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Samstag, 19. August 2017

[Rezension Hanna] Das Leuchten am Rand der Welt - Eowyn Ivey


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Das Leuchten am Rand der Welt
Autorin: Eowyn Ivey
Übersetzer: Claudia Arlinghaus und Martina Tichy
Hardcover: 560 Seiten
Erschienen am 18. August 2017
Verlag: Kindler

Inhalt
Im Jahr 1885 bricht Lieutenant Colonel Allen Forrester zu einer abenteuerlichen Mission auf. Gemeinsam mit zwei weiteren Militärs und vor Ort angeworbener Einheimischer soll er entlang des Wolverine Rivers ins Landesinnere Alaskas vorstoßen, um es zu kartieren und eine Einschätzung zu den einheimischen Völkern abzugeben. Auf der beschwerlichen Reise muss die Expedition mit Hunger, Wetterumschwüngen und Zwischenfällen mythischer Art zurechtkommen. Unterdessen wartet Allens Frau Sophie in der Garnison Vancoucer auf seine Rückkehr. Sie ist schwanger und ihr wurde strikte Ruhe verordnet, sodass sie ihn entgegen des ursprünglichen Plans nicht mal ein Stück begleiten darf. Eine bittere Nachricht sorgt dafür, dass sie sich zurückzieht und ihre Begeisterung für die Naturfotografie entdeckt.

Meinung
Nachdem mich vor inzwischen schon vier Jahren „Das Schneemädchen“ begeistern konnte, habe ich mich sehr über die Nachricht gefreut, dass die Autorin ein zweites Buch geschrieben hat, das den Leser mit in ein historisches Alaska nimmt. Das Buch beginnt mit einem Brief, der Josh, einen Museumskurator in Alpine, Alaska erreicht. In diesem erklärt Walter Forrester, dass er ihm die Aufzeichnungen seines Vorfahren Allen rund um dessen Alaska-Expedition und auch die von dessen Frau überlässt in der Hoffnung, er könne dafür Verwendung finden. Gemeinsam mit Josh taucht man in die historischen Dokumente ein, die einen sogleich in die Vergangenheit und Kälte schicken.

Der größte Teil des Buches ist in Tagebuchform verfasst. Abwechselnd erfährt man, wie es Allen in Alaska und Sophie in Vancouver ergeht. Die Einträge umfassen mal nur wenige Sätze, mal einige Seiten, und nur wenige Tage werden ausgelassen. Die Beschreibung der Erlebnisse in der Retrospektive wird damit auf das Wichtigste beschränkt, womit die monatelange Expeditionsreise einen für ein Buch überschaubaren Rahmen erhält.  

Allen hat vor seiner Aufgabe einen gesunden Respekt und ist gleichzeitig ambitioniert, die Expedition erfolgreich abzuschließen. Dem zu erkundenden Gebiet eilen grausame Geschichten von im Schlaf von Einheimischen ermordeten Russen voraus. Wie gefährlich sind die Indianer wirklich? Das Wetter und ein Mangel an Nahrung zehren an den Kräften der Gruppe. Neugierig, wie gut Allen vorankommen wird, las ich mich durch seine Einträge. Auch wenn zu jedem Tag nur kurz etwas erzählt wird, erhält man einen guten Einblick, wie er und seine Begleiter sich fühlen. Meist ist nicht vorhersehbar, was der nächste Tag bringen wird, sodass im einen Moment Hoffnung und im anderen wieder Verzweiflung überwiegen können.

Interessant fand ich die mythischen Erlebnisse, die Allen auf seiner Reise macht. Zum einen trifft er immer wieder auf einen alten Indianer. Dieser kann scheinbar mühelos große Distanzen überwinden und ist ihnen mal gewogen ist, mal sorgt er für Rückschläge. Auch den Einheimischen ist dieses Wesen bekannt, warum es so handelt vermag niemand zu sagen. Zum anderen hört und sieht Allen Wunderliches: Eine Geliebte, die Nebel bringt, ein Baum der einen Säugling gebärt… sind das Wahnvorstellungen ausgelöst durch Hunger und Erschöpfung oder ist die Magie des Landes am Werk?

Auf seiner Reise muss Allen nicht kämpfen. Wer blutige Action a la „The Revenant“ erwartet ist bei diesem Buch falsch. Stattdessen lernt  er die raue Natur kennen, macht interessante Begegnungen und findet schöne Augenblicke, wo man sie wenigsten erwartet. Einige andere Dokumente, zum Beispiel Zeitungsartikel, Briefe und poetische Textschnipsel eines Begleiters ergänzen den gewonnenen Eindruck. Sophies Tagebucheinträge zeugen hingegen von der Qual des Wartens auf Allens Heimkehr. Ihre Sicht war mir teils etwas zu langatmig, es ereignet sich nicht allzu viel. Doch als sie sich mit wachsender Begeisterung der Fotografie zuwendet fand ich ihre Einträge zunehmend besser. Bis zum Schluss bildet die Korrespondenz zwischen Josh und Walt in der Gegenwart einen gelungenen Rahmen für die eigene Reflektion des Gelesenen.

Fazit
„Das Leuchten am Rand der Welt“ erzählt mit atmosphärischer Dichte von einer Expedition in bislang unerforschtes Territorium in Alaska. Während Allen eine Reise voller Entbehrungen und Rückschlägen, aber auch hoffnungsvollen Momenten erlebt, wartet seine Frau Sophie auf seine Rückkehr und entdeckt in dieser Zeit die Fotografie für sich. Wer Abenteuer mag und dabei auf Kämpfe verzichten kann, dem kann ich dieses Buch klar empfehlen!