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Titel: Die Dame mit dem blauen Koffer
Titel: Die Dame mit dem blauen Koffer
Autorin: Valérie Perrin
Übersetzerin: Elsbeth Ranke
Erscheinungsdatum: 22.04.2017
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Hélène Hel ist 96 Jahre alt und lebt im Seniorenheim in dem
kleinen französischen Ort Milly. Ihre Gedanken schweifen täglich zum Meer. Dort
steht sie dann am Strand und wartet auf ihren Liebsten Lucien, der jedoch schon
vor vielen Jahren verstorben ist. Im Buch „Die Dame mit dem blauen Koffer“, dem
Debütroman von Valérie Perrin, erzählt sie der jungen Pflegehelferin und
Protagonistin Justine ihre Lebensgeschichte. Justine notiert sie auf Wunsch des
Enkels in ein Notizheft. So wie nur die Gedanken von Hélène und nicht sie
selbst am Meer sind, so ist auch die Figur auf dem Cover lediglich ins Bild
montiert und nicht wirklich bei der Fotographie vor Ort. Schon die Gestaltung
des Titels bei dem ich glaubte, durch den Wellengang das Meer rauschen zu hören,
machte mir Lust darauf, mehr darüber zu erfahren, warum dieser Ort für Hélène
so stark mit Lucien verknüpft ist.
Justine lebt bei ihren Großeltern. Ihre Eltern sowie ihr Onkel
und ihre Tante sind bei einem Unfall ums Leben gekommen und ihr jüngerer Cousin
gehört ebenfalls zum Haushalt. Ihr Beruf ist ihr Traumjob, für den sie sich
nach dem Abitur anstelle eines Studiums entschieden hat. Ihr liegen die
Bewohner des Seniorenheims sehr am Herzen und daher verbringt sie hier über
ihre Arbeitszeit hinaus viele Stunden. Zum Ausgleich besucht sie alle drei Wochen
eine Diskothek. Sie flirtet gern und lässt sich hin und wieder auf einen Mann
ein, eine feste Beziehung hat sie nicht. Die Liebe von Hélène zu Lucien spricht
in Justine etwas an, das sie dazu bringt, über die Liebe ihrer Großeltern und
deren Verlust der Söhne und Schwiegertöchter nachzudenken. Aber auf Fragen nach
Details zum Unfallgeschehen erhält sie nur unbefriedigende Antworten. Justine
vermutet, dass ihr etwas verschwiegen wird und macht sich auf die Suche nach
den Hintergründen.
Der Roman ist eine leise Geschichte oder eigentlich zwei. Zu
Beginn wirkte Justine auf mich etwas arglos, konnte mich im Laufe des Romans
aber davon überzeugen, dass sie ihre Ideen und Meinungen auch immer in die Tat
umsetzt. Sie liebt ihre Tätigkeit Tag für Tag. Die Autorin beschreibt sie im
Umgang mit den Senioren mitfühlend und hilfsbereit. Für ihren Cousin spart sie
einen Teil ihres Geldes, um ihm uneigennützig ein Studium zu finanzieren. Nur
eine feste Partnerschaft kann sie sich augenblicklich nicht vorstellen. Ich
habe mich für sie gefreut, dass die Liebe sie dennoch nicht vergessen hat. Das
Verhältnis zu ihren Großeltern bleibt unklar. Zwar leben sie zu viert in einem
Haushalt, der von der Großmutter geführt wird, doch jeder geht seinen eigenen
Weg. Dieses eher distanzierte Verhalten klärt sich im Laufe der Geschichte,
denn Justine drängt zunehmend auf die Beantwortung ihrer Fragen zum Hergang des
Unfalls ihrer Eltern. Dabei deckt sie einige Familiengeheimnisse auf, die auch
eine Erklärung für das augenblickliche Stimmungsbild bieten
Gleichzeitig zeichnet Justine feinsinnig die von Hélène
erzählte Geschichte auf, die im Text kursiv zu lesen ist und die mich mit in
die Vergangenheit in die 1920er Jahre nahm. Hélène ist Legasthenikern, eine
Krankheit die damals noch nicht erkannt wurde. Sie bricht die Schule ab und
arbeitet zu Hause als Schneiderin. Lucien hat bereits in jungen Jahren die
Angst, wie sein Vater zu erblinden. Beide finden bei dem jeweils anderen
Unterstützung und Halt, bis der zweite Weltkrieg ausbricht, sich das tägliche
Leben ändert und schließlich Lucien zum Kriegsdienst eingezogen wird. Eine
schicksalsschwere Zeit beginnt für die beiden. Hélènes Geschichte ist
ungewöhnlich, berührend und so mitreißend, dass die Seiten wie im Flug gelesen
waren.
Ganz nebenbei erhält der Roman zusätzlich Spannung durch
bestimmte Vorfälle im Seniorenheim, deren Klärung bis zum Ende des Buchs
ausstehen. Fließend gelingt Valérie Perrin die Verknüpfung der einzelnen
Erzählfäden, die sie zu einem gelungenen Großen und Ganzen zusammenfügt. Eindringlich
und offen beschreibt sie Liebesszenarien. Trotz der teils tragischen Ereignisse
verliert die Geschichte nie einen gewissen heiteren Unterton. Das Buch war für
mich beste Unterhaltung und daher empfehle ich es jedem gerne weiter.