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Titel: Rimini
Titel: Rimini
Autorin: Sonja Heiss
Erscheinungsdatum: 17.08.2017
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen (Leseexemplar)
Die verschiedenen Buchteile von „Rimini“, dem Debütroman von
Sonja Heiss, beziehen sich in zeitlicher Hinsicht auf Masha Armin, die eine der
Protagonisten ist. Weil ihr jeweiliges Alter die Teile betitelt, lässt sich
daran der Fortschritt der Geschichte festmachen. Der Titel des Buchs ist das Ziel
der Hochzeitsreise von Mashas Eltern. Doch das ist über 40 Jahre her. Mit ihrem
damaligen Aufenthalt in der italienischen Stadt verbindet Barbara, Mashas
Mutter, wunderschöne Erinnerungen, die sie nicht mit ihrem Ehemann teilt und die
ihr Leben lang ihr kleines Geheimnis geblieben sind.
Wie die weißen Linien auf dem grauen Hintergrund des Covers es
andeuten, so ist ihr Leben wie das der weiteren Hauptfiguren nicht immer
geradlinig verlaufen und auch in der Erzählung ist der Weg oft krumm. Ihre
Kindheit verbindet Barbara mit starken Ängsten, von ihr wurde Gehorsam
erwartet. An diese Zeit denkt sie nicht gern zurück, denn sie ist verbunden mit
vielen Tränen. Die Liebe zu ihrem Mann Alexander ist erst mit der Zeit
gewachsen, doch bestimmte Gemeinsamkeiten weckten in beiden den Wunsch auf ein
gemeinsames Leben Seite an Seite, in guten wie in schlechten Zeiten.
Der Roman spielt in der Gegenwart und nimmt nicht nur
Barbara und Alexander in den Fokus. Das Ehepaar könnte seinen Rentneralltag in
Frankfurt am Main genießen, doch Barbara macht die ständige Nähe von Alexander
zu schaffen. Noch mehr Sorgen haben Masha und ihr älterer Bruder Hans, obwohl die
beiden eigentlich immer ihrem Ziel gefolgt und ihnen schon vieles geglückt ist.
Masha ist 39 Jahre alt und wohnt in Berlin. Mit der Schauspielkarriere hapert
es. Immer stärker wird der Wunsch nach einem Kind, aber sie fragt sich, ob ihre
langjährige Beziehung der ideale Vater ist. Hans ist ein erfolgreicher Anwalt,
verheiratet und Vater zweier Kinder. Die Familie ist gutsituiert. Aber bei Hans
macht sich eine gewisse Überheblichkeit im Beruf breit, die Probleme mit sich
bringt.
Bereits seit seiner Kindheit äußert Hans seinen Unmut in
Wutausbrüchen, die er bis heute weder vermeiden noch verbergen kann. Überspitzt
zeigt die Autorin auf, welche Konsequenzen ein antisoziales Verhalten im Beruf haben kann. Doch sie schreckt nicht davor
zurück, noch einen Schritt weiter zu gehen und so durfte ich miterleben, wie
Hans noch eine weitere Obsession entwickelte. Schwierigkeiten im Job führen zu
finanziellen Sorgen und die wieder zu Problemen in der Ehe und Unzufriedenheit
bei den Kindern.
Masha befindet sich in einer Phase, in der sie auf die
Entwicklung in ihrem Leben zurückblickt und unzufrieden mit dem Erreichten ist.
Ein Kind würde ihrer Zukunft nochmal eine neue Richtung geben. Aber sie sieht
auch die damit verbundenen Abhängigkeiten. Auch wenn es ihr nicht bewusst ist,
schreckt sie dennoch vor der Verantwortung zurück und überträgt ihre Ängste
darauf, den idealen Partner zu finden. Dadurch gewinnt sie Zeit für ihre
Entscheidung, von der ihr aber im fortgeschrittenen Alter nicht mehr allzu bleibt.
Alexander und Barbara tragen schwer an ihrer Kindheit. In
den vielen gemeinsamen Ehejahren haben sie einander so gut kennen gelernt, dass
sie die Meinung des anderen zu sämtlichen Fragen des Alltags bereits wissen,
ohne darüber zu reden. Gemeinsames Schweigen ist die Folge und Wiederholungen
von bereits Gesagtem, wenn es denn zu einem Gespräch kommt. Für Barbara tritt
ihr Dasein in eine Dauerschleife, die sie zu durchbrechen sucht. Der genügsame
Alexander sucht mit seinem männlichen Beschützerinstinkt die Nähe seiner Frau, doch
dadurch wird jeder Ausbruchgedanke Barbaras sofort von ihrem Mann aufgefangen
und geprüft. Auflehnung von Barbara bleibt nicht aus, das habe ich als Leser
durchaus erwartet, die exzentrische Umsetzung hat mich überrascht.
Sonja Heiss erzählt über eine ganz normale Familie in ihrem
ganz gewöhnlichen Alltag, erschreckenderweise hat man an einigen Stellen ein Déjà-Vu. Die Autorin beschreibt alle Unzulänglichkeiten der Charaktere detailliert
und ließ mich als Leser daran unbewertet teilhaben. Ihre Charaktere muss man
nicht lieb gewinnen und ihre Entscheidungen nicht alle gut heißen, um sich von
ihrem Schicksal berühren zu lassen. In Nahaufnahme beleuchtet sie in
feinfühliger, manchmal recht freizügiger Sprache das Für und Wider von
Entscheidungen. Mit Rückblicken auf Kindheit und Jugend ihrer Protagonisten
versucht sie, dem Ursprung der Sorgen auf den Grund zu gehen. An Erwachsene wird
der Anspruch gestellt, dass sie ihre Gefühle im Griff haben. Doch möchte man
nicht eigentlich noch ein wenig Kind bleiben, wenn damit Geborgenheit und Liebe
verbunden ist? Endet Kindsein durch eigenen Beschluss oder den Tod der Eltern? Die
Erzählung gibt Anregung darüber nachzudenken.
„Rimini“ ist ein Roman um Liebe und der Suche nach
Anerkennung, Bewunderung und Respekt. Der Ernst des Alltäglichen wird durch Ironie,
Sarkasmus und überspitzte Darstellung gemildert. Das Leben ist kein
Wunschkonzert, das stellt auch Sonja Heiss entsprechend dar und weist bereits im
Prolog darauf hin. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und darum empfehle
ich sie gerne uneingeschränkt weiter.