*Werbung*
Elefant
Elefant
Autor: Martin Suter
Hardcover Leinen: 352 Seiten (rezensierte Ausgabe: TB-Leseexemplar)
Erschienen am 18. Januar 2017
Verlag: Diogenes
Inhalt
Eines Tages entdeckt der obdachlose Alkoholiker Schoch in seiner
Schlafhöhle am Fluss einen kleinen rosaroten Elefanten, der im Dunkeln
leuchtet. Ob er besser mit dem Trinken aufhören sollte? Doch am nächsten Tag
ist der Elefant immer noch da. Er ist keine Halluzination, sondern das Projekt
von Dr. Roux, der mit seiner außergewöhnlichen Forschungen zur Genmanipulation
auf wissenschaftlichen und kommerziellen Erfolg hofft. Doch nicht alle
Mitwisser teilen seine Vorstellung. Sollte dieses besondere Lebewesen nicht
verehrt und versteckt werden, statt als Forschungsobjekt im Labor zu landen?
Der kleine Elefant wirbelt das Leben der freiwillig und unfreiwillig
Involvierten gehörig durcheinander und lässt sie große Entscheidungen treffen.
Meinung
Der rosa Elefant auf dem Buchcover weckte schnell meine Neugier. Was
passiert wohl, wenn Menschen unverhofft auf so einen außergewöhnlichen, ganz
und gar lebendigen Elefanten treffen? Gleich zu Beginn lernt der Leser den
Obdachlosen Schoch kennen. Er hält seine Sichtung des Elefanten für eine
Sinnestäuschung und folgt erst einmal seiner täglichen Routine, bevor er merkt,
dass es sich um ein echtes Lebewesen handelt.
Der Autor gibt authentische Einblicke in das Leben des
alkoholabhängigen Obdachlosen. Eindringlich beschreibt er die tägliche, immer
gleiche Gedankenspirale, woher man etwas zu essen bekommt, wo und mit wem man
sich zum Trinken trifft bis hin zu einem Tagesabschluss, der im Rausch zu einer
verschwommenen, kaum greifbaren Erinnerung wird. Doch der kleine Elefant gibt
Schoch eine neue Aufgabe. Sein Versuch, ihm zu helfen, gibt ihm Verantwortung
und zwingt zum Umdenken. Ob er dem kleinen Lebewesen zugunsten mit seiner
Routine brechen kann? Dank ausführlicher Einblicke in seine Gedankenwelt konnte
ich sein Handeln nachvollziehen und erwartete mit Spannung seine nächsten
Schritte.
Parallel zum Fund des Elefanten durch Schoch wird erzählt, wie es
überhaupt zu dessen Existenz kam. Hier hat der Autor ausführlich recherchiert
und gibt umfassende Einblicke in die zahlreichen Schritte der Genmanipulation.
Sogenannte Glowing Animals sind heute schon Realität und Gegenstand
kontroverser Diskussionen. Dr. Roux geht insofern „nur“ einen Schritt weiter,
als dass er mit dem Elefanten ein Tier wählt, das aufgrund seiner langen
Fortpflanzungszyklen bisher eine untergeordnete Rolle in der Genmanipulation
spielt und verschiedene angestrebte Eigenschaften kombiniert. Wer bislang
nichts über die Befruchtung, das Austragen, die Geburt und die Aufzucht eines genmanipulierten
Elefanten wusste, dem sei versprochen, dass sich das durch die Lektüre ändern
wird.
Das Buch hat eine klare, präzise Sprache und trotz einiger Zeitsprünge
konnte ich der Handlung mühelos folgen. Die Fortpflanzung in der Elefantenwelt
braucht seine Zeit, und so streckt sich das Buch über einen längeren Zeitraum
und hält bis auf wenige hektische Momente sein ruhiges Tempo vom Anfang bis zum
Ende. Die Szenen, in denen der kleine Elefant umsorgt wird und seine Schritte
in der großen Welt macht, haben einen echten Niedlichkeitsfaktor. Dieser stimmt
umso nachdenklicher in Bezug auf die Frage, ob es so etwas wirklich geben
sollte. Dr. Roux entwickelt sich zunehmend zum tragisch-komischen Charakter,
sodass die Meinung des Autors zu dieser Frage nicht verborgen bleibt.
Auch wenn die nützlichen Aspekte der Genmanipulation zwischendurch kurz
angerissen werden, ist das Geschehen im Buch so speziell, dass ein eher
einseitiger Blick auf das Thema geboten wird. Ich hätte mir zudem noch ein mehr
Konfrontation gewünscht. Die konträren Parteien sind leider die meiste Zeit darauf
bedacht, nicht miteinander zu sprechen. Gerne hätte ich zum Beispiel erlebt,
wie Dr. Roux seine Haltung gegenüber jemandem vertritt, der das Tier als heilig
verehrt. Das Ende konnte mich schließlich mit seiner Originalität in Bezug auf
das Schicksal der menschlichen Beteiligten und dem von mir schon früh
erwarteten Schicksal des Elefanten zufriedenstellen.
Fazit
Ein Elefant ist ein Elefant, auch wenn er aufgrund einer
Wachstumsstörung winzig ist, außerdem rosa und im Dunkeln leuchtend. Ein Tier
also, das sich bedächtig und mit Anmut bewegt und dem man mit einer gewissen
Ehrfurcht begegnet. So las sich auch das Buch, welches in ruhigem Tempo das
höchst aktuelle Thema der Genmanipulation aufgreift und ganz unterschiedliche
Menschen und ihre Einstellungen auf das Elefäntchen treffen lässt. Umfassende
und authentische Einblicke in die Welt der Elefanten und der Obdachlosigkeit
runden das Buch gelungen ab. Ein Buch für alle, die sich fragen, was in der
Welt der Gene möglich ist und ob es auch umgesetzt werden sollte.