Sonntag, 28. Januar 2018

[Rezension Ingrid] Die Oleanderfrauen von Teresa Simon


Die junge Frau auf dem Cover des Romans „Die Oleanderfrauen“ von Teresa Simon blickt über eine grüne ausschweifende Parkfläche auf ein stattliches Herrenhaus. Hier könnte Mitte der 1930er Jahre Sophie gewohnt haben, eine der Protagonistinnen der Geschichte, denn sie gehört zur Familie eines einflussreichen Kaffeehändlers in Hamburg.  Von ihr wird erwartet, dass sie sich eines Tages standesgemäß verheiratet. Auf dem Anwesen befindet sich ein Glashaus, in dem die Oleanderpflanzen von Sophies Mutter überwintern. Der Ort eignet sich perfekt für heimliche Stelldicheins mit dem Geliebten. Liebe jedoch kann Gebote und Standesdünkel überwinden und noch viel mehr wie sich später zeigen wird. Doch das ist nur eine der beiden Handlungsfolgen des Buchs, das auf zwei Zeitebenen spielt.

Im Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, besitzt Jule Weisbach seit zwei Jahren in Hamburg-Ottensen ein Café, das sie nach ihrem abgebrochenen Studium eröffnet hat. Eines Tages informiert ihr Vermieter sie über eine drastische Mietpreiserhöhung. Die engagierte junge Frau sucht verzweifelt nach weiteren Verdienstmöglichkeiten. Über eine gute Freundin erhält sie den Auftrag, eine ungewöhnliche Hochzeitstorte zu gestalten. Doch sie selbst ist mit ihrer Arbeit nicht zufrieden. Die über 70-jährige Johanna erfährt als Kundin des Cafés von Jules Dilemma und bietet ihre Hilfe an. Während ihrer Zusammenarbeit erzählt Johanna Jule vom Tagebuch Sophies, das sie auf dem Dachboden ihrer Mutter gefunden hat. Sophie hat das Buch als 16-jährige im Jahr 1938 begonnen, zu einer Zeit, als ihre Gefühle sich für Hannes, den Sohn der Köchin, veränderten. Früher waren sie Spielgefährten, doch nach einer langen Reise von Hannes, fühlt Sophie sich immer stärker zu ihm hingezogen. Johanna und Sophie sind gespannt, ob die beiden eine gemeinsame Zukunft haben werden.

Der Autorin ist hier eine gelungene Verknüpfung der zwei Handlungsebenen gelungen. Als Historikerin versteht sie es, die vorliegenden realen Fakten der Vergangenheit ansprechend einzukleiden und zum Lesen so aufzubereiten, dass die Fiktion als tatsächlich stattgefunden wahrgenommen wird. Den geschichtlichen Hintergrund des Romans bildet zu Beginn die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Schon bald machen sich die Auswirkungen der Politik auf den Kaffeehandel bemerkbar. Obwohl Sophie behütet aufwächst, bleibt auch ihr nicht die zunehmende Macht der Nationalsozialisten verborgen und ihre Besorgnis wächst. Nahezu ohnmächtig nimmt sie die Verfolgung der Juden, von kranken und behinderten Menschen sowie Homosexuellen wahr.

Teresa Simon lässt Sophie weite Teile ihrer Geschichte in Tagebuchform selbst erzählen, so dass ich ihr Gefühlschaos gut nachvollziehen konnte. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs verändern sich noch einmal Sophies Lebensumstände. Neben dem Bangen um ihre große Liebe, hoffte ich nun darauf, dass sie den Krieg unbeschadet überstehen wird. In einem Nachwort hat die Autorin die wichtigsten historischen Daten kurz in Erzählweise zusammengefasst.

Sowohl Sophie wie Jule sind Frauen mit einem starken Willen, die sich für ihre Ideale einsetzen und dabei auch Rückschläge erleben. Dennoch lassen sie sich nicht so schnell unterkriegen. Gerade die Ecken und Kanten der beiden Frauen machen sie sympathisch und glaubhaft. Die Beschreibung des angebotenen Gebäcks in Jule Kaffee weckte an manchen Stellen bei mir das Verlangen nach einem Stück Kuchen mit authentischem Kaffee. Glücklicherweise hat die Autorin im Anschluss an den Roman einige Rezepte angefügt.

Durch den Wechsel der beiden Perspektiven und entsprechenden Cliffhangern entsteht mit der Zeit ein zunehmender Lesesog, dem ich mich nicht entziehen konnte um zu erfahren, wie beide Geschichten zusammenhängen und enden. Ich kann den Roman jedem empfehlen der nach einer unterhaltsamen mitreißenden Familiengeschichte sucht, die eingebettet in zwei Zeitebenen ist und eine bewegende historische Zeitepoche beinhaltet. 

