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Titel: Die Nachtigall
Titel: Die Nachtigall
Autorin: Kristin Hannah
Übersetzerin: Karolina Fell
Erscheinungstermin: 19.09.2016
Verlag: Rütten und Loening (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Zwar beginnt das Buch „Die Nachtigall“ von Kristin Hannah im
Jahr 1995 in Oregon/USA, doch die Handlung des Romans spielt zum größten Teil
kurz vor und während des zweiten Weltkriegs in Frankreich. Es ist die
Geschichte zweier Schwestern, Vianne und Isabelle Rossignol. Der Nachname bedeutet
übersetzt „Nachtigall“ und hat dem Buch einerseits den Titel gegeben,
andererseits ist er der Spitzname für Isabelle in ihrer Rolle als Fluchthelferin
im Zweiten Weltkrieg. In kurzen Zwischenkapiteln, die im Jahr 1995 spielen, erzählt
die Autorin dem interessierten Leser, was die Familienmitglieder in den Jahren
nach dem Krieg erlebt haben.
Zwischen den Schwestern gibt es einen Altersunterschied von
10 Jahren. Isabelle war erst fünf Jahre alt, als ihre Mutter starb. Vianne hat
sich schon sehr früh in einen Mann verliebt, den sie später auch heiratete. Ihr
Vater ist ein Buchhändler in Paris und an der Erziehung seiner Kinder völlig
desinteressiert. Doch auch Vianne ist überfordert damit, sich um ihre kleine
Schwester zu kümmern, die daher überwiegend im Internat aufwächst. Sie
widersetzt sich immer wieder den Regeln des Schullebens und wechselt daher
häufiger ihren Aufenthaltsort. Als der Krieg beginnt, wird der Ehemann von
Vianne eingezogen, der kleine Ort in Frankreich von den Deutschen besetzt und
ein Hauptmann der Wehrmacht wird bei ihr einquartiert. Isabelle ist zu dieser
Zeit wieder einmal von der Schule verwiesen worden. Als die Lage sich immer mehr
zuspitzt, wird sie ihrer Rebellenrolle weiter dadurch gerecht, dass sie sich
dem Widerstand anschließt, auch gegen den Willen des Mannes den sie bei der
Résistance kennengelernt hat. Gibt es für die Liebe der beiden eine Zukunft und
wird Vianne nach dem Krieg weiter ein Leben an der Seite ihres Ehemanns führen
können?
Vor allem Isabelle wurde in ihrer Kindheit nicht mit Liebe
verwöhnt. Nach dem Tod der Mutter ist der Vater hilflos mit den Kindern
überfordert und Vianne steckt als Jugendliche in der Selbstfindungsphase. Eine
Heimat findet sie auf diese Weise nicht und Vertrauen aufzubauen, ist auch schwierig.
Ohne Schulabschluss sucht sie nach einer Tätigkeit, die ihr Anerkennung bringen
kann, mit dem Ziel sowohl ihrem Vater wie auch ihrer Schwester zu beweisen,
dass sie nützlich ist und den Respekt der beiden verdient hat. Die Tätigkeit
für die Widerstandsgruppe ist ihr eigener Kampf dafür, als erwachsen zu gelten
und selbstbestimmt leben zu dürfen obwohl sie noch minderjährig ist.
„Die Nachtigall“ ist eine sehr emotional ergreifende Geschichte. Vor
dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs erzählt Kristin Hannah das Schicksal von
Vianne und Isabell stellvertretend für so viele Frauen, die zu Hause auf ihre
Lieben gewartet haben, die ihren Kriegsdienst abzuleisten hatten. Sie
versuchten den Alltag weiterzuleben wie bisher, doch die ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln wurden immer weiter beschränkt von der deutschen Wehrmacht,
die im Laufe der Zeit selbst in kleinsten Dörfern Einzug hielt.
Die Autorin hat die historischen Daten zum Roman gut
recherchiert. Doch ihr Fokus bleibt auf den beiden Frauen, sie nutzt leider nicht
die Möglichkeit der Geschichte von Randfiguren wie Rachel, der jüdischen
Freundin von Vianne, eine größere Bedeutung zu geben. Für mich blieb
beispielweise fraglich, womit Rachel und ihre Kinder in den Kriegstagen ihren
Hunger gestillt haben. Auch einige andere Stellen waren ein wenig verschwommen
dargestellt. In gewissen Situationen reagierten sowohl Vianne und Isabelle sehr
impulsiv. Ich hätte den beiden an manchen Stellen aus ihrer Erfahrung heraus
ein besonneneres Vorgehen zugestanden. Nichtsdestotrotz konnte mich der Roman
in seinen Bann ziehen. Dabei schweiften meine Gedanken auch zu meiner
Großmutter im Westen Deutschlands, die mit ihren sieben Kindern auf ihren Mann,
der als Soldat eingezogen wurde, gewartet hat um schließlich zu erfahren, dass
er im Kampf gestorben ist und mit den Kindern in die Evakuierung im Osten zu
ziehen. Ob sie in diesen Tagen dennoch ein besseres Leben führen konnte als
Vianne? Ich konnte sie niemals fragen, weil sie einige Jahre nach dem Krieg an
den Folgen der Geschehnisse verstorben ist.
Obwohl ihr Roman sehr gefühlvoll geschrieben ist, wertet
Kristin Hannah nicht über gute oder schlechte Eigenschaften der deutschen
Besatzer. So neutral wie möglich schafft sie es, die Unterdrückung der Franzosen
darzustellen und gesteht dennoch den Deutschen Menschlichkeit zu, die sich
ihrer ausführenden Rolle als Befehlsempfänger bewusst sind.
Kristin Hannah gibt den französischen Frauen, die ihren
Dienst für das Vaterland im Zweiten Weltkrieg auf ihre ganz eigene Weise geleistet haben mit diesem
Roman ein Gesicht. Ihre Schilderung machte mich zunehmend betroffen und wird
sicher noch sehr lange nachwirken. Das Buch ist definitiv eine Leseempfehlung!
Wunsch nach einer zweiten Meinung? Hier geht es zur Rezension von Hanna: KLICK!