Der irische Löwe
Autorin: Annelie Wendeberg
Übersetzer: Jürgen Bürger und Kathrin Bielfeldt
Taschenbuch: 208 Seiten
Erschienen am 12. Mai 2016
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Die Reihe
Band 0.5: Der irische Löwe
Band 1: Teufelsgrinsen (Rezension)
Band 2: Tiefer Fall (Rezension)
Inhalt
London, 1885: Garret ist einer der besten Diebe von St. Giles, einem
der Elendsviertel in London. Mit der Krankenschwester Anna macht der irische
Hüne Bekanntschaft, als er nachts mit einer Schusswunde in ihre Wohnung
einbricht, um sich von ihr versorgen zu lassen. Von da an begegnen sich die
beiden häufiger und Garret beginnt, Anna zu beschützen, die sich für ihre
Patienten in die gefährlichsten Ecken wagt. Auf besonders dünnes Eis bewegt sie
sich, als sie eine Prostituierte versorgt, welcher der Mund aufgeschlitzt
wurde. Anna ist entschlossen, den Hinweisen auf den Täter nachzugehen. Doch
plötzlich ist das Opfer spurlos verschwunden…
Meinung
Eine Sache gleich vorweg: Das Buch „Der irische Löwe“ ist das Prequel
zur Anna Kronberg-Trilogie. Während die Bücher „Teufelsgrinsen“, „Tiefer Fall“
und „Die lange Reise“ eine übergreifende Handlung haben, spielt dieser Teil
vier Jahre vor den Ereignissen. Als großer Fan dieser absolut ungewöhnlichen
Protagonistin habe ich mich sehr gefreut, mehr über ihr Doppelleben vor den mir
schon bekannten, verhängnisvollen Ereignissen zu erfahren.
Die Geschichte wurde gleich zu Beginn interessant, denn die allererste
Begegnung von Anna und Garret wird erzählt. Die Beziehung der beiden zueinander
steht im weiteren Buchverlauf im Fokus und mir haben die beiden zusammen
wirklich sehr gut gefallen. Garret will Anna gern beschützen, muss aber bald
merken, dass es da gar nicht so viel zu beschützen gibt. Oder wägt sich Anna in
falscher Sicherheit und kann ein bisschen muskelbepackte Rückendeckung doch gut
gebrauchen?
Auch Anna selbst lernt man in ihrer Rolle als Krankenschwester in St.
Giles besser kennen. Ihr Doppelleben wird dabei nur kurz angerissen. Als
einzige Krankenschwester weit und breit, die für ihre Arbeit in den meisten
Fällen nicht entlohnt werden will, versorgt sie Schusswunden und Entzündungen,
diagonstiziert die Syphilis, nimmt Abtreibungen vor und manches mehr. Wer sich
bei so etwas leicht ekelt, der sollte besser einen Bogen um das Buch machen,
denn die Autorin nimmt hier kein Blatt vor den Mund und schildert in klaren
Worten die Realität im 19. Jahrhundert.
Auch viele andere Menschen, die in St. Giles leben, lernt man während
der Lektüre besser kennen. Vom Bordellbetreiber bis zur Prostituierten, vom
Besitzer einer Garküche bis zum Straßenjungen ist alles dabei. Die Autorin gibt
dem Leser schonungslose Einblicke in ihr Leben, ihre Gedanken und Gefühle. Die
Kriminalhandlung fügt sich in dieses Setting nahtlos ein. Sie folgt keinem
üblichen Skript, vielmehr stellen nach dem Verschwinden der Prostituierten
verschiedene Personen Nachforschungen an. Diese werden allerdings nicht allzu
intensiv betrieben, weshalb ich mich trotz der begrenzten Möglichkeiten gefreut
hätte, wenn noch mehr Spuren verfolgt worden wären. Auf den letzten Seiten
konnten mich unerwartete Ereignisse noch einmal überraschen.
Fazit
In „Der irische Löwe“ steht Annas Leben als Krankenschwester in St.
Giles und ihre Bekanntschaft mit dem Dieb Garret im Mittelpunkt der Geschichte.
In schonungsloser, klarer Sprache lässt die Autorin das dreckige Elendsviertel
lebendig werden. Das Verschwinden einer Prostituierten sorgt für Spannung, hätte
für mich aber noch stärker thematisiert werden können. Gleichzeitig war ich
neugierig, wie sich das Verhältnis zwischen Anna und Garret entwickeln wird.
Gerne empfehle ich dieses Buch sowohl an Fans der Trilogie weiter als auch an
Leser, die Anna Kronberg noch nicht kennen – lasst euch die Bekanntschaft mit
dieser ungewöhnlichen Frau nicht entgehen!