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Titel: Das Haus der schönen Dinge
Autorin: Heidi Rehn
Erscheinungsdatum: 02.05.2017
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch
Das „Haus der schönen Dinge“ nennen die Einheimische das von
Heidi Rehn erfundene Kaufhaus Hirschvogl am Rindermarkt in München. Gegründet
1897 dient es über viele Jahre den Einheimischen nicht nur zum Einkauf, sondern
auch zum Bestaunen des großen Warensortiments. Außerdem hat die Ehefrau des
jüdischen Kaufhausbesitzers Jacob Hirschvogl ein Händchen für eine ausgefallene
Präsentation der Waren. Das Cover zeigt die Ansicht der prachtvollen Eingangshalle
eines Kaufhauses zur damaligen Zeit. Der Lichthof auf dem Titelbild, der einen
hellen übersichtlichen Blick auf die verschiedenen Etagen gewährt, ist
repräsentativ. Beliebte Einkaufsstätten suchten sich mit ihrem Angebot und
dessen Darbietung voneinander abzugrenzen und sich gegenseitig zu übertreffen.
Das Ehepaar Hirschvogl hat drei Kinder, glücklicherweise ist
das älteste ein Sohn, der zum erhofften Nachfolger werden soll. Doch Benno
enttäuscht seine Eltern. Lilith, genannt Lily, ist die Zweitälteste und brennt
darauf, das Warenhaus selbst führen zu dürfen, um die Wende zum 20. Jahrhundert
jedoch nahezu eine Unmöglichkeit. Gerade die Frauen waren den Konventionen der
Zeit unterworfen und hatten sich vielfach den Wünschen der Männer
unterzuordnen, wozu in Kreisen mit Besitz und Macht manches Mal auch die
Akzeptanz von Liebschaften gehörte.
Im Vordergrund der Erzählung steht immer das Kaufhaus.
Gleichzeitig schildert die Autorin allerdings auch die Geschichte der jüdischen
Kaufmannsfamilie Hirschvogl, die eingebunden ist in die politischen
Entwicklungen von 1897 bis 1938 mit einem Nachspiel im Jahr 1952. Die
Beschreibungen des Warenhauses sind sehr detailreich. Die Räumlichkeiten und
die Ausstattung konnte ich mir sehr gut vorstellen. Es hat mich manchmal
erstaunt, welche Warenvielfalt zu Beginn des letzten Jahrhunderts angeboten
werden konnte, auch aus dem Ausland. Die Entwicklung der Mode ließ sich beim
Lesen leicht nachvollziehen.
Die Geschichte der Familie Hirschvogl ist gleichzeitig
beispielhaft für die Geschichte der Juden in München, in deren Hand fast alle
Warenhäuser der Stadt waren. Das Ansehen der jüdischen Kaufleute war in
Abhängigkeit der Politik ein Auf und Ab. So vor Augen geführt war ich
erschrocken, wie leicht die Bürger sich von den gesellschaftlichen Trends tragen
ließen und dabei auch plötzlich ihren Hass gegen ihre jüdischen Freunde richteten.
Die Zeit im Roman schreitet zügig voran. Heidi Rehn verweilt
jeweils etwas länger bei wichtigen, dann natürlich fiktiven Ereignissen im
Familienkreis und realen bedeutenden politischen Geschehnissen. Manchmal werden
Monate und Jahre übersprungen, auch wenn der aktuelle Abschnitt mit einem
Cliffhanger endet. Um den Anschluss zu halten, übermittelt die Autorin dem
Leser in diesen Fällen die weitere Entwicklung im Rückblick. Hin und wieder
wirkte diese Technik auf mich leider wie eine Kürzung des Textes. Nach meiner
Vorstellung hätte der Roman ausführlicher in zwei Teilen erscheinen können. Auf
der vorderen Innenseite ist der Stammbaum der Familie Hirschvogl gedruckt. Bei
näherer Betrachtung nahmen die Angaben ein wenig die Spannung, weil ich anhand
der Auflistung und der Geburts- und Sterbedaten nachvollziehen konnte, wer in
die Nachfolge von Jacob Hirschvogl einsteigen würde. Das Glossar am Ende des
Buchs mit Erklärungen zu Begriffen aus dem Kaufmannswesen, wichtigen
zeitgeschichtlichen Figuren, Abkürzungen und bayrischer Mundart habe ich sehr
zu schätzen gewusst.
Die Familie der Besitzer des fiktiven Warenhauses in München
erlebt in „Das Haus der schönen Dinge“ viele glückliche Momente, aber auch
zahlreiche Enttäuschungen, Neid und Verrat. Wer gerne Familienromane über
mehrere Generationen liest und wie ich Interesse an der Geschichte eines
Kaufhauses hat, dem empfehle ich dieses Buch gerne weiter.