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Sonntag, 21. August 2016

[Rezension Ingrid] Nach einer wahren Geschichte von Delphine de Vigan


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Titel: Nach einer wahren Geschichte
Autorin: Delphine de Vigan
Übersetzerin: Doris Heinemann
Erscheinungsdatum: 17.08.2016
Verlag: Dumont Verlag 
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen

Es ist in der Tat ein meisterliches Verwirrspiel, was mir als Leserin die Französin Delphine de Vigan in ihrem neuen Roman „Nach einer wahren Geschichte“ bietet. Das Cover bringt einen Einstieg in die im Buch beschriebenen Ereignisse. Abgebildet ist in mehreren medaillonartigen Ausschnitten der Kopf einer Frau aus einer halbschrägen rückwärtigen Perspektive. Der Bildausschnitt nimmt Anspielung auf das Cover des letzten Buchs der Autorin, in der sie über den Selbstmord ihrer Mutter geschrieben hat. Dieses Buch war sehr familiär und persönlich. Diese Fakten sind im Internet leicht zu überprüfen. „Nach einer wahren Geschichte“ beginnt wenige Monate nach der Veröffentlichung dieses Romans.

In einem kurzen an ihre Leser gerichteten Vorwort nennt Delphine de Vigan gleich in den ersten Sätzen ihr Problem, das sie in den vergangenen drei Jahren hatte und über das sie hier schreibt: In der Phase der Findung zu einem Thema für dieses neue Buch wurde sie zeitweilig von einer Schreibblockade an der Fortsetzung ihrer Arbeit gehindert. Aus der Retrospektive kann sie auch den Grund dafür benennen. Er liegt in der Beziehung zu einer Frau die sie im Folgenden „L.“ nennt.

Delphine de Vigan lernt L. auf einer Party kennen. Aus der Situation heraus vertraut sie sich ihr mit einem kurzen unangenehmen Wortwechsel mit einer Leserin an, der sich auf der letzten Lesung ereignet und der sie verstört hat. Mit einem unglaublichen Einfühlungsvermögen zeigt L. Verständnis und mitfühlende Worte. In der Folge entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine zunehmend engere Freundschaft, die sogar so weit geht, dass Delphine die ansonsten streng geheimen Überlegungen zu einem neuen Buch mit L. teilt, in dem sie ihrer Fantasie freien Lauf geben möchte. L. widerspricht ihr vehement und besteht darauf, dass Delphine nur mit einem Buch Erfolg haben wird in dem sie weitere real geschehene Ereignisse verarbeiten soll. Delphine ist durch den anhaltenden Widerspruch irritiert, es kommt zu der erwähnten Schreibblockade. L., die als Ghostwriterin für andere Autoren arbeitet, bietet ihr ihre Hilfe an, die sie gerne annimmt. Als Delphine endlich erkennt, dass L. nicht immer in ihrem Sinne arbeitet, plant sie entsprechende Maßnahmen. Doch darauf scheint L. bereits gewartet und sich vorbereitet zu haben.

Was zuerst als Statement für eine besonders enge Freundschaft, geprägt von Empathie und Anteilnahme beginnt, liest sich in der Folge als mit psychologischer Raffinesse gestalteter Thriller. Dadurch, dass die Autorin in der Ich-Form aus der Retrospektive erzählt, ist dem Leser von Beginn an klar, dass sie die Machenschaften L.s aufgedeckt hat und das vorliegende Buch gilt praktisch als Beweis dafür, dass sie ihre Blockade überwunden hat. Doch was bleibt ist die Frage danach, ob der Roman eine Fiktion ist oder den tatsächlichen Prozess des Schreibens abbildet. Hat die Autorin Delphine de Vigan ihre ursprüngliche Vorstellung, als nächstes einen erdachten Roman zu schreiben, hier umgesetzt oder konnte L. sie mit ihrem Wunsch nach einer wahren Geschichte bleibend beeinflussen?

Der Roman beginnt eher behäbig damit, dass Delphine den Beginn ihrer Beziehung zu L. schildert und in vielen Details auf die Gründe eingeht, die sie dazu hatte, sich ihrer neuen Freundin anzuvertrauen. Bereits in dieser Phase weist sie auf besondere Situationen hin, die ihr später seltsam erscheinen. Auch mir als Leser waren diverse Szenen suspekt. L. übernimmt neben der Autorentätigkeit immer mehr Eigenheiten von Delphine. Doch erst dann beginnt die Geschichte beängstigend und vor allem zunehmend spannend zu werden. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, bleibt bei mir schließlich die Frage: Wer ist L.?

Delphine de Vigan treibt mit diesem Roman ein perfides Spiel um Freundschaft, Vertrauen Machtgewinn, aber auch um Vertrauensbruch und Machtmissbrauch im trügerischen Schein zwischen Fiktion und Realität und der Suche nach der Identität von L. Die Idee zu diesem Buch finde ich grandios. Für dieses Lese-Highlight gebe ich gerne eine Leseempfehlung für anspruchsvollere Leser.

Eine weitere Rezension zum Buch "Nach einer wahren Geschichte" findet ihr hier: KLICK!