Am 11. März 2017 wurde zum 8. Mal der Debütpreis der lit.cologne
in Köln vergeben. Das Event wurde im Vorfeld schon von dem kleineren Depot 2 im
Schauspielhaus in das etwa 300 Personen fassende Depot 1 verlegt und war
ausverkauft. Die vorher als „Silberschweinpreis“ bekannte Auszeichnung ist den
Verantwortlichen nach „Erwachsen geworden“ und trägt nun den schlichteren Titel
Debütpreis, wird aber weiter im silbernen Schwein überreicht. Als Sponsor für
den mit EUR 2.222,- dotierten Preis fungierte auch diesmal wieder die
RheinEnergie.
Mein Mann und ich waren schon um kurz vor 19 Uhr vor Ort und
haben uns vor Beginn der Verleihung mit einem Getränk und einem Brezen gestärkt.
Während der Wartezeit auf den Einlass wurden die Stimmzettel für die Wahl zum
Debütpreis verteilt. Nachdem sich die Türen für das Publikum gegen 19.15 Uhr öffneten,
suchten wir uns angenehme Plätze in Reihe 6 ziemlich mittig. Die Veranstaltung begann
mit wenigen Minuten Verspätung mit der Begrüßung durch Eva vom
Organisationsteam der lit.cologne.
Bereits zum 6. Mal moderierte die Schweizer
Reisejournalistin und Dokumentarfilmerin Monika Schärer den Abend. Kurz
erklärte sie den Zuhörern den Ablauf, der je nominiertem Autor eine Lesung, ein
Gespräch mit ihr und den anschließenden Freundschaftsdienst vorsieht, wobei jeder
Teil ca. zehn Minuten dauert. Nach einer Auslosung der Reihenfolge stand fest,
dass Takis Würger beginnen würde.
Monika Schärer (2.von re.) stellt die Nominierten vor: Fatma Aydemir (li.), Tijan Sila (2.v.li) und Takis Würger (re) |
Zunächst las der Autor den Beginn seines Buchs „Der Club“, das
im Verlag Kein & Aber erschienen ist, den ich auch schon als Leseprobe aus
dem Internet kannte. Inzwischen habe ich das Buch gelesen. Meine Rezension dazu könnt ihr hier nachlesen KLICK! Der Roman wurde für den Debütpreis nominiert, weil er fesselnd,
spannend und hintergründig ist. Es geht ums Boxen, es geht auch um
Selbstfindung und der Autor setzt die Themen konsequent und mitreißend um. Im
Anschluss an seine Lesung erzählte Takis Würger der Moderatorin, dass er eine
Auszeit dazu genutzt hat, ein Jahr in Cambridge zu verbringen und dort zu
boxen. Cambridge war für ihn faszinierend und erschreckend, vor allem weil er
dort viele 18-jährige getroffen hat, für die alles möglich war. Beispielsweise
erfolgten sofortige Barzahlungen als Wiedergutmachung wenn in ihren Exzessen
Dinge kaputt gingen. Der Autor ist Spiegelreporter, doch sein Buch wäre als
Reportage nicht möglich gewesen. Seine Figuren sind sämtliche fiktional, doch
in sie sind seine Erlebnisse eingeflossen.
Takis Würger bei seiner Lesung |
Den Freundschaftsdienst für Takis Würger übernahm seine
Mutter Johanna K. Sie ist gegen Bienen allergisch und aus einem Wald im Norden.
Mit diesen Eigenschaften findet sie sich im Roman ihres Sohnes wieder. Von
Beginn an war sie mit der Entstehung des Romans verbunden, denn der Autor hat
viel auf ihre Meinung gegeben. Mit der Zeit entwickelte sich die Geschichte
weiter und so konnte sie miterleben wie die Erzählung immer runder und voller
wurde. Ihre Worte waren warmherzig und man spürte die Liebe zu ihrem Sohn und
seinem Werk. Zum Schluss verriet sie den Zuhörern, dass ihr Sohn das Buch seiner
Freundin gewidmet hat, diese Liebe aber verloren gegangen ist. Monika Schärer
bezeichnete ihren Dienst denn auch als „Liebesdienst“ statt „Freundschaftsdienst“.
Sie trug ihren Part charmant, bewegt, informativ und durchzogen mit einigen
erheiternden Momenten vor.
Monika Schärer (li) und Takis Würger (Mitte) lauschen Johanna K. (re, Mutter von Takis Würger) bei ihrem Freundschaftsdienst |
Als nächstes war nun Tijan Sila an der Reihe. Ihm war die
Reihenfolge des Ablaufs vorher nicht bekannt und er hatte angenommen, dass der
Freundschaftsdienst als erstes stehen würde. Daher lernten wir noch vor der
Lesung seinen Freund und gleichzeitig Lektor seines Buchs „Tierchen Unlimited“
kennen. Hannes Ulbrich war zwei Jahre Volontär im Lektorat von Kiepenheuer
& Witsch bei dem der Roman auch verlegt wird. Er hat gleich beim Lesen des
Manuskripts bemerkt, welches Potential darin steckt. Amüsiert hat er sich über
das beiliegende verwackelte Foto des Autors mit Katze auf der Schulter. Er
erzählte weiter, wie er erfolgreich die Umsetzung des Manuskripts zum Buch
begleitete. In seinen Worten spürte man den Stolz auf seine Entdeckung und die
Freude über die neugewonnene Freundschaft zu Tijan Sila.
Monika Schärer (li) und Tijan Sila (Mitte) schauen Hannes Ulbrich (re) bei seinem Freundschaftsdienst zu |
Monika Schärer nannte als Erklärung nach erfolgter Lesung,
im anschließenden Gespräch mit dem Autor die Begründung des Auswahlgremiums. „Tierchen
Unlimited“ wurde für den Debütpreis nominiert, weil es den Lesern den
bosnischen Bürgerkrieg und den anschließenden Neuanfang vor Augen führt. Es ist
frech, witzig und eindringlich geschrieben. Ich konnte mir selber schon eine
Meinung zum Buch bilden. Meine Rezension zum Buch findet ihr hier: KLICK! Tijan
Sila kam mit 13 aus Bosnien nach Deutschland und arbeitet heute als Lehrer an
einer berufsbildenden Schule. Beim Lesen des Romans habe ich mich oft gefragt,
ob alles Fiktion ist oder ob der Autor einiges selbst erlebt hat. Für seine
Lesung in Köln wählte er die Beschreibung seiner Flucht durch einen Tunnel und
die Busfahrt Richtung Deutschland. Es überraschte mich als er erklärte, dass
genau die Umstände dieser Flucht der einzige Teil seiner Geschichte ist, die
der Wahrheit entspricht! Die Flucht sieht er als die „Geburt“ seiner namenlosen
Figur und in Bezug dazu steht auch der Titel. Die Menschen im Krieg und auf der
Flucht befriedigen ihre Bedürfnisse wie Tierchen. Weitere Themen die seinen
Roman wie in Kreisen durchziehen sind Brüder mit nationalsozialistischer
Neigung und Lügen.
Monika Schärer (li.) im Gespräch mit Tijan Sila |
Als letzte der drei nominierten Autoren kam Fatma Aydemir
auf die Bühne. Ihr Roman „Ellbogen“ ist im Hanser Verlag erschienen und in der
Ich-Form geschrieben. So schlüpfte die Autorin beim Vorlesen in die Rolle ihrer
18-jährigen Protagonistin Hazal. Sie las den für den weiteren Hergang wichtigen
Part vor bevor es zur unfassbaren Tat von Hazal und ihren Freundinnen kommt. Im
anschließenden Gespräch erklärte Monika Schärer, dass der Roman nominiert
wurde, weil der Coming-of-Age-Roman rasant und mitfühlend geschrieben ist und
sowohl das Aufwachsen eines Mädchens mit Migrationshintergrund in Deutschland
als auch deren Flucht in die vertraute Fremde behandelt. Ich konnte das Buch
bereits lesen und meine Rezension dazu findet ihr hier KLICK!
Fatma Aydemir, die als Journalistin für die taz in Berlin
arbeitet, erklärte im anschließenden Gespräch mit der Moderatorin, dass ihre
Geschichte komplett erfunden ist. Doch einige Gemeinsamkeiten mit ihrer
Protagonistin gibt es, denn auch ihre Eltern stammen aus der Türkei, sie liebt
R&B Musik und auch in ihr ist jede Menge Wut.
Monika Schärer (li.) im Gespräch mit Fatma Aydemir |
Für ihren Freundschaftsdienst
hat sie sich ihren sehr guten alten Freund, den Künstler BASKE ausgesucht, der
für seine Graffitiarbeiten bekannt ist. Links von der Bühne war von Beginn an
eine schwarze Wand aufgebaut und nun erfuhren wir auch warum. Statt zu
beschreiben, was passierte zeige ich euch das ganze einfach auf den folgenden
Fotos:
Der Graffitikünstler (Buddy) Baske bei seiner Performance auf dem untersten Bild links Fatma Aydemir |
Stark! Doch dann war es auch schon Zeit, die Stimmzettel
auszufüllen und nach deren Einsammeln gab es eine viertelstündige Pause.
Danach bat die Moderatorin nochmal alle Nominierten auf die
Bühne. Frau Thelen als Vertreterin des Sponsors Rheinenergie würde nun die
Siegerehrung vornehmen. Nach einem kurzen Moment der Spannung wurde Takis
Würger mit „Der Club“ als Sieger verkündet! Frau Thelen überreichte ihm das gut
gefüllte Silberschwein. Fatma Aydemir und Tijan Sila gingen aber auch nicht
ganz leer aus, für ihre Nominierung erhielten sie ebenfalls ein Präsent von
Frau Thelen überreicht.
v.l.n.r. Frau Thelen/RheinEnergie, Monika Schärer, Fatma Aydemir, Tijan Sila, Takis Würger |
Frau Thelen überreicht Takis Würger das Silberschwein |
Herzlichen Glückwunsch an den Gewinner und viel Erfolg für
ihre Debütromane auch an Fatma Aydemir und Tijan Sila!
alle Mitwirkenden auf einem Bild: v.l.n.r. Fatma Aydemir, BASKE, Tijan Sila, Hannes Ulbrich, Johanna K., Takis Würger, Monika Schärer, Frau Thelen/Rheinenergie |
Ich freue mich schon auf das nächste Jahr wenn zum 9. Mal
der Debütpreis der lit.cologne vergeben wird.
Eure Ingrid