Im Roman „Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ von Stephanie
Butland kommen sich die Protagonistin Loveday und der Illusionist Nathan durch
ihre Vorträge beim Poetry-Slamen näher. Den Ausdruck ihrer Gefühle, den sie nur
in dieser Form der Lyrik finden, lässt den jeweils anderen tiefer in ihre Seele
blicken und bringt Verletzungen aus der Vergangenheit ans Tageslicht. Die
Ausdrucksform gibt ihnen aber auch die Möglichkeit das auszusprechen, was sie
sich im Alltagsleben nicht zu sagen trauen. Nicht nur auf dem Cover fliegen die
Blätter eines Buchs wie fliegende Gedanken, sondern auch auf den
Kapitelanfängen.
Loveday ist Mitte zwanzig und arbeitet seit zehn Jahren im
Antiquariat Brodie in York/England, zunächst als Aushilfe, später als
Vollzeitkraft. Eines Tages findet sie auf ihrem Weg zur Arbeit ein gebrauchtes
Buch. In der Buchhandlung meldet sich auf ihren Aushang hin Nathan, der das
Buch verloren hat. Er ist Leiter eines regelmäßig stattfindenden Poetry-Slams
und lädt Loveday dazu ein. Obwohl sie zunächst ablehnt, gibt sie ihrer
Neugierde schließlich nach, denn im Stillen hat auch sie bereits einige
Gedichte geschrieben. Gemeinsam mit Loveday‘s Chef Archie gelingt es Nathan den
Schutzschild, den sie um sich errichtet hat, einzureißen.
Als Leser merkte ich von Beginn an, dass Loveday eine zu
tiefst verletzte Persönlichkeit ist und es dazu ein erklärendes Ereignis aus ihrer
Kindheit geben muss. Sie liebt ihre Arbeit, lebt aber zurückgezogen und
vertieft sich in die Geschichten der Bücher, die sie liest. Äußerlich fällt sie
durch ihr Nasenpiercing und ihre Schrifttatoos auf.
Die Geschichte wird auf drei Zeitebenen von Loveday selbst
erzählt. Neben der Gegenwart gibt es Abschnitte, die im Jahr 1999 spielen und
mit „Krimi“ überschrieben sind. Dadurch lässt sich leicht ahnen, dass das hier
zu Beginn geschilderte Familienleben von Loveday und ihren Eltern unsanft
gestört werden wird. Weitere Teile des Buchs spielen in einer Vergangenheit,
die erst drei Jahre zurück liegt. Darin schildert die Protagonistin ihre
gescheiterte erste Liebesbeziehung. Loveday zeigt also nicht nur aufgrund der
Erlebnisse in ihrer Kindheit ein abwehrendes Verhalten, sondern ebenfalls
aufgrund des Ausgangs ihrer ersten Schritte in Richtung feste Beziehung. Sie
hat ein tiefes Misstrauen zu ihrer Umwelt entwickelt.
Mit und mit erfuhr ich als Leser, wodurch ihr Verhalten
erklärt werden kann. Stephanie Butland entwirft eine sehr berührende Erzählung,
die aufzeigt, dass seelische Leiden in früher Kindheit nicht nur durch Fürsorge
geheilt werden können. Loveday ist aufgrund fehlender anderer Gelegenheiten
sehr mit sich selbst beschäftigt. Obwohl sie sich vieler ihrer Fehler bewusst
ist, gelingt es ihr nicht, über ihren Schatten zu springen. Die Protagonistin
ist aufgrund ihres argwöhnischen Verhaltens nicht unbedingt liebenswert, doch
die Figuren des kauzigen, warmherzigen Antiquitätenhändlers Archie und der
dandyhafte, selbstbewusste Nathan, gleichen das aus. Das uneingeschränkte
Schuldeingeständnis der Mutter hat mich überrascht und hat sicher das Leben
ihrer Tochter nachhaltig beeinflusst.
„Ich treffe dich zwischen den Zeilen“ ist ein einfühlsam
geschriebener Roman, der die Kraft der Worte wiederspiegelt. Besonders hat es
mich gefreut, dass die Autorin, die selbst an Poetry-Slams teilnimmt, einige
Texte in ihren Roman einbindet. Gerne empfehle ich das Buch weiter.
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Titel: Ich treffe dich zwischen den Zeilen
Autorin: Stephanie Butland
Übersetzerin: Maria Hochsieder
Erscheinungsdatum: 02.10.2017
Verlag: Knaur (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Taschenbuch mit Klappen (Rezensionsexemplar)