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Underground Railroad
Autor: Colson Whitehead
Übersetzer: Nikolaus Stingl
Hardcover: 352 Seiten
Erschienen am 21. August 2017
Verlag: Hanser
Inhalt
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Sklaverei in den Südstaaten
Amerikas ein fest etabliert. Cora wurde als Sklavin geboren und schuftet auf
einer Baumwollplantage in Georgia. Ihre Mutter ist die einzige geflüchtete
Sklavin der Plantage, die nie gefunden und vor den Augen der anderen zu Tode
gefoltert wurde. Cora fühlt sich von ihr im Stich gelassen und ist unter den
anderen Sklaven als zu meidender Sonderling bekannt. Bis sie eines Tages von
Caesar angesprochen wird: Er habe Verbindungen zur Underground Railroad, einem
Netzwerk, das Sklaven bei der Flucht unterstützt. Gemeinsam mit ihr will er die
Flucht wagen. Nach einigem Zögern sagt Cora zu und erlebt eine Odyssee, die
geprägt ist von vorsichtiger Hoffnung und schweren Rückschlägen.
Meinung
Das Cover des Buches zeigt ein düsteres, allein stehendes Haus unter
einem Sternenhimmel. Etwa so habe ich mir die Stationen der Unterground
Railroad vorgestellt, zu denen die Sklaven in der Dunkelheit von ihren Helfern
gebracht werden und wo eine versteckte Falltür hinunterführt zu Schienen, auf
denen Züge die Geflüchteten gen Freiheit transportieren. Denn der Begriff
Underground Railroad wird in diesem Roman wörtlich genommen: Aus dem historisch
belegten Netzwerk von Unterstützern, die Sklaven versteckten und sie über
geheime Fluchtrouten in Sicherheit brachten wird in diesem Roman ein
unterirdisches, in seiner Ausdehnung enormes Schienennetz für die Flucht.
Die Protagonistin Cora lernt man als Sklavin mit starkem Willen kennen,
die das Risiko einer Flucht abwägt. Ihre Großmutter wurde in Afrika geraubt und
starb als Sklavin, doch ihre Mutter ist vor Jahren geflüchtet und wurde nie
gefunden. Andere Beispiele führen Cora jedoch vor Augen, welches schlimme
Schicksal all jenen blüht, die gefunden werden. Ist es trotzdem einen Versuch
wert?
Während Cora überlegt, lernt man ihren Alltag auf der Plantage kennen.
Die kräftezehrende Arbeit, die Intrigen unter den Sklaven, die Grausamkeit und
Willkür des Plantagesbesitzers und entsetzliche Strafen, die jeden einmal
treffen. Auch wenn mir die historischen Fakten bekannt waren, hat es mich
betroffen gemacht, die Szenen durch Coras Augen zu erleben. Dass Cora flüchten
wird verrät schon der Titel, doch nach diesen Einblicken konnte ich umso besser
verstehen, weshalb ihr die Entscheidung so schwer fällt und warum sie sich
schließlich wie so viele vor ihr trotzdem dafür entscheidet.
Mit der Flucht kommt zur Dramatik eine Spannungskomponente hinzu. Wird
das Vorhaben erfolgreich sein? Die Erlebnisse während der Flucht zeigten mir
noch deutlicher, welches Schicksal den Geflüchteten bei Gefangennahme droht und
ebenso denen, die geholfen haben. Immer wieder schöpft Cora vorsichtig
Hoffnung, dass sich alles zum Besseren wendet. Dafür sorgen auch viele ganz
verschiedene Menschen, die helfen wollen – ein großer Appell an Zivilcourage,
die auch unter den widrigsten Bedingungen zum Glück nie gänzlich erstickt
werden kann.
Doch der Rassismus und damit verbundene feindselige Übergriffe treiben
Cora von einem Ort zum anderen. Ich hatte großen Respekt vor ihrer Stärke, die
sie bei all dem zeigt. Ihre Erlebnisse führten mir eindringlich vor Augen, wie
Menschen durch Propaganda und Rassendenken zu grausamen Taten getrieben werden,
die sie in der vollen Überzeugung ausführen, im Recht zu sein. Kurze Kapitel
geben Einblicke in die Gedanken von Menschen, denen Cora auf ihrem Weg begegnet,
und ließen mich ihre Motivation besser verstehen, auch wenn sie oft verwerflich
ist. Dem Autor gelingt es, dass bei all der Grausamkeit die Hoffnung bis zum
recht offenen Ende nie ganz verloren geht, was für mich eine gelungene
Botschaft ist.
Fazit
In „Underground Railroad“ wagt die Sklavin Cora die lebensgefährliche
Flucht gen Norden. Ihre Erlebnisse auf der Plantage und auf der Suche nach
Freiheit machten mich betroffen. Eindringlich berichtet der Roman von gelebtem
Rassismus in seiner schlimmsten Form und Menschen mit Zivilcourage, die
heimlich Widerstand leisten und Hoffnung geben. Das Buch lässt den Leser durch
die Augen einer Sklavin aufs Geschehen blicken und hat mich ins Nachdenken
gebracht nicht nur über die Sklaverei in Amerika, sondern über Rassismus im
Allgemeinen. Ich kann die Lektüre klar weiterempfehlen.