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Das Haus der Granatäpfel
Das Haus der Granatäpfel
Autorin: Lydia Conradi
Hardcover: 672 Seiten
Erschienen am 2. Oktober 2017
Verlag: Pendo
Inhalt
Smyrna, 1912: Neugierig reist Klara von Berlin zur florierenden Stadt
an der Ägäisküste. Dort wird sie Peter Delacloche heiraten, dessen Vater ein
einflussreicher Warenhausbesitzer ist. Doch der Erbe der Familie stellt sich
als noch langweiliger heraus als gedacht und auch mit seinen Schwestern wird
Klara nicht wirklich warm. Bald lässt sie sich auf etwas ein, das ihren Ruf
gänzlich ruinieren könnte. Schließlich muss ausgerechnet Sevan, der armenische
Arzt der Familie, über ihr Schicksal entscheiden. Als ein neuer Krieg ausbricht,
ändert sich erneut vieles für Klara und die Delacloches…
Meinung
Das orientalisch anmutende Cover hat mich schnell neugierig gemacht,
welche historische Geschichte sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Zu Beginn
des Buches lernt man den neunjährigen Sevan kennen, der mit seinem Onkel zum
ersten Mal nach Smyrna reist und dort Klaras Vater trifft. Dieser merkt, dass
Sevan eine Brille braucht, um scharf sehen zu können – für Sevan eine folgenreiche
Erkenntnis. Dann springt das Buch einige Jahre weiter und man erlebt die erste
Begegnung von Klara und Peter, bevor man im Jahr 1912 bei der Hochzeit der
beiden tiefer in die Geschichte eintaucht.
Klara, die im Zentrum der Geschichte steht, ist sicherlich keine
Sympathieträgerin. Fest entschlossen, die fremde Stadt Smyrna zu erobern,
heiratet sie Peter. Sie trifft ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus und
verdrängt die Konsequenzen. Damit bringt sie sich selbst immer wieder in eine
verzwickte Lage. Oft macht es den Anschein, als schere sie sich wenig um die
Meinung der anderen, doch hinter ihrer Fassade entdeckt man Verbitterung und
den Wunsch, dazuzugehören. Auch wenn ich mit ihren Entscheidungen oft nicht
einverstanden war fand ich es interessant, ihre charakterliche Entwicklung mitzuerleben.
Neben Klara wird auch das Glück und Unglück der Menschen in ihrer
Umgebung beleuchtet. Auf dem Vorsatzblatt ist ein Stammbaum abgedruckt, damit
der Leser den Überblick über die familiären Verbindungen behält. Das war zwar
hilfreich, aber er verrät für mich zu viel. Da gibt es zum Beispiel Theri, die
Verlobte von Peters Bruder, die allseits beliebt ist, deren Heirat aber nicht näher
rückt. Außerdem Peters Schwestern Xenia, die ein trauriges Geheimnis hütet, und
Kiki, die in ihren Musiklehrer verliebt ist. Und natürlich Sevan, der für alle
nur das Beste will, von seiner geliebten Frau aber verachtet wird. Diese und
einige weitere Personen begleitet man als Leser mehrere Jahre lang auf ihrem
Weg.
Die persönlichen Schicksale werden immer wieder stark von den
politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Smyrna ist eine
bunte Stadt, in der Menschen verschiedener Abstammung und Religion beisammen
leben. Trotz dieser Vielfalt denken viele in starren Mustern und man erlebt
Ausgrenzung, Diskriminierung und schließlich auch Schlimmeres. Gleichzeitig
bestimmen Kriege das Geschehen – Männer ziehen in den Kampf und auch die
Zurückgebliebenen spüren die Auswirkungen.
Das Granatapfelhaus, in welchem die Delacloches ihre Sommer verbringen,
bietet über die Jahre immer wieder einen sicheren Rückzugsort, der manchmal
geradezu magisch erscheint. Was dort geschieht, bleibt dort, und Klara ist
nicht die einzige, die sich nach diesem Ort sehnt, sobald sie nicht dort ist.
Doch kann der Ort trotz aller Entwicklungen eine Zuflucht bleiben?
Die politische und gesellschaftliche Lage wird immer wieder recht
ausführlich beschrieben und diskutiert. Hier erkennt man die ausführliche
Recherche der Autorin. Ich hätte mir die Geschichte trotzdem noch etwas
schwungvoller gewünscht. Außerdem hätte ich nach dem Lesen der Buchbeschreibung
nicht erwartet, dass das Unglück so deutlich das Glück überwiegt, sodass das
Buch deutlich mehr Drama als Liebesgeschichte bietet. Zum Ende des Buches hin
wird es noch einmal sehr spannend, aber auch düster mit einem bedrückenden
Abschluss.
Fazit
„Das Haus der Granatäpfel“ nimmt den Leser mit nach Smyrna, wo Klara
auf der Suche nach persönlicher Erfüllung ein großes Risiko eingeht. Die
Geschichte beleuchtet ihr Schicksal ebenso wie das vieler Personen ihrer
Umgebung und blickt auch ausführlich auf die politischen und gesellschaftlichen
Entwicklungen der Zeit. Ein Buch, das im Verlauf zunehmend dramatisch wird und
dem Leser einen authentischen Einblick ins Smyrna der 1910er Jahre gibt.