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Titel: Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen
Titel: Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen
Autorin: Emma Braslavsky
Erscheinungsdatum: 12.09.2016
Verlag: Suhrkamp Verlag (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Mehr Informationen zum Buch (z.B. Trailer, Kurzlesung der Autorin) gibt es auf der Seite www.leben-ist-keine-Art.de, die vom Suhrkamp Verlag eingerichtet wurde.
Mehr Informationen zum Buch (z.B. Trailer, Kurzlesung der Autorin) gibt es auf der Seite www.leben-ist-keine-Art.de, die vom Suhrkamp Verlag eingerichtet wurde.
Als Unterprimanerin habe ich auf die Frage „Was ist der Sinn
des Lebens?“ mit „nach dem Sinn des Lebens zu suchen“ geantwortet. Das hatte
ich vorher irgendwo gelesen und war stolz darüber einen so sinnvollen Beitrag
zum Unterricht geleistet zu haben. Dass die Antwort auf die Frage sich denn
doch nicht ganz so einfach und pauschal abtun lässt, zeigt Emma Braslavsky mit
ihrem Roman „Leben ist keine Art mit einem Tier umzugehen“. Ihre Protagonisten
sind auf der Suche nach dem Lebenssinn, nach einer besseren Welt und nach sich
selbst. Tiere sind nicht nur im Titel enthalten, sondern finden in vielfältiger
Form Eingang in diesen Roman, beispielsweise als Kosewort, verkleideten
Akteuren, Redewendungen oder auch wenn einer der Protagonist eine Annäherung
zwischen Tier und Mensch durch die Nutzung von aufblasbaren Einhorn-Hörnern
vorschlägt, die so wie die Installation auf dem Cover sie trägt, überzustülpen
sind.
In mehreren Erzählsträngen, die mehr oder weniger zufällig
am Ende zusammenlaufen, finden sich
Suchende jeglicher Couleur. Da ist einerseits ein in Berlin lebendes
Pärchen. Jivan Haffner Fernandez, Mitte 40, kommt aus reichem Haus und muss
sich schon wegen seines Erbes keine Sorgen um seine finanzielle Zukunft machen,
wäre da nicht die eine einzige klitzekleine Bedingung die sein Vater daran
geknüpft hat. Woher die Familie vor langer Zeit das Fundament zum heutigen
Vermögen erworben hat, will man als Leser lieber nicht so genau wissen. Leider
hält Jivan sich nicht nur selbst für unwiderstehlich, sondern auch das Online-Pokerspiel.
Durch seinen Beruf als Bunkerarchitekt ist er nicht eben ausgelastet und hat so
jede Menge Zeit mit seinen Ideen seine Frau Jo dabei zu unterstützen, auf der
Karriereleiter bei einem Unternehmen, das sich für eine bessere Umwelt
einsetzt, hochzuklettern. Jo lebt sehr gut auf Kosten ihres Mannes. Die
Beziehung der beiden funktioniert fast
nur noch auf sexueller Ebene. Um ihre Ansprüche durchzusetzen, geizt Jo
selten mit ihren Reizen. Doch die Verfolgung ihrer Karriere verbunden mit dem
festen Willen die Welt zu verbessern neigt ihre Seite der Beziehungswaage immer
mehr.
Andererseits befindet sich die erst 19 Jahre alte Spanierin
Roana auf einer väterlich verordneten Suche. In der Einsamkeit einer
Vulkanlandschaft Argentiniens soll in ihr der Wunsch entstehen, in das
Bauunternehmen ihres Vaters einzusteigen. Niemand kann es ihr verdenken, dass
sie sich aus Langeweile stattdessen nach Buenos Aires begibt, um dort den Weg
zu finden, der sie zu höherem bestimmt. Auf diesem Weg begegnet sie menschlichen
Gorillas, Kabbalisten und den Schriften von Borges. Ihrem jugendlichen Alter
sei es geschuldet, dass sie ihr Fähnchen hauptsächlich danach ausrichtet, wer
ihr einen Schlafplatz und Essen gibt.
Die Erzählung springt zwischen diesen beiden Handlungen und
wird unterbrochen durch aktuelle Neuigkeiten aus aller Welt, die auf dem Blog
N-Global bekannt gemacht werden und sich schließlich immer mehr auf eine neue,
aus dem Meer aufgestiegene Insel mit vermuteten, beachtlichen Rohstoffvorkommen
konzentrieren, die Staaten und Organisationen gerne für sich requirieren
würden. Immer wieder begegnet der Leser auch Noah Hoffmann, der gemeinsam mit
seiner Freundin Jule aus dem Alltag ausgestiegen ist und nun sein Leben in
einer paradiesischen Bucht frönt, auch wenn schon mal ein Schatten darüber
fällt. Und dann gibt es noch ein paar Kapitel in denen man sich beim Lesen
einfach dem niedergeschriebenen Gedankengang hingeben kann wenn beispielsweise
ein Haar auf seine Reise geht.
Die Autorin glänzt in diesem Roman mit lebendigen Ideen,
humorvoll und kurios. In einer geschliffenen Sprache gibt sie dem Leser
Denkanstöße zu Umweltschutz, Weltanschauungen, alternativen Lebensweisen und
vielem mehr. In den Erzählabschnitten mit Jivan als Protagonisten übernimmt ein
allwissender Erzähler die Schilderung der Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge.
Dennoch liest man, durch kursive Schrift hervorgehoben, die Gedanken Jivans,
oft auch als seine Reaktion auf den vorigen Text. Auf diese Weise rechtfertigt
er häufig sein Tun, manchmal fühlt man aber auch seinen Kampf mit den inneren
Dämonen, die aus seiner Erziehung heraus seinen Charakter geformt haben und gegen
die er nun nicht anzukommen weiß, auch wenn er das auch eigentlich gar nicht
will.
Roana dagegen erzählt in der Ich-Form, wodurch der Leser,
den sie als ihren Verbündeten anspricht, ihrer Gedanken- und Gefühlswelt sehr
nahe kommt. Sie erzählt aus der Gegenwart heraus im Rückblick auf die letzten
Wochen und Monate. Sie ist also bereits da, wo der Leser erst am Ende des Buchs
sein wird. Ihr Ziel ist es, sich den Respekt ihres Vaters zu verdienen. Sie
trägt ihr Herz auf der Zunge und spricht eine unter jungen Leuten übliche Alltagssprache.
Bewundernswert fand ich ihren Mut sich gegen die Wünsche ihres Vaters
aufzulehnen, sich tief sinken zu lassen, das Gemeinwohl zu schätzen und sich in
dessen Dienst zu stellen, wenn auch nicht uneigennützig. Von Beginn an weiß
man, dass sie schwanger ist und nicht nur der Leser stellt sich die Frage nach
dem Vater.
Emma Braslavsky zielt mit kleinen wohl dosierten Spitzen
gegen Weltverbesserer, Sinnsuchende, Forscher und Politiker. Es ist spannend nachzuvollziehen,
inwieweit die von ihr genannten Entwicklungen auf verschiedenen Gebieten dem
tatsächlichen heutigen und dem zukünftig möglichem Stand der Dinge entsprechen.
Welchen Weg der Einzelne gehen möchte, muss letztendlich jeder selbst bestimmen.
„Leben ist keine Art
mit einem Tier umzugehen“ ist ein amüsanter, kreativer, abenteuerlicher,
wunderbar köstlicher Lesegenuss, dem ich meine besten Empfehlungen gebe.