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Titel: Die Geschichte eines neuen Namens (Band 2 der neapolitanischen Saga)
Titel: Die Geschichte eines neuen Namens (Band 2 der neapolitanischen Saga)
Autorin: Elena Ferrante
Übersetzerin: Karin Krieger
Erscheinungsdatum: 10.01.2017
Verlag: Suhrkamp (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
„Die Geschichte eines neuen Namens“ ist der zweite Band der
vierteiligen Reihe von Elena Ferrante, dem Pseudonym einer italienischen
Autorin. Die Bücher handeln von der über 60-jährigen Freundschaft der
Ich-Erzählerin Elena und der gleichaltrigen Raffaella, die von Elena nur Lila
gerufen wird, beginnend im Neapel der 1950er bis in die Gegenwart. Das
vorliegende Buch schildert die Jugendjahre der beiden Protagonistinnen. Die
Erzählung schließt unmittelbar an das Ende des vorigen Teils an.
Wie bereits im ersten Buch machte mich die Autorin neugierig
auf die folgenden Ereignisse, indem sie mir gleich zu Beginn einen ganz kurzen
unvollständigen Blick auf den Stand der Dinge im Jahr 1966 gewährt. Laut der
inzwischen 22-jährigen Elena kriselt es in der Freundschaft, sie treffen
einander nur noch selten und dennoch hat Lila ihr gerade erst eine Schachtel
mit Heften anvertraut, deren Inhalt sie vor deren Ehemann verstecken soll. Außerdem
hat Lila ihre Freundin gebeten, sie nicht zu öffnen. Elena selbst wohnt zu
diesem Zeitpunkt nicht mehr in Neapel. Sie hat sich inzwischen einen guten Ruf
erarbeitet … und bereits nach wenigen Seiten las ich, dass Elena den Inhalt der
Schachtel vernichtet hat. Mir stellte sich dadurch natürlich unwillkürlich die
Frage, was sie dazu veranlasst hat.
Das Cover des Buchs nimmt direkten Bezug darauf, dass Elenas
Gedanken am Anfang des zweiten Teils zum Tag der Hochzeit von Lila zurückgehen.
Einen farblichen Akzent setzt der Rosenstrauß in den Händen der Braut, dessen
Blütenblätter mit dem Wind davonwehen. Ob das als ein Vorzeichen für die Ehe
von Lila zu sehen ist und bedeutet, dass ihr Glück wie die Blüten hinwegwehen
wird?
Die Welt von Elena und Lila ist auch jetzt noch zu Beginn
ihrer Jugendjahre recht klein. Sie wohnen beide im neapolitanischen Viertel
Rione, einer ziemlich heruntergekommenen Wohngegend mit großen Mietshäusern.
Ihre Freunde sind immer noch die gleichen wie in Kindertagen. In einigen
Aussagen Elenas konnte ich nachvollziehen, dass auch ihre Kenntnisse über
Politik und Gesellschaft kaum über ihr eigenes Territorium hinausgehen, obwohl
sie doch eine gute Schülerin ist und viele Bücher liest. Aus dem Inhalt der in
der Schachtel gefundenen Hefte schließt sie, dass auch Lila nie ihr Interesse
am Lernen aufgegeben hat.
Wie bisher besteht die Rivalität um die Vorrangstellung in
ihrer Freundschaft weiter. Lila entwickelt dabei eine Arglist, die darin
besteht, jede Anfeindung anderer Personen gegen sie früher oder später
zurückzuzahlen. Sie scheut nicht davor zurück, Elena für ihre Zwecke
einzuspannen. Doch ihr Traum, von ihren Eltern unabhängig zu leben und die
damals vorherrschende Rollenteilung in der Ehe, begleitet mit körperlicher
Gewalt, hinter sich zu lassen, droht schon mit Beginn ihrer Ehe zu platzen. Elena
spürte, dass Lila durch ihre Hochzeit einen Vorteil ihr gegenüber erlangt hat
und so tanzen nun ihre Gefühle zwischen Mitleid und der Freude darüber, durch
ihre tätige Hilfe bei Lila wieder Beachtung zu finden und sich dadurch erneut
besser im Rang zu positionieren. Dagegen ist ihr die Freigiebigkeit, mit der
Lila Stefanos Geld ausgibt ein Dorn im Auge, doch genau dieser Umstand
ermöglicht es ihrer Freundin, zu einem gewissen Ansehen bei ihren Freunden zu
gelangen. Lilas Beliebtheit steigt und mit ihr der Wille sich den
Machenschaften ihrer Geschäftspartner nicht zu unterwerfen. In die Dinge, die
ihr am Herzen liegen steckt sie ihre ganze Begeisterung und lässt sich auch
durch drohende körperliche Gewalt nicht einschüchtern und verbiegen.
Dadurch, dass Elena in der Ich-Form erzählt, konnte ich
nachvollziehen, mit welchen Gefühlen sie in ihrer Jugend zu kämpfen hatte.
Durch den Besuch des Gymnasiums und später der Universität unterscheidet sich
ihr Lebensweg schon jetzt von den meisten ihrer Freunde aus Kindertagen. Sie
selbst ist sich dessen bewusst und hält sich für arrogant. Ihr Lernen verbunden
mit ihrer Klugheit scheint ihr der Grund zu sein, dass ihre Freunde ihr
gegenüber zunehmend auf Abstand gehen. Neidvoll schaut sie in dieser Zeit auf
Lila. Noch kann sie nicht die Folgen ihres Handels abschätzen und abschließend beurteilen,
ob ihr der Schulbesuch spätere Vorteile bringen wird. In ihrer Umgebung gibt es
wenige Vorbilder an denen sie sich orientieren könnte. Später wird sie genau
diesen Umstand bedauern, denn in der Welt von Elena und Lila verschafft man
sich nicht durch Wissenserwerb Respekt und Anerkennung. Lila muss sich immer
wieder behaupten. Elena dagegen muss mehr Selbstbewusstsein entwickeln, denn
auf ihrer Suche nach Liebe droht ihr der Verlust ihrer Anerkennung, wenn sie
sich nicht normgerecht verhält. Der Zwiespalt ihrer Gefühle in Bezug auf Männer
wird auch durch ihre Umwelt mitgetragen. Fehlende Möglichkeiten, schlechte
Vorbilder und die gelebte Härte des Alltags lassen ihre Jungmädchenträume
schmelzen.
Beide Freundinnen sind sich ihrer Rangeleien bewusst und
können doch nicht ganz voneinander lassen. Genau das macht die Faszination des
Romans aus. Mancher Leser wird sich in den Vorstellungen der Protagonistinnen vom
Leben wiederfinden und erkennt den ein oder anderen Traum aus seiner Jugendzeit darin wieder. Die schöne
klare Sprache, selbst in der Übersetzung, ist ein Lesevergnügen. Das Buch endet
mit einem Cliffhanger und lässt mich schon ungeduldig auf den nächsten Teil
warten. Wer die Bücher von Elena Ferrante noch nicht kennt, sollte unbedingt
mit dem Lesen beginnen! Der dritte Band in deutscher Sprache erscheint im
August 2017.