich, doch das Schicksal
lässt Isabelle auf den Lebensweg von Clara aufmerksam werden. Sie ist davon so
bewegt, dass sie ihn weiter verfolgen möchte. Ob sie dabei erfolgreich ist,
erfährt der Leser am Ende des Buchs.
Der Roman beginnt im Jahr 1995. Auf dem Cover ist ein altes
Foto der psychiatrischen Anstalt Willard State Asylum zu sehen. Hier soll die
17jährige Isabelle Stone, genannt Izzy, an der Seite ihrer Pflegemutter Peg, die
die Kuratorin des örtlichen Museums ist, den Inhalt dort lagernder Koffer
ehemaliger Insassen dokumentieren. Seit ihre Mutter vor zehn Jahren ihren Vater
erschossen hat, fühlt Izzy sich zum ersten Mal in einer Pflegefamilie wohl. Sie
beginnt ihr letztes Highschooljahr und wird als neue Mitschülerin von ihren
Klassenkameraden gemobbt. Nicht nur in der Familie, sondern auch in der Schule
ist Izzy um Harmonie bemüht, aber nachdem sie ohne Erlaubnis in den Besitz des
Tagesbuchs der früheren Anstaltsinsassin Clara Cartwright gekommen ist, lassen
deren Erlebnisse sie nicht mehr los. Um mehr über Clara zu erfahren, muss sie
gegen die Weisungen Pegs handeln.
Der Leser begleitet Izzy dabei, wie sie lernt, Ängste zu
überwinden, Freunde zu finden und sich ihnen gegenüber zu öffnen. Sie beginnt,
ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen und weitreichende Entscheidungen selbst
zu treffen. Jede Lüge, sei sie auch nur aus der Not geboren, tut ihr weh, denn
sie weiß, dass sie sich damit die Zuneigung ihrer Pflegeeltern verscherzen
kann. Sie hat ein schweres Trauma in ihrer Kindheit erlitten und versucht durch
physischen Schmerz den psychischen zu überdecken. In ihrer neuen Klasse
begegnet sie einem Mädchen, das genauso verletzt ist wie sie. Doch deren
Verhalten ihren Freunden gegenüber heißt sie nicht gut und gerät dadurch selbst
in den Fokus. Ihr Mut, Stellung zu beziehen, bringt ihr Sympathien und Freunde,
verschärft aber natürlich gleichzeitig den Konflikt. Gleichzeitig beschäftigt
sie sich mit dem Leben von Clara, die in herrschaftlichem Hause aufgewachsen
ist, aber nicht die Freiheit besessen hat, ihren Lebensweg selbst zu bestimmen.
Ihr Vater spielt seine Macht aus, die ihm durch sein Vermögen gegeben ist und
seine Tochter verfügt über keine Möglichkeiten sich einer Einweisung in die
psychiatrische Klinik zu widersetzen.
Auch ich war fasziniert von der fiktiven Story in der realen
Umgebung der Nervenheilanstalt. Dank der guten Recherche der Autorin und der
bildhaften Beschreibung konnte ich mir das Leben von Clara in der Institution
entsprechend vorstellen. Es ist unglaublich und verstörend, welche
Möglichkeiten es gab, gesunde Menschen mit einer Krankheit zu behaften und sie
gegen ihren Willen festzuhalten.
Durch die Beschäftigung mit der Geschichte Claras beginnt
Izzy über ihr eigenes Verhältnis zur Mutter und ihre Versäumnisse in der
Vergangenheit nachzudenken. Erst dadurch beginnt Isabelle sich mit ihrem
eigenen Schicksal mit Herz und Verstand auseinanderzusetzen. Claras Geschichte
lässt sie erkennen, dass es auch für sie trotz des Stigmatas ihrer Herkunft
eine Zukunft geben wird, die bestimmt ist durch ihren Willen, ihren Leistungen
und ihrer Integrität.
Ellen Marie Wiseman schafft es, die beiden Handlungsstränge
gekonnt miteinander zu verknüpfen. Ich war fasziniert von beiden Geschichten
und unglaublich traurig über das Schicksal Claras, das sie sicher tausendfach
mit realen Menschen teilt. Gerne gebe ich dem Buch meine Leseempfehlung.