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Donnerstag, 27. April 2017

[Rezension Ingrid] Altenstein von Julie von Kessel


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Titel: Altenstein
Autorin: Julie von Kessel
Erscheinungsdatum: 10.03.2017
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen

„Altenstein“ ist der Debütroman von Julie von Kessel. Ihre Geschichte dreht sich um den Verlust und die spätere Enteignung von Hab und Gut einer fiktiven alten Adelsfamilie in Ostpreußen. „Altenstein“, der Sommersitz der gräflichen Familie von Kolberg, gehört dazu. Hier geht es nicht nur um Gebäude, sondern vor allem um wertvolle weitläufige Bodenflächen.

Eine der Protagonisten ist Agnes von Kolberg, die zweite Frau von Kuno, dem Erben und Oberhaupt der Familie. Sie sieht sich gern als Blume und ihre Kinder als Blütenblätter die sie ausschmücken. So ist denn sinnbildlich die Blume auf dem Cover zu verstehen mit den drei Blütenblättern auf der linken Seite, die für die drei Töchter von Agnes aus erster Ehe stehen und fünf auf der rechten Seite, die ihre zwei Töchter und drei Söhne, von denen einer bereits bei der Geburt verstorben ist, aus der Ehe mit Kuno symbolisieren. Auch Kuno hat aus seiner ersten Ehe drei Töchter.

Konrad ist der jüngste der Geschwister. Er ist ein letztes, von Agnes ertrotztes Kind und wird mitten im Krieg geboren. Neben Agnes ist er es und die nächst geborene ältere Schwester Marie Elisabeth, genannt Nona, auf denen der Fokus der Erzählung vor allem ruht. Nachdem nicht nur die Heimat in Ostpreußen verloren ist, sondern auch der Besitz von Altenstein in Brandenburg aufgegeben werden musste, findet die inzwischen verwitwete Agnes mit ihren Kindern im rheinischen Bonn eine neue Bleibe. Zwar hat sie nur noch wenig Geld zur Verfügung, legt aber weiter bei der Erziehung ihrer Kinder Wert auf Anstand und Standesbewusstsein und Respekt ihr selbst gegenüber. Nona und Konrad jedoch widersetzen sich immer wieder. Sie sind es auch die nach der Wende nach Altenstein fahren und dann nach einer Möglichkeit suchen, das Anwesen zurück zu erhalten.

Julie von Kessel stammt selbst aus einer Adelsfamilie wie sie sie im Roman beschreibt. Daher gelingt es ihr, die Charaktere im Roman authentisch zu gestalten. Bereits beim Lesen ist mir aufgefallen, dass ungewöhnlich viele Mitglieder der Familie von Kolberg im diplomatischen Umfeld arbeiten und so ist es auch in der Familiengeschichte der Autorin selbst. Diese von Beginn an weltgewandten Menschen haben auf ihren Landgütern immer eine beständige Heimat gehabt und dadurch die Möglichkeit in den „Schoss der Familie“ zurück zu kehren. Die Häuser waren groß genug um etliche Personen zusätzlich aufzunehmen. Die Güter warfen genügend Lebensmittel ab, um ohne Not weitere Familienangehörige zu ernähren. So wie die Familie von Kolberg standen viele Adelsfamilien aus Ostpreußen vor dem Nichts. Ihren Stolz und ihre Weltoffenheit haben viele dabei behalten und in neuer Form versucht, sich zu verwirklichen.

Mit Konrad bringt die Autorin auch ein Beispiel dafür, dass nicht jeder seiner Rolle gerecht wird. Nona bricht bewusst aus dem für sie durch Agnes vorgesehenen Lebensweg aus; sie wechselt den Beruf und den Ehemann. Eigentlich zählten Mädchen in der Erbfolge wenig und der Besitz fiel grundsätzlich an den ältesten Sohn. Doch Agnes hat für ihre Kinder eine andere Aufteilung vorgesehen. Als nun Hoffnung auf eine Rückgabe des Anwesens beziehungsweise einen finanziellen Ausgleich aufkeimt, kann der älteste Sohn seinen Unmut über testamentarisch Festgelegte Teilung des Erbes zurück halten. Selbst über den Tod von Agnes hinaus behalten die Geschwister mit wenigen Ausnahmen ihr Klassendenken. Konrad gibt sich auch nach außen hin immer noch gerne als Graf. Untereinander herrscht ein freundlicher Umgangston, der jedoch im Detail gesehen ruppig wird. Vor klaren Ansagen scheint keiner zurück zu schrecken. Obwohl die Hilfsbereitschaft von jedem für seine Familienangehörigen da ist, hört sie wohl bei finanziellen Angelegenheiten auf.

Julie von Kessel konfrontierte mich in ihrem Roman mit einer Familie die einen Teil deutscher Geschichte gelebt hat. Zu den geschichtlichen Hintergründen hätte ich mir an einigen Stellen mehr Informationen gewünscht. Zu Beginn des Buchs findet der Leser eine Auflistung der einzelnen Kapitel mit örtlichen Gegebenheiten und eine Aufzählung der Familienmitglieder. Doch die zeitlichen Sprünge von Kapitel zu Kapitel verbunden mit wechselnden Personengruppen forderten meine Aufmerksamkeit und störten immer wieder meinen Lesefluss.

Die Charaktere im Buch sind abwechslungsreich gestaltet, die Schauplätze manchmal ungewöhnlich und interessant. Für die Erzählung, die glaubwürdig konstruiert ist, gebe ich gerne eine Leseempfehlung.