*Werbung
Titel: Die Oleanderfrauen
Autorin: Teresa Simon
Erscheinungsdatum: 09.01.2018
rezensierte Ausgabe: Taschenbuch mit Klappen

Freitag, 19. Januar 2018

[Rezension Hanna] Im Kopf des Mörders. Kalte Angst - Arno Strobel



*Werbung*
Im Kopf des Mörders. Kalte Angst
Autor: Arno Strobel
Taschenbuch: 368 Seiten
Erschienen am 11. Januar 2018
Verlag: FISCHER Taschenbuch

Inhalt
Es ist der erste Mordfall nach der Auszeit von Oberkommissar Max Bischoff: In Düsseldorf-Gerresheim wurden ein Junge und sein Vater vor den Augen der Mutter ermordet. Der Täter trug eine Fliegenmaske und hat mit verzerrter Stimme gesprochen. Max geht der Fall besonders nahe, sieht er doch immer wieder Jenny vor sich. Kurz darauf schlägt die Fliegenmaske erneut zu und bringt einen Mann um. Max und sein Partner Böhmer setzen alles daran, einen Ansatzpunkt zu finden, um weitere Morde zu verhindern. Ausgerechnet ein Insasse der Forensischen Psychiatrie in Langenfeld scheint voraussagen zu können, was als nächstes passiert. Doch er will nur gegen Freilassung kooperieren. Für Max und Böhmer entsteht ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit…

Meinung
Nach dem nervenaufreibenden ersten Fall für Max Bischoff, der für ihn persönlich tragisch endete, war ich neugierig auf den zweiten Band der Reihe. Die Handlung spielt erneut in Düsseldorf und setzt einige Monate nach den Ereignissen des ersten Bandes ein. Als Böhmer ihn zu einem Tatort ruft, ist es für Max der erste Mordfall seit dem Geschehenen. Dieses hat er noch immer nicht ganz verarbeitet, weshalb er sehr emotional auf die neuesten Ereignisse reagiert. Trotzdem oder vielmehr gerade deswegen will er unbedingt dafür sorgen, dass der Täter gefasst wird.

In kurzen Kapiteln werden dem Leser die Mordszenen aus der Sicht eines Opfers beschrieben. Diese Kapitel sind blutig und schockierend – für meinen Geschmack war das zu viel, sodass ich sie nur überfliegen konnte. Spannend fand ich hingegen die Ermittlungen, bei denen die SoKo Fliege bald unter großem Zeitdruck steht, um weitere Morde zu verhindern. Spurensuche und Befragungen nehmen nur wenig Raum ein. Stattdessen fokussieren sich Max und Böhmer schnell auf den Insassen der Forensischen Psychiatrie, der etwas über den Verlauf der Mordserie zu wissen scheint.

Das Tempo der Geschichte ist hoch und die Zeit, etwas über den Täter herauszufinden, ist mehr als knapp. Ich fand die Idee, das ausgerechnet ein eingesperrter Mörder als einziger Hinweise zu den laufenden Ermittlungen geben kann, gelungen. Die Gespräche mit ihm gestalten sich als zäh, da er zum einen in seiner eigenen Welt zu leben scheint und zum anderen nicht kooperieren will, wenn ihm keine Freiheit zugesagt wird. Immer wieder sprechen Max und Böhmer mit ihm und erhalten kleine Informationsbrocken, mit denen sie arbeiten müssen. Gut konnte ich die Verzweiflung und den Druck nachvollziehen, der auf der ganzen Soko und insbesondere Max lastet.

Etwas schade fand ich, dass für alle anderen Formen der Ermittlungen nur wenig Zeit bleibt. Max und Böhmer beschränken sich auf wenige Fragen und dem Täter gelingt es scheinbar, ohne irgendwelche Spuren zu den Tatorten zu gelangen und sie wieder zu verlassen. Zum Ende hin kann sich das Buch in Sachen Spannung noch einmal steigern. Schließlich erwartet den Leser eine große Überraschung, die mich in Sachen Plausibilität jedoch nicht hundertprozentig überzeugen konnte. Ein Cliffhanger auf den letzten Seiten zeichnete sich schon länger ab und konnte meine Neugier auf den dritten und wahrscheinlich letzten Teil der Reihe wecken.

Fazit
In „Kalte Angst“ wird Max Bischoff zum ersten Mal seit seiner Auszeit mit Morden konfrontiert, die er