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Titel: Stell dir vor, dass ich dich liebe
Titel: Stell dir vor, dass ich dich liebe
Autorin: Jennifer Niven
Übersetzerin: Maren Illinger
Erscheinungsdatum: 22.06.2017
Verlag: Fischer Sauerländer (Link zur Buchseite des Verlags)
„Stell dir vor, dass ich dich liebe“ ist nach „All die
verdammt perfekten Tage“ (meine Rezension dazu hier: KLICK) ein neues Buch von
der US-Amerikanerin Jennifer Niven für Jugendliche ab 14 Jahren. Der Titel
allein verdient ein Ausrufezeichen in Bezug auf den Inhalt der Geschichte, denn
es scheint unmöglich zu sein, dass die Protagonisten in Liebe zueinander
finden. Jack und Libby begegnen einander am ersten Tag der elften Klasse der
Highschool in Amos/Ohio. Auf dem Cover ist ein Stern, denn wie Sterne sind die
Sommersprossen von Libby für Jack und erst sehr viel später merkt er, dass er
Libby damit identifiziert und mit vielem mehr, dass ihre Persönlichkeit
ausmacht. Das ist für beide wichtig, denn Libby ist übergewichtig und Jack
gesichtsblind. So braucht es eine Menge Zeit und viele Einsichten, damit beide
eine Brücke des Verstehens zueinander bilden können.
Jack ist der smarte Typ, gut aussehend und amüsant. An
potentiellen Freundinnen mangelt es ihm nicht. Doch durch einen Unfall in
seiner Kindheit ist ihm die Möglichkeit, Gesichter zu erkennen, abhanden gekommen.
Selbst seine Eltern und beiden Brüder vermag er nicht durch bloßes Ansehen zu
erinnern. Keiner weiß davon und so lebt er ständig auf einem Pulverfass, dass
seine Unfähigkeit auffliegt. Eine Art Sicherheit geben ihm seine besten Freunde,
die so prägnante Merkmale aufweisen, dass er sie von anderen unterscheiden
kann. Leider ist er dadurch in einer gewissen Abhängigkeit von deren Verhalten
anderen gegenüber und ihren Vorstellungen, wie er selbst zu agieren hat.
Libby kehrt nach einer langen Zeit wieder zur Schule zurück.
Nach dem Tod ihrer Mutter hat sie begonnen, sinnlos zu essen. Mit fast
dreihundert Kilogramm war sie schließlich zu dick, das Haus zu verlassen. Ihr
Weg ins Krankenhaus ging durch sämtliche Medien. Etwa die Hälfte ihres Gewichts
hat sie inzwischen verloren, aber ihr Bild in der Öffentlichkeit hat sich
manifestiert. Am ersten Schultag nach den Ferien wird sie genau zu der von
Libby erwarteten Zielscheibe für den Spott der Klassenkameraden, die sie von
früher her wieder erkennen und miteinander über sie zu tuscheln beginnen. Bei
einem besonders gemeinen Spiel mit ihr beweist Jack seine Solidarität zu seinen
Schulfreunden, trifft Libby damit aber an ihrem wunden Punkt.
Laut der Autorin ist der Roman ein persönliches Buch und
genau das ist es, was die Geschichte so glaubwürdig und realistisch macht.
Jennifer Niven hat als Jugendliche selber Gewichtsprobleme gehabt und lässt
ihre Erfahrungen hier einfließen. Noch eindringlicher wird die Schilderung
durch das Stilmittel der Übertreibung, denn erst durch Libby besonders hohes
Gewicht werden auch die Medien auf sie aufmerksam und bringt ihr eine nicht
wünschenswerte Form der Bekanntheit und Stigmatisierung.
Zum Thema Prosopagnosie (Gesichtsblindheit) hat die Autorin
sehr gut recherchiert und das Gespräch mit Betroffenen gesucht, davon einige in
ihrer Familie. So ist auch die Darstellung des Charakters Jack authentisch,
sein Verhalten für mich als Leser nachvollziehbar. Eindringlich ist die
Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Peergroups in der Erzählung,
anschaulich beschreibt Jennifer Niven die Entstehung und Ausführung von
Bullying sowie die Probleme von Lehrern und Eltern im Umgang mit den
betroffenen Jugendlichen. Der schulische Lösungsansatz erschien mir sinnvoll.
Bis auf ein paar versteckten Hinweisen fehlte mir jedoch ein wenig der Hinweis
auf die gesundheitlichen Folgen von Übergewicht.
„Stell dir vor, dass ich dich liebe“ ist ein wichtiges Buch
um zu zeigen, dass jede Person einzigartig ist und sich diese
Verschiedenartigkeit durch psychische und physische Unterschiede ergeben. Jeder
hat seine Talente und ist zu respektieren. An einem Maß bestimmter
Verhaltensregeln kommt man im Alltag nicht vorbei, ansonsten sollte jeder so leben
können, wie er sich wohlfühlt ohne dafür schikaniert zu werden. Gerne empfehle
ich das Buch weiter, auch an Erwachsene.