Die Geschichte der Baltimores
Autor: Joël Dicker
Übersetzer: Andrea Alvermann & Brigitte Große
Hardcover mit Lesebändchen: 512 Seiten
Erschienen am 02. Mai 2016
Verlag: Piper
Inhalt
Im Februar 2012 fährt der Schriftsteller Marcus Goldmann von New York
nach Boca Raton, Florida. Dort hat er sich ein Haus gekauft, in dem er seinen
nächsten Roman verfassen will. Auf der Suche nach einer Idee holt ihn bald die
Vergangenheit ein: Ein Hund läuft ihm zu, von dem sich herausstellt, dass er seiner
Ex-Freundin Alexandra Neville gehört. Diese hat er seit ihrer Trennung vor acht
Jahren nicht mehr gesprochen, inzwischen ist sie eine berührte Sängerin. Ihre
erneute Begegnung bringt Markus dazu, sich an ihre gemeinsame Vergangenheit zu
erinnern, in welcher auch seine beiden Cousins, die Goldmanns aus Baltimore,
eine große Rolle spielten. Die Geschichte der beiden Goldmann-Familien aus
Baltimore und aus Montclaire ist geprägt von Freundschaft und Verbundenheit,
aber auch von Neid, Geheimnissen und einer Katastrophe, die sich acht Jahre
zuvor ereignete…
Meinung
Nachdem mich „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ vor drei Jahren
begeistern konnte, habe ich mich riesig gefreut, dass endlich ein neues Buch
aus der Feder des Autors erschienen ist. Der Protagonist des Buches ist wie bei
Dickers erstem Buch der Schriftsteller Marcus Goldmann. Seit den Ereignissen
rund um Harry Quebert sind vier Jahre vergangen und ich habe mich gefreut, zu
erfahren, wie es Marcus ergangen ist. Weil die Ereignisse des ersten Buches
quasi gar nicht erwähnt werden, kann man „Die Geschichte der Baltimores“ mühelos
auch ohne Vorkenntnisse lesen.
Sehr gut gefallen haben mir die verschiedenen Zeitebenen, auf denen der
Roman spielt. Den Anker bildet die Gegenwartshandlung, in der Marcus zum
Verfassen des nächsten Buches sein Haus in Florida aufsucht und zufällig seine
Ex-Freundin Alexandra trifft. Das wühlt bei ihm viele Erinnerungen auf. Relativ
chronologisch wird der Leser im weiteren Buchverlauf durch die Geschichte der
Baltimores und der Montclaires geführt. Diese beginnt mit Erinnerungen an seine
eigene Jugend. Marcus selbst führte als Goldman aus Montclaire ein typisches
Mittelklasse-Leben und beneidete seinen Cousin Hillel, der in Baltimore im
Luxus schwelgte. Trotz des Neides – oder gerade deswegen? – fühlte sich Marcus
seinem Cousin und dessen Eltern stets verbunden und kam so oft wie möglich zu
Besuch.
Doch das ist nur der Ausgangspunkt der Geschichte. In der Rolle des
gelegentlichen Besuchers beobachtet Marcus das Leben seines Cousins, der einen
neuen Bruder findet, Freundschaften schließt und so manche Dummheit begeht. Der
Leser wird mitgenommen auf eine Reise durch viele Jahre der Erinnerung voller
Höhen und Tiefen, wissend, dass er sich „der Katastrophe“ immer weiter
annähert. Je tiefer Marcus in seine eigenen Erinnerungen vordringt, desto
stärker erkennt man als Leser, dass das Leben der Baltimores nicht durchweg
perfekt ist und er in seiner Rolle als Montclaire nicht automatisch zu einem öden
Leben in zweiter Reihe bestimmt ist. Immer wieder verändern sich Atmosphäre und
Stimmung der Charaktere und es kommen zunehmend Geheimnisse ins Spiel.
Die Reise in die Jugend der Goldmanns wird immer wieder unterbrochen
von einer Rückkehr in die Gegenwart oder auch kurzen Szenen aus der Zeit nach
der Katastrophe. Hier hinterfragt Marcus zunehmend seine subjektive Sicht auf
die Vergangenheit und auch die Rolle der Erwachsenen. Er kommt dabei zu neuen
Erkenntnissen, was ich besonders interessant fand. Dank der geschickten
Konstruktion des Romans konnte ich der Geschichte trotz der Zeitsprünge mühelos
folgen. Meine Neugier, wie es wohl für die Baltimores weitergegangen ist, blieb
trotz zunehmender Hinweise erhalten und wurde durch immer konkrete Vorahnungen
noch verstärkt. Auch wenn das Buch insgesamt gesehen eine Tragödie ist, thematisiert
das Buch viele unterhaltsame Zwischenfälle, Liebesgeschichten und Momente des
Zusammenhalts. Bis zum Schluss, der noch einmal ganz verschiedene Stimmungen einfängt,
fühlte ich mich bestens unterhalten.
Fazit
„Die Geschichte der Baltimores“ bietet alles, was das Leserherz sich
wünscht. Eine vielschichtige Erzählung, interessante Charaktere, die Aufdeckung
von so manchem Geheimnis und eine gelungene Mischung aus traurigen und schönen
Momenten. Habt ihr Lust, euch an der Seite eines fiktiven Schriftstellers auf
eine Reise in seine Erinnerungen zu begeben und erstaunliche Entdeckungen zu
machen, welche die verschiedensten Gefühle auslösen? Dann seid ihr bei diesem
Buch genau richtig!