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Titel: Schweigen ist Goldfisch
Titel: Schweigen ist Goldfisch
Autorin: Annabel Pitcher
Übersetzerin: Susanne Hornfeck
Erscheinungsdatum: 25.05.2016
Verlag: Sauerländer
rezensierte Buchausgabe: Hardcover
Tess ist 15, als eines Tages plötzlich ihre Welt stillsteht.
Im Arbeitszimmer ihres Vaters Jack liest sie durch Zufall einen Post von ihm,
aus dem hervorgeht, dass er nicht ihr leiblicher Vater ist. Vielleicht hat sie
es schon aufgrund ihres eigenen Äußeren geahnt, doch jetzt sieht sie es
bestätigt. Nach dem ersten Schock beginnt bei ihr die Aufarbeitungsphase dieser
Tatsache. Als sie kurze Zeit später wieder einmal von Jack gerügt wird, beschließt
sie zu schweigen und spricht von diesem Moment an nicht mehr. Nicht mehr mit
ihren Eltern, nicht mehr mit ihrer besten Freundin und auch nicht mehr mit
ihren Lehrern. Doch kann ihr Schweigen ihr dabei helfen, ihren leiblichen Vater
zu finden?
„Schweigen ist Goldfisch“ von Annabel Pitcher ist ein Roman
über eine Phase im Leben, die jeder von uns durchläuft, in der die Ablösung von
den Eltern erfolgt und die Findung zu sich selbst. Der Roman ist in der Ich-Form
aus der Sicht der Protagonistin geschrieben und so nimmt der Leser auf direkte
Weise Anteil an der Gefühlswelt von Tess in den Momenten, in denen sie gemobbt
wird. Er bekommt Einblick in die Probleme, die Tess aufgrund ihres kräftigen
Körperbaus mit Hang zum Übergewicht hat. Außerdem ist sie groß, so dass sie
insgesamt auf andere maskulin wirkt und mit entsprechenden Bemerkungen
verspottet wird. Mit inneren Werten kann man in ihrer Altersgruppe weniger
punkten. Doch Tess ist hilfsbereit und eine treue Freundin, allerdings zieht
sie auch Grenzen.
Als sie nun erfährt, dass Jack nicht ihr leiblicher Vater
ist, fällt für sie ein Puzzlestein an seinen Platz. In einer ersten Reaktion
denkt Tess daran, ihr Zuhause zu verlassen und in der Stadt ihr Glück zu
suchen. Sie ist sich ihres jugendlichen Alters aber bewusst, zögert und findet
nicht den richtigen Zeitpunkt für den Absprung. Der Leser ist erleichtert, doch
Tess findet einen anderen Mechanismus um den Kummer ihrer Seele zu verschließen
und daher verstummt sie.
Ich habe mich gefragt, wie es überhaupt so weit kommen
konnte, wieso die Eltern der Protagonistin ihr nicht die Wahrheit gesagt haben
oder warum Tess nicht nach ihrer Erkenntnis zu ihren Eltern geht, um sie damit
zu konfrontieren. Meine Fragen wurden im Laufe des Romans weitestgehend
beantwortet, wobei mir die Rolle der Mutter nur unzureichend dargestellt war.
Der Vater von Tess ist Schauspieler, aber ohne Beschäftigung in diesem Bereich.
Er hat auch keinen qualifizierten Schulabschluss und jobbt jetzt nebenher,
immer noch auf eine große Karriere hoffend. Ihm bleibt genug Zeit, sich um Tess
zu kümmern, die aber lieber alleine klar kommen möchte. Seine eigenen Wünsche
in Bezug auf Freunde und schulischen Erfolg überträgt der Vater auf Tess und
setzt ihr entsprechende Verhaltensregeln. Natürlich rebelliert Tess dagegen.
Von ihren Altersgenossen werden die Regeln ihrer Eltern wahrgenommen und
dadurch sinkt sie noch weiter in deren Ansehen, statt in der Gunst zu steigen
wie Jack hofft. Auf ihre manchmal hilflose Art und Weise wurde mir Tess im
Laufe der Geschichte sympathisch.
Nach außen hin verstummt sie zwar, doch ihr Gedankenkarussell
dreht sich dadurch nur umso schneller. So sucht sie sich etwas mit dem sie
sich, wenn auch nur auf erdachte Weise austauschen kann. Ihre Wahl fällt durch
Zufall auf eine kleine Taschenlampe in Form eines Fischs. Hier ergibt sich der
Bezug zum Titel des Buchs. In der inneren Auseinandersetzung mit diesem
Gegenstand begegnet der Leser einem feinfühligen, intelligenten Mädchen, das nach
Vertrauen und Wahrheit sucht und erkennen muss, dass Schweigen nicht für alle
Probleme eine Lösung bietet und auch Nachteile und Konsequenzen mit sich
bringt.
„Schweigen ist Goldfisch“ ist ein Buch über Elternliebe,
Treue, Freundschaft, Selbstfindung, aber auch geprägt von großen Erwartungen,
Enttäuschungen und Mobbing. Die Idee, sich im Alter von Tess einen Gegenstand
als Ansprechpartner zu wählen ist sicher nicht neu, aber der kleine Fisch in
Form einer Taschenlampe amüsant und geduldig. Gerne empfehle ich dieses Buch an
Jugendliche ab 14 Jahren weiter.