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Titel: Zum Glück bemerkt mich niemand
Titel: Zum Glück bemerkt mich niemand
Autorin: Liv Marit Weberg
Übersetzer: Hinrich Schmidt-Henkel
Erscheinungstermin: 19.02.2015
Verlag: Sauerländer
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
In ihrem Debütroman „Zum Glück bemerkt mich niemand … dachte
ich“ verarbeitet Liv Marit Weberg das eher selten aufgegriffene Thema
Schüchternheit. Sie bringt ihre eigenen Erfahrungen dabei ein und arbeitet
vorwiegend mit dem Stilmittel der Hyberbel. Bereits der Titel des Buchs
spiegelt sich darin wieder und er wirkt gleichzeitig so sarkastisch wie große
Teile der Erzählung gemeint sind. Das Cover deutet an, dass das Buch sich
vorwiegend an junge Mädchen richtet, aber die Geschichte ist auch interessant
für junge und junggebliebene Erwachsene. Die zartgeblümte Wand als Hintergrund
des Titels passt zum Mauerblümchen das davor steht und sich hinter einem großen
Windrad verbirgt. Genauso ist die Protagonistin Anne Lise, die sich
gelegentlich auch schon mal auf ihre ungewöhnliche Art auf den Boden legt um
sich den Blicken anderer Personen zu entziehen – wie sie selber glaubt.
Anne Lise hat sich nach ihrem Schulabschluss dazu
entschlossen, Entwicklungspolitik zu studieren. Ihre geschiedenen Eltern helfen
ihr dabei, ihre wenigen Besitztümer in einer winzigen Wohnung in der Nähe der
Hochschule von Oslo unterzubringen. Doch am ersten Tag ihres Studiums verirrt
sie sich auf dem Gelände und trifft erst verspätet auf ihre Erstsemestergruppe.
Statt sich vorzustellen, flüchtet Anne Lise. Dabei läuft sie mittenrein in Tore.
Daraus entsteht der Beginn der ersten Beziehung in Anne Lises Leben. Tore,
ebenfalls Student, hat nach ihren aus der Schüchternheit geborenen teils
seltsam anmutenden Regeln zu spielen und es ist klar, dass das nicht gut gehen
kann. Statt zu studieren, igelt sie sich ein. Und plötzlich ist Anne Lise ohne
Studium, ohne Freund im weit von zu Hause entfernten Oslo und auch das Geld
wird knapp. Sie erkennt, dass es Zeit wird zu handeln und sich mit ihrer
Zukunft auseinanderzusetzen. Aber dazu muss sie ihre vielgeliebte kleine
Wohnung verlassen.
Der Leser begleitet Anne Lise auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens
jenseits vom gewohnten Schülerdasein und raus aus dem geborgenen Heim. Sie
liest sehr gern und viel und all ihr Wissen über das, was man als Student zu
erwarten hat und wie man sich verhalten sollte, weiß sie aus Büchern. Denn ihr
Leben in Gesellschaft war bisher geprägt man sehr wenigen Freundschaften und
ihr Umgang mit Gleichaltrigen ist holprig und ungeübt. Doch hier zeigt sich,
wie die Autorin in übersteigerter Form schildert, dass theoretisches Wissen als
Sozialkompetenz nicht ausreicht. Das wahre Leben hält sich nicht an
Richtlinien. In jeder Situation, die nicht nach Anne Lises Vorstellungen
abläuft, gerät sie aus der Fassung und beginnt mit irgendwelchen schon oft
angewendeten Überbrückungstaktiken wie beispielsweise Themenwechsel. Auch über
Freundschaft und Liebe und wie man sich beim Verliebt sein verhält hat sie
gelesen. Ihr erster Auftritt auf diesem Parkett ist nicht überzeugend und zeigt
auf, dass man sich verlieben nicht durch theoretischen Wissen erlernen kann.
Das Handeln von Anne Lise ist erfrischend anders, absolut lustig und oft zu
schräg um real zu sein.
Obwohl den Eltern Anne Lises Schüchternheit und der Umgang
damit durchaus bekannt sein sollte, lassen sie sich auf Nachfragen
bemerkenswert schnell von ihr telefonisch beschwichtigen. Die räumliche
Entfernung kommt Anne Lises sehr entgegen, damit sie so leben kann wie von ihr
gewünscht. Doch irgendwann platzt ihre Seifenblase. Doch auch hier lässt Liv
Marit Weberg ihre Protagonistin in abwegige Situationen laufen und auf Personen
treffen, die zwar Anne Lises Problem erkennen, dieses aber falsch einordnen.
Diese verhält sich zunehmend leider immer naiver.
Die Erzählung ist geprägt von kurzen Kapiteln und
Überschriften die in den Text übergehen. Anne Lise erzählt in der Ich-Form und
nur so kann der Leser an ihren Gedanken an die gelernten, vermeintlich
richtigen Verhaltensweisen und Gefühlswirrungen teilhaben.
Obwohl das Buch sicher eine übertriebene Wirklichkeit
darstellt, habe ich mich köstlich amüsiert. Mir hat das Buch gut gefallen und
ich freue mich darauf die Fortsetzung bald in den Händen zu halten.