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Titel: Schlafen werden wir später
Titel: Schlafen werden wir später
Autorin: Zsuzsa Bánk
Erscheinungsdatum: 23.02.2017
Verlag: S.Fischer (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen (Leseexemplar)
„Schlafen werden wir später“ von Zsuzsa Bánk ist ein
Briefroman in moderner Form. Johanna und Mártha sind Freundinnen seit
Kindertagen und schreiben einander E-Mails über das, was sie gerade bewegt. Sie
schreiben einander auch Briefe und Postkarten, telefonieren miteinander und besuchen
sich gegenseitig. Doch es sind die E-Mails die ihnen den Platz einräumen, ihre
Gedanken zu ordnen, der anderen ihre Gefühle begreifbar zu machen, Vergessenes
zu erfassen, Ungesagtes zu äußern und zu kurz Gekommenes zu ergänzen. Sie
ermöglichen eine schnelle Reaktion auf eine erhaltene E-Mail, nehmen Platz ein
für ein nicht stattgefundenes Telefonat und erlauben eine wohldurchdachte
Antwort auch nach mehreren Tagen. Selbst wenn in der Hektik des Alltags die
Möglichkeit zum erholsamen Schlafen fehlt, sind meistens ein paar schnelle Zeilen
an die Freundin rasch geschrieben, egal zu welcher Tageszeit.
Johanna und Mártha sind beide 42 Jahre alt. Johanna ist
Lehrerin und wohnt in einem Haus im Schwarzwald. Sie hat sich vor nicht allzu
langer Zeit von ihrem Freund Markus getrennt und eine schwere Krankheit
überstanden. Außerdem schreibt sie an ihrer Doktorarbeit über die
Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff steht, deren Werke sie bewundert. Ihre
Eltern sind früh verstorben, doch ihre Gedanken verweilen häufig bei ihnen und
ihren besonderen Charakteren.
Mártha ist Autorin und hat bisher zwei Lyrikbände
geschrieben. Sie arbeitet an einem Buch mit Erzählungen, wenn ihre Zeit als
dreifache Mutter es erlaubt. Mit ihrem Mann Simon und den Kindern lebt sie in
Frankfurt am Main in einer Erdgeschosswohnung. Wenn sie zu Lesungsterminen
fährt kümmert sich oft eine alte Freundin der Familie oder ihre aus Ungarn
stammenden Eltern um die Kinder. Ihr großer Wunsch ist es, von ihrer Arbeit
ohne Not leben zu können.
Durch diese besondere Form des Romans hat der Leser es mit
zwei Ich-Erzählerinnen zu tun. Die Gedanken beider Protagonistinnen liegen also
offen vor ihm. Es sind nicht die großen weltpolitischen Ereignisse über die die
beiden Frauen schreiben, sondern das ganz normale Leben und die Zwänge des
Alltags. Beide sind in Frankfurt-Höchst aufgewachsen und immer füreinander da
gewesen. Sie kennen einander so gut, dass ihre Unterhaltungen ganz tief gehen.
Sie scheuen sich nicht den anderen zu kritisieren, ihren Ärger übereinander zu
benennen oder ihre Enttäuschung. Sie nutzen die Möglichkeit, um sich zu
beschweren und ihre Gefühle, die sie in bestimmten Situationen empfinden, von
der Freundin bestätigen oder korrigieren zu lassen. Sie verzeihen einander und lassen
sich auch gerne von der anderen ermutigen oder loben. Sie sprechen sich wie zu
Kinderzeiten mit Kosenamen an und genießen dadurch die Erinnerung gemeinsamer wohliger
Vergangenheit, sie streicheln sich mit Worten und verschenken ihre
Aufmerksamkeit um der Freundin Halt und Wärme zu geben.
Zsuzsa Bánk schreibt ohne Kapiteleinteilung und lässt die
Freundinnen immer im Wechsel mailen. Nicht jeder Tag wird verschriftlicht, denn
dazwischen erfolgen Telefonate, Briefe und Besuche auf die die folgenden Mails
dann eingehen. In manchen E-Mails sind die Sätze nicht ausformuliert, sondern
eine Aneinanderreihung von Worten die direkt aus dem Gedankenkarussell des
Alltags kommen und ungefiltert in den Text fließen. Der Roman beginnt im März
2009 und endet im Juni 2012. Natürlich ist es interessant zu verfolgen, ob
Mártha in dieser Zeit ihre Erzählungen fertig stellen und Johanna ihre
Doktorarbeit beenden wird. Aber was
diesen Roman so besonders macht ist die Ehrlichkeit. Beide Charaktere sind
aus dem Leben gegriffen und so, dass sie jedem schon einmal begegnet sind oder
man sich in ihnen selbst erkennt. Sie wirken authentisch und ich denke, dass viele
eigene Erfahrungen der Autorin in sie hinein geflossen sind. Ich habe mich
immer tiefer in den Text hineingelesen und war stellenweise sehr berührt von
den realistisch eingefangenen Stimmungsbildern des Alltags.
„Schlafen können wir später“ ist ein wunderbarer Roman über
Freundschaft, Selbstverwirklichung, Zusammenhalt und Neufindung, der mich am
Ende mit Wärme im Herzen zurücklässt und den ich gerne an empathische Leser
weiterempfehle.