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Titel: Ein fauler Gott
Titel: Ein fauler Gott
Autor: Stephan Lohse
Erscheinungsdatum: 06.03.2017
Verlag: Suhrkamp (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag (Leseexemplar)
Ben ist im Sommer 1972 elf Jahre und hat gerade seinen
Bruder Jonas verloren. Er war dabei als Jonas im Schwimmbad anfing zu krampfen
und wenige Tage später im Krankenhaus verstarb. Ben glaubt, dass Gott keine
Lust dazu hat seine Macht über die Menschen auszuüben und Freude daran findet Brüder
durch den Tod zu trennen. Im Debütroman
„Ein fauler Gott“ von Stefan Lohse ist das eine der unbefangenen Ansichten des
Protagonisten Ben. Aber auch der verstorbene Jonas hatte seine ganz spezielle
Denkweise. So lang gestreckt wie Raketen würden die Menschen in den Himmel
kommen vertraut er seinem Bruder an. Die Rakete auf dem Cover lässt sich
symbolisch mit Jonas verbinden, der eine solche auf dem Krankenbett als Bild
visualisiert hat.
Trotz des großen Verlusts geht das Leben für Ben und seine
geschiedene Mutter weiter. Ben besucht nach den Ferien die 5. Klasse des
Gymnasiums und lernt neue Freude kennen. Neue Schulfächer fordern seine
Aufmerksamkeit. Davon erzählt er auch zu Hause und bietet damit seiner Mutter
ein wenig Abwechslung in ihrer Einsamkeit. Wie die meisten Frauen zur damaligen
Zeit übt sie ihren Beruf als Fremdsprachenkorrespondenten nicht mehr aus. Es
bleibt ihr genug Zeit sich in ihrem Schmerz immer tiefer zu versinken.
Gegenüber Ben versucht sie Normalität zu leben, zum Weinen geht sie in ihr
Schlafzimmer und lässt sich von der Wärme ihrer Heizdecke in ihrem Kummer
umfangen.
Stefan Lohse schildert die Geschichte als auktorialer
Erzähler in einem schlichten Stil. Er lässt sich auf Augenhöhe eines
Heranwachsenden nieder und fängt damit die sorglose Kindheit umso deutlicher
ein. Der Autor ist Anfang der 1970er in etwa im gleichen Alter gewesen wie Ben
und auch ich habe diese Zeit entsprechend erlebt. Die Themen über die Ben sich
mit seinen Freunden ausgetauscht hat, egal ob über Film, Fernsehen, Bücher oder
Musik waren mir nur allzu bekannt und immer wieder tauchten dadurch meine
eigenen Erinnerungen an diese Zeit auf. In den Dialogen, die er mit seinen
Freunden führt, geht es um typische Sorgen und Probleme von Fünftklässlern und
gerne bin ich mit Ben wieder in dieses Alter eingetaucht.
Wenn Ben nach Hause kommt findet er seine Mutter vor, die
vor Trauer wie gelähmt ist und dadurch den Haushalt manchmal vernachlässigt.
Ihre Gedanken kreisen um das Wie und Warum, doch Antworten findet sie nicht.
Ihr geschiedener Mann ist längst wieder verheiratet und wohnt in Frankfurt, von
ihm erfährt sie keinen Trost. Ihre Sorge um Ben ist seit dem Tod von Jonas
gewachsen, denn sie möchte ihn nicht auch noch verlieren. Leider fehlte mir
durch den Erzählstil die direkte Nähe zu ihrer Person. Das, was sie am Ende des
Buchs als Lösung für sich und Ben geplant hat fand ich aus der Erfahrung heraus
eher unglaubwürdig.
Ben schafft sich mit seiner Fantasie eigene Weltne in die er
stundenweise versinken kann. Letztlich lässt er sogar seiner Mutter Einblick in
sein Spiel nehmen und nach Wunsch daran teilnehmen. Obwohl „Ein fauler Gott“
eigentlich ein zutiefst trauriges Buch über den Tod eines Jungen ist, legt sich
mit Bens unerschrockener Art der eigenen Sicht auf viele Dinge ein dicker Film
Vergnügen über das Leid und rückt Freundschaft und Zusammenhalt in den
Vordergrund. Lässt sich auch die Wunde des Verlusts nicht mehr heilen, so zeigt
Ben dem Leser und seiner Mutter, dass eine optimistisch gedachte Zukunft für
die Zurückgebliebenen möglich ist.
Das warmherzig erzählte Schicksal von Bens Familie konnte
mich berühren und ließ mich dennoch aufgrund von Bens Einfällen und dem
Schwelgen in eigenen Erinnerungen an die damalige Zeit nicht traurig werden;
ein Buch, dass ich gerne weiterempfehle.