„Die Farbe von Milch“ hat das Haar der fünfzehnjährigen
Protagonistin Mary im gleichnamigen Buch der Engländerin Nell Leyshon. Marys
Lebensweg ist bisher so stachelig und dornig wie die auf dem Cover abgebildeten
Gewächse darunter Disteln, Ilex und Himbeere. Sie kam als vierte von vier
Geschwistern, alles Mädchen, mit einer Behinderung am Bein zur Welt und wächst in
bäuerlichen Verhältnissen auf einem kleinen Hof auf. Schon früh müssen die
Kinder dem Vater zur Hand gehen, da das Geld nicht für einen Knecht oder eine
Magd ausreicht. Wie es dazu kam, dass sie von dieser aussichtslosen Situation
heraus dennoch Lesen und Schreiben lernte, davon erzählt dieser Roman.
Es ist das Jahr 1831 als Mary, wie von ihr betont, selber
ihre Geschichte aufschreibt. Sie beginnt am Anfang, für sie nicht zwingend aber
sinnvoll, und der ist ungefähr ein Jahr her. Die zurückliegenden Ereignisse
unterteilt sie in die vier Jahreszeiten, die gleichzeitig die Kapitel im Buch
bilden. Bereits auf der ersten Seite spürte ich einen gewissen Zeitdruck unter
dem sie schreibt, denn sie mahnt sich selbst zur Geduld. Unterschwellig wurde
dadurch meine Neugier geweckt, was sie dazu drängt, sich zu beeilen.
Das Leben auf dem Land ist im 19. Jahrhundert hart, die
meisten Tätigkeiten erfordern Muskelkraft. Entscheidungen trifft ausschließlich
der Hofbesitzer und das ist Marys Vater. Ihm haben auch seine Frau, seine
Kinder und sein kranker Vater zu gehorchen. Arbeiten, beten und schlafen ist
der Alltag. Fatalistisch erledigt Mary ihre Arbeit, ohne sich je ein anderes
Dasein zu erhoffen. Trotzdem hebt sie sich von anderen Schicksalsgenossen
dadurch ab, dass sie immer ihre Meinung äußert, so schmerzlich sie für manch
einen auch sein mag. Ihr Verstand ist hellwach und ob bewusst oder nicht, so
gelingt es ihr manchmal mit Bauernschläue ihren eigenen Wille durchzusetzen.
Nell Leyshon nutzt für ihren Roman eine besondere, eine
einfache Sprache ungeachtet der Interpunktion, die den Lernstand der
15-jährigen widerspiegelt. Marys Geschichte ist auf das Wesentliche beschränkt,
abhängig von der Zeit die ihr zum Schreiben bleibt, und gerade dadurch so
eindringlich. „Die Farbe von Milch“ ist ein ungewöhnlicher Roman, der das
gewöhnliche Los von Frauen auf dem Land in der damaligen Zeit darstellt.
Berührend, ergreifend, in Erinnerung bleibend und eine klare Leseempfehlung!
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Titel: Die Farbe von Milch
Autorin: Nell Leyshon
Übersetzerin: Wibke Kuhn
Erscheinungsdatum: 22.09.2017
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband, Leseexemplar (über TT)