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Donnerstag, 7. September 2017

[Rezension Hanna] Die Gleichung des Lebens - Norman Ohler




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Die Gleichung des Lebens
Autor: Norman Ohler
Hardcover: 416 Seiten
Erschienen am 7. September 2017
Verlag: Kiepenheuer & Witsch

Inhalt
Im Jahr 1747 erhält das Mathematikgenie Leonard Euler von König Friedrich dem Zweiten einen ungewöhnlichen Auftrag. Friedrich will das Oderbruch, ein Sumpfgebiet östlich von Berlin, trockenlegen, um dort Flüchtlinge anzusiedeln und Kartoffeln anbauen zu lassen. Euler soll Realisierbarkeit, Dauer und Kosten berechnen – aber nicht in der Akademie, sondern vor Ort. Die Dimension der Aufgabe lasse sich dort erst richtig begreifen. So recht überzeugt ist Euler nicht, doch auf Befehl des Königs macht er sich auf den Weg. Die Arbeiten am neuen Kanal sind schon in vollem Gange und werden vom mysteriösen Tod des leitenden Ingenieurs überschattet. Ob Euler dieses Rätsel nicht lösen könne…? Gleichzeitig betrachten die Bewohner des Gebietes, die von der Fischerei leben, die Entwicklungen mit Sorge. Werden sie die Pläne unterstützen oder Widerstand leisten?

Meinung
Das ganz in grün gehaltene Cover des Buches zeigt die Sumpflandschaft des Oderbruchs und gibt einen Vorgeschmack auf den Schauplatz der Geschichte. Gleich zu Beginn wird ein Toter gefunden: Der Aufseher des Fischmarkts von Wrietzen findet den französischen Ingenieur für den neues Kanal tot im Wasser treibend. Als Todesursache wird ein Stich ins Herz festgestellt mit einer Waffe, wie sie nur die beiden Einflussreichsten Familien der Brücher besitzen. Beide weisen von sich, etwas mit der Sache zu tun zu haben. Doch die Zukunft des Bruchs führt bei ihnen trotzdem zu hitzigen Diskussionen.

Nach einem ersten Einblick, was im Bruch vor sich geht, springt die Geschichte nach Berlin und man trifft auf den Mathematiker Leonard Euler. Er lebt für die Wissenschaft und hat es bislang aus seiner Sicht erfolgreich vermieden, nach Sanssouci zu reisen. Doch nun muss er seine Forschung für einen Tag pausieren und dem Ruf des Königs folgen. Euler machte für mich den Eindruck eines leicht chaotischen Genies. Er geht an Neues kritisch heran und wird davon angetrieben, Dinge herausfinden zu wollen. Wenn die Sprache auf den König kommt ist er etwas mürrisch, doch im Grunde genommen ist er aufrichtig und wissensdurstig, weshalb ich ihn mochte.

König Friedrich lernt man bei Eulers Besuch als Visionär kennen. Er hat große Pläne und will, dass sie realisiert werden. Aufgeben ist für ihn keine Option. In seinem Plan rund um die Trockenlegung des Oderbruchs, die Ansiedlung von Flüchtlingen und der Nutzung des Bodens für den Anbau der frisch aus Amerika importierten Kartoffel ist Euler ein wichtiges Rad im Getriebe, weshalb er zur Recherche vor Ort ausgesandt wird.

Bald trifft auch Euler im Oderbruch ein und beginnt, sich umzuschauen. Gleichzeitig versucht er, unauffällig mehr über den Tod des Ingenieurs in Erfahrung zu bringen. Dem Autor ist es insbesondere bei allen Szenen im Oderbruch außerordentlich gut gelungen, die Atmosphäre einzufangen. Die schwüle Luft, das Surren der Mücken, das Schmatzen der Kutschenräder auf dem nassen Boden… die Szenerie wurde vor meinem inneren Auge lebendig. Ebenso wurden die Vor- und Nachteile der Trockenlegung gut dargestellt: Der Aufwand der Arbeiten am Kanal, die Verunsicherung der Fischer und die Hoffnung der neuen Siedler.

Als Leser erhält man einen umfassenden Eindruck der Situation. Die Handlung hätte aber noch straffer und schwungvoller erzählt sein dürfen. Viele einzelne Szenen lassen ein umfassendes Gesamtbild entstehen, doch die Ermittlungen zum Mordfall, der meine Neugier gleich zu Beginn weckte, geraten immer wieder in den Hintergrund und auch die Brücher brauchen lange, bis sie eine Entscheidung treffen und nach ihr handeln. Zum Ende hin erlebte ich schließlich einige Überraschungen und es wurde richtig spannend – ein gelungener Abschluss der Geschichte.

Fazit
In „Die Gleichung des Lebens“ wird Leonard Euler vom König ins Oderbruch geschickt, um Berechnungen anzustellen. Bald ermittelt er darüber hinaus in einem Mordfall und setzt sich mit dem Für und Wider einer Trockenlegung auseinander. Die Handlung hätte noch straffer sein können, während mir die Charaktere und die Darstellung der verzwickten Situation sehr gut gefallen haben. Eine atmosphärisch dicht erzählte Geschichte, die das Oderbruch vor meinem inneren Auge lebendig werden ließ. Historisch interessierten Lesern kann ich das Buch klar empfehlen!