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Samstag, 11. März 2017

[Rezension Ingrid] Truggestalten von Rudolph Herzog


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Titel: Truggestalten
Autor: Rudolph Herzog
Erscheinungsdatum: 16.02.2017
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag

Im Buch „Truggestalten“ von Rudolph Herzog sind sieben sagenhafte Erzählungen versammelt. Wie der Titel bereits andeutet, beinhalten die unterschiedlichen Geschichten Figuren, die unrealistisch sind, teils weil sie ausschließlich unserer Fantasie entspringen, teils weil sie durch Sagen in unsere Köpfe gekommen sind. Keine von ihnen hält einer realen Betrachtung stand. Das Titelbild des Buchs zeigt das East Side Hotel in Berlin, so wie wir es heute besuchen können. Die Kinder auf der Kaimauer passen mit ihrer Kleidung nicht ins Bild, stehen aber für vergangene Zeiten in der Stadt. In jeder Story wird eine Episode aus der Vergangenheit angeschnitten, die mich als Leser dazu veranlasste, mir diese ins Gedächtnis zu rufen und nach weiteren Informationen darüber im Netz zu suchen.

Die Erzählungen basieren manchmal auf genau jenen Erinnerungen, die auf unerklärbare Weise sich ihren Weg in das Bewusstsein der Berliner Bewohner, gleich welchen Alters drängen. Da sind beispielsweise polnische Zwangsarbeiter im zweiten Weltkrieg oder auch eine als verrückt erklärte Näherin aus dem 19. Jahrhundert. Erinnerungen an den Hungerwinter nach dem Krieg, aber auch an dem Mauerfall werden wach. Und wer bisher noch nicht wusste, woran es liegt, dass der neue Berliner Flughafen noch nicht fertig ist, wird hier eine Erklärung finden. Doch nicht nur die Vergangenheit dient der Erklärung der Truggestalten. Hierhinter verbergen sich auch Wiedergänger, Aufsitzer und Dschinn. Immer wieder finden sich Begebenheiten, die zwar weder zur Begründung noch zum Ablauf der jeweiligen Geschichte beitragen, aber interessant und abwechslungsreich sind.

Die Schilderungen spielen in unterschiedlichen Teilen der Hauptstadt Berlins, als Leser begegnete ich dort verschiedenen Kulturen. Nicht nur den Zeitgeist, sondern auch die aktuelle gesellschaftliche Lage versteht der Autor einzufangen. Rudolph Herzog schreibt in der allwissenden Erzählperspektive ebenso wie in der Ich-Form aus Sicht einer Frau und eines Manns. Die Gestaltung der Storys in der Verbindung zu historischen Geschehnissen verbunden mit Mystik hat mich sehr angesprochen. Gefehlt hat mir ein wenig die Verbindung zwischen den Geschichten, denn neben dem Handlungsort Berlin findet man nur gelegentlich eine Figur, die einem vage aus einer anderen Erzählung bekannt vorkommt und die vergleichbar mit einem Wimpernschlag auch schon wieder entschwunden ist.

Das Buch hat bei mir wohlige Schauer des Gruselns ausgelöst. Es zeigt die Vielfalt einer Großstadt, die Bedeutung des Einzelnen und Flüchtigkeit des Moments. Gerne kann es mehr solcher Geschichten geben.