#LiteraTour - Was ist das eigentlich?
Und was hat der "Aquariumtrinker" von Mischa Kopmann damit zu tun?
LiteraTour ist eine Idee von Janine Hasse vom Blog "Das Debüt" (vorher "Zeilensprünge"). Nach einem Aufruf von ihr zum Mitmachen habe ich mich gemeldet. Außer mir haben sich noch weitere sechs Mitleser gefunden. Den Roman "Aquariumtrinker" von Mischa Kopmann aus dem Osburg Verlag hat Janine zu Beginn der Tour ausgelost. Als erstes hat sie selbst das Buch gelesen. Dabei war alles erlaubt, was den Leseprozess der teilnehmenden Leser deutlich macht beispielsweise Markierungen im Buch, Knicke und Eintragungen. Danach ist das Buch auf die Reise gegangen. Jeder Mitleser kann das Buch bis zu drei Wochen besitzen und wie oben beschrieben damit verfahren. Bei mir war die vierte Anlaufstelle des Romans.
Damit ich unbeeinflusst an den Text gehen konnte, habe ich mich vorher nicht mit dem Buch beschäftigt, nur mal kurz den Klappentext gelesen. Aber natürlich hat bereits der Titel mich neugierig gemacht und so war ich gespannt darauf, was sich dahinter verbirgt. Wie üblich habe ich mir Märkerchen aus dünnem Plastik bereitgelegt, die ich sonst an den Stellen ins Buch klebe, die ich wichtig für meine Rezension halte. Damit kennzeichne ich manchmal biographische Daten wie Alter und Wohnort des Protagonisten oder anderer wichtiger Personen, im späteren Lesefluss eher Aussagen, die ich nicht vergessen möchte. Nach hinten hin finden sich im Buch immer weniger Marker, weil ich nicht zu viel über die Geschichte verraten möchte. Grundsätzlich schreibe ich meine Rezensionen aber aus dem Gesamtgefüge des Romans und bringe meine eigenen Empfindungen beim Lesen dazu ein. Außerdem habe ich mir vor dem Leser von "Aquariumtrinker" einen Filzstift mit dünner Spitze genommen, um mich farblich von den bisherigen Eintragungen abzuheben. Sehr schnell habe ich festgestellt, dass ich die Marker hier nicht benötige, denn es war für mich eine ganz neue Erfahrungen auffällige Eintragungen direkt ins Buch zu schreiben :)
Bevor die Erzählung des Buchs startet, liest man drei Anmerkungen des Autors, die sich darauf beziehen, dass Handlung und Figuren des Buchs rein fiktiv sind, auch die Namensgebung. Ebenfalls weist der Autor auf seine besondere Art der Kommasetzung hin. Auf der nächsten Seite findet sich ein Dreizeiler aus einem amerikanischen Song, der den "Aquariumtrinker" beinhaltet. Hier habe ich durch einen "Vor"-Leser das ganze Gedicht als Einkleber vorgefunden.
Ich habe mir den Protagonisten Leon Spiehr bald schon so vorgestellt, wie der Gitarist auf dem Cover. In meinem Kopf entstand das Bild eines Menschen, der sehr viel Wert darauf legt, seine Gedanken frei zu halten und sich nicht in ein Arbeitsverhältnis "einsperren" zu lassen. Die Kapitel sind sämtliche kurz, d.h. nur wenige Seiten lang. Bereits im zweiten Kapitel erfuhr ich, dass seine Ehe gescheitert ist, im siebten Kapitel sieht er ein, dass sich von der Musik allein nicht leben lässt und sucht sich einen Job als Lebensmittellieferant. Sein Einsatzgebiet ist Blankenese, seiner Meinung nach das Beverly Hills von Hamburg. Von diesem Zeitpunkt an, erzählt Leon vieles über seine gutbetuchte Kundschaft, in erster Linie von weiblicher. Er schweift immer wieder in die Vergangenheit. Wahrscheinlich hält er das für nötig, um zu erklären, wie er heute ist und warum er Probleme hat. Immer wieder wird er depressiv und erhält entsprechende psychotherapeutische und klinische Behandlung. Es gibt seltene Momente im Buch, die Mut und Glück vermitteln und wenn, sind sie mit Liebe und Musik verknüpft. Alles hinterfragt er kritisch und einem "Aquariumtrinker" gleich offenbart er seine Meinung dem Leser. Keine Konsequenzen für ihn -> Depression
Zum Ende hin wirkt Leon jedoch auf eine bestimmte Weise befreit, vielleicht weil er eine Möglichkeit gefunden hat, Rache zu üben an Personen, durch die er in der Vergangenheit körperliche Gewalt erfahren hat. Stellvertretend büßen sie nicht nur für ihr eigenes Vergehen, sondern auch für all die Kränkungen, Fehlschläge und Herabsetzungen im bisherigen Leben von Leon. Drogen suggerieren ihm Macht über Leben und Tod, die Realität gibt ihm auf andere Weise die Möglichkeit dazu. Ob die Schlusssequenz jedoch gelebt sein soll oder einen Traum wiedergibt ist nicht zu erfahren.
Die Geschichte blieb für mich nicht wirklich greifbar. Nach dem ersten Kapitel hatte ich mir eine Erzählung mit vielen Anspielungen auf Musik und das Leben eines Straßenmusikers erwartet. Gefunden habe ich (überwiegend) eine gesellschaftskritische Schilderung der Bewohner des Stadtteils Blankenese und eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit des Protagonisten.
Die LiteraTour war eine interessante Erfahrung. Natürlich werden mit mit weiteren Lesern auch die Randbemerkungen und Notizen zunehmen. Ich habe versucht, mich dadurch nicht beeinflussen zu lassen. Gerade bei diesem Buch war es jedoch schwierig, gewisse Anspielungen zu verstehen und ich war manchmal dankbar, über die vorgefundenen Erläuterungen. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob es leichter wird als nachfolgender Leser das Buch zu lesen. Ich bin sehr gespannt darauf, was die weiteren Romanleser berichten werden und auch auf den abschließenden Bericht von Janine.
Wie findet ihr die Grundidee zur LiteraTour? Könntet ihr euch vorstellen, an einem solchen Buchprojekt teilzunehmen?
Eure Ingrid