Ruhig liegen die Ruderboote vor einer Küste mit reichlich
Vegetation. Schon beim Betrachten ahnte ich so, dass mich der Roman „Die
Hoffnung“ von Mich Vraa in die Karibik führen wird. Der Sepiaschleier, der auf
dem Cover liegt, ließ mich vermuten, dass die Erzählung in der Vergangenheit
spielt. Und so ist es auch. Das Geschehen beginnt im September 1788 während der
letzten Fahrt von Kapitän Anton Frederiksen auf seinem Schiff „Hoffnung“ von
Westindien zurück zu seiner Heimat Dänemark. Das Buch trägt den Namen des
Schiffs. Die Fregatte hat in den vergangenen Jahren Sklaven von Guinea auf die
westindischen Inseln transportiert. Und so steht der Name „Hoffnung“ für die Mannschaft
und vor allem für den Kapitän für die Aussicht auf reichlichen Gewinn durch
diesen Handel, nach der Ansicht eines Plantagenbesitzers auch für die Erwartung
der Sklaven, eines Tages ihre Freiheit zurück zu erhalten. Auch Maria, die
heranwachsende Tochter von Kapitän Frederiksen, die eine der Protagonisten des
Romans ist, hat eine große Hoffnungr, nämlich darauf, dass ihre Mutter wieder
zu der Familie zurückkehrt. Schließlich erhofft sich der dänische Humanist
Mikkel Eide von seiner Reise in die Karibik, dass er mit seinem Bericht über
die Verhältnisse auf den Inseln die Dänen über die Grausamkeiten der Sklaverei
aufklären und damit zur Befreiung der Schwarzen beitragen kann.
Maria ist im Jahr 1803 15 Jahre alt, hat die Schule
abgeschlossen und ihren Vater darum gebeten an einer Fahrt seines Schiffs „Hoffnung“
teilzunehmen. Anton Frediksen gibt ihrem Wunsch statt für eine kurze Reise vom
Süden Odenses nach Jütland auf der er selbst sie begleiten wird. Doch bereits
nach wenigen Stunden an Bord bemerken die beiden einen Kurswechsel. Es kommt zu
einer Auseinandersetzung in Folge dessen sowohl der Vater wie auch die Tochter dazu
gezwungen werden die „Hoffnung“ auf ihrer Fahrt zur Küste Guineas zu begleiten.
Mit Erschrecken stellt Maria fest, dass dort Sklaven zum Weiterverkauf in
Westindien aufs Schiff gebracht werden, obwohl der dänische Staat inzwischen
ein entsprechendes Handelsverbot erlassen hat. Zwanzig Jahre nach dieser Fahrt
begibt sich der dänische Professor Mikkel Eide auf ein Schiff Richtung
Westindien. Dort stellt er fest, dass seine Vorstellungen über das Leben auf
einer Plantage und speziell das der Sklaven nicht mit der Realität überein
stimmen. Seine Gefühle kann er kaum in Worte fassen.
In Mich Vraas Roman sind alle handelnden Figuren fiktiv, die
historischen Hintergründe aber stimmen. Die Erzählung spielt auf drei
Zeitebenen und setzt sich aus verschiedenen, meist erdachten schriftlichen
Dokumenten in Form von Tagebucheinträgen, Briefen, Manuskripte, aber auch historischen
Erlasse und anderem zusammen. Durch diese ganz besondere Form musste ich mich
zunächst kurz zurechtfinden um die unterschiedlichen Erzählhandlungen zeitlich
einzuordnen. Eine Zuweisung war nicht schwierig, denn jedes Schriftstück ist mit
einem Datum überschrieben.
Maria ist noch in jugendlichem Alter, als sie auf ihre erste
Schifffahrt geht. Sie nimmt den Wohlstand wahr, in der sie lebt, doch den
Zusammenhang zum Sklavenhandel kennt sie nicht. Für Dänemark ist er ein großer
wirtschaftlicher Faktor. Ich war entsetzt als ich davon las, dass das Verbot
des Handels mit der Empfehlung einherging, die Sklaven auf den Inseln auf
natürliche Weise zu vermehren. Denn das Handelsverbot bedeutete nicht das
gleichzeitige Verbot des Haltens von Sklaven!
Der Autor nimmt in seinem Text die Sprache der damaligen Zeit
auf. Hier findet sich auch noch oft das heute als Beleidigung verwendete Wort „Neger“.
Nach allgemeiner Auffassung galten die Guineer als deutlich besser geeignet
für harte Arbeit bei heißen Temperaturen als die Dänen. Mich Vraa hat seine
Charaktere so kreiert, dass sie die verschiedenen Sichtweisen der weißen
Bevölkerung auf die Sklaverei repräsentieren. Deutlich wird das beispielsweise
in der fiktiven Figur des Mikkel Eide für den es befremdlich ist, in einer
charmanten gastfreundlichen Person, einen ebenso ausnutzenden Sklavenhändler zu
finden, der vor Bestrafung seiner Arbeiter nicht zurückschreckt. Der Handel mit
der Ware Mensch, begleitet von der Ansicht der Person als Sache, ist bestürzend.
Damit einher geht die Unmöglichkeit eines Agierens, egal welcher Art, auf
gleicher Höhe. Die Afrikaner bleiben bis auf eine Ausnahme eine homogene Menge,
die stellvertretend für alle in Unfreiheit lebenden Menschen steht und deren
Schicksal verstörend und befremdend ist. In seinem Nachwort verspricht der
Autor, in seinem nächsten Werk dieser Masse ein Gesicht zu geben.
Mich Vraa schildert in seinem Roman die Grausamkeiten der
Sklaverei in aller Deutlichkeit, ohne auf die Argumente der Befürworter zu
verzichten. Der Autor hat mir die Geschehnisse sehr nahe gebracht. Trotz des vollständigen
Wandels der Einstellung zur Sklaverei liest sich das Buch mit Blick auf die
historischen Realitäten beunruhigend und erschreckend. Wer sich gerne auf ein Abenteuer
einlässt und in ein dunkles Kapitel unserer Vergangenheit eintauchen möchte ist
hier richtig. Gerne vergebe ich dazu eine Leseempfehlung.
*Werbung*
Titel: Die Hoffnung
Autor: Mich Vraa
Übersetzer: Ulrich Sonnenberg
Erscheinungsdatum: 05.10.2017
Verlag: Hoffmann und Campe (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband