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Titel: Luana
Titel: Luana
Autorin: Luiza Sauma
Übersetzerin: Mayela Gerhardt
Erscheinungsdatum: 17.02.2017
Verlag: Hoffmann & Campe (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen)
Ein Brief aus Brasilien löst bei André Caraval, Mitte 40 und
Allgemeinmediziner in London, Erinnerungen an seine Jugend in Rio de Janeiro
aus. Doch bereits seit Monaten träumt er von der Absenderin Luana, dem früheren
Dienstmädchen der Familie. In seinen Träumen ist sie für ihn unerreichbar.
Im gleichnamigen Roman konfrontiert Luiza Sauma gleich zu
Beginn den Leser damit, dass André etwas in seinem Inneren ganz tief verborgen
hat. Der Brief bringt Gefühle in ihm an einen langen heißen brasilianischen
Sommer an die Oberfläche. Es war 1985 kurz nach dem Tod seiner Mutter und das
Jahr in dem er seinen schulischen Abschluss gemacht hat. Luana war in diesem
Sommer 16 Jahre alt. Schon das Titelbild in schwarz-weiß führt den Leser in der
Zeit zurück. Das Cover zeigt eine junge Frau, die am Fenster Abkühlung im
leichten Windzug sucht und offenbart dabei auf den zweiten Blick erkennbare
Intimität, die eine zweite anwesende Person in der Szene erwarten lässt.
Andrés Familie ist wohlsituiert und beschäftigt ihrem Stand
entsprechend ein Dienstmädchen. Luanas Mutter ist in dieser Rolle der Familie
von André seit vielen Jahren verbunden. Seit einiger Zeit wird sie durch ihre
Tochter unterstützt. Der Vater von André ist als Chirurg bis spät abends
beschäftigt. André und sein zehn Jahre jüngerer Bruder sind also, nachdem die
Mutter verstorben ist, häufig mit den beiden Bediensteten zu Hause allein.
Luanas Haut lässt vermuten, dass ihr Vater ein Weißer ist, doch näheres erfährt
sie nicht von ihrer Mutter.
Sie ist anmutig und hübsch, ihrem Charme kann André sich
nicht gänzlich entziehen. Aus der Sicht eines heute verheirateten, aber seit
kurzem getrennt lebenden Manns mit zwei Kindern blickt er auf die Ereignisse
Mitte der 1980er Jahre zurück. Mag der räumliche Abstand von seiner Heimat es
ihm ermöglicht haben, das damalige Geschehen auszublenden, vergessen hat er es
nicht. Jetzt beginnt er seine eigene Handlungsweise zu hinterfragen und
aufzuarbeiten.
Obwohl ein Dienstmädchen möglichst präsent im Haushalt ihres
Dienstherrn zu sein hatte, war ihr Platz grundsätzlich in der Küche oder dem
eigenen kleinen Zimmer im Haus, wo sie Essen oder einer Beschäftigung außerhalb
des Haushalts nachgehen konnte. Ihre Lebenswege scheinen auf diese Weise
vorgezeichnet zu sein. Doch wenn er mit Luana allein ist, weichen die Grenzen
zwischen ihnen zurück. In seinen Schilderungen kommt zum Ausdruck, dass er
seine Mutter sehr stark vermisst. In der Wohnung bleibt alles an seinem Platz,
vieles muss ihn an sie erinnern. Vielleicht ist es die Suche nach Geborgenheit,
die er bei dem jungen Dienstmädchen zu finden hofft. Vielleicht ist es aufgrund
der fehlenden Vaterfigur die Suche nach männlicher Stärke von der Luana André
entgegen getrieben wird.
Luiza Sauma nähert sich dem alles ändernden, entscheidenden
Zeitpunkt im Leben von André eher vorsichtig, aber äußerst offen, aus der
Perspektive des inzwischen erwachsenen André in der Ich-Form erzählt. Sein
Verhalten wird neben dem Unfalltod der Mutter auch beeinflusst von den Anforderungen
des Vaters an ihn, den Erwartungen seiner Freunde und dem in der Gruppe üblichen
Alkohol und Drogenkonsum gegen die endlose Langeweile der Kinder reicher
Eltern. Der Sommer 1985 ist für beide Protagonisten eine wichtige Zeit in der
ihnen die Gestaltung ihrer Zukunft offen stehen sollte. Aber für beide existieren
aus unterschiedlichen Gründen Einschränkungen und Alternativen fehlen.
Die Autorin schreibt in einem leicht lesbaren Schreibstil in
den sie einige portugiesische Wörter eingeflochten hat, die die Gestaltung des
Umfelds abrunden. Die Kenntnis der Gegebenheiten in ihrem Geburtsort Rio de
Janeiro lässt die Geschichte glaubhaft und real erscheinen. Während ich glaubte,
die Hitze des Sommers zu spüren und die Luft flirren zu hören, habe ich ganz
nebenbei auch einiges von der Lebensweise der Brasilianer in Ipanema erfahren
können. Durch die Briefe Luanas konnte ich mir bereits einige Vorstellungen
davon machen, was damals passiert ist. Doch meine Vermutungen reichten nicht
daran heran, was wirklich geschah. Über allem liegt ein geheimnisvoller
Schleier, der ein gewisses Spannungselement in den Roman einbringt und erst
sehr spät gelüftet wird.
„Luana“ ist ein einfühlsam geschriebener Roman mit einigen
überraschenden Wendungen über die gesellschaftliche Stellung durch Geburt, die
Auswirkung des Vertuschens von Verfehlungen und der Unmöglichkeit der Korrektur
verpasster Möglichkeiten. Im Vordergrund steht jedoch immer die Liebe zum
Leben. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und daher empfehle ich es gerne
weiter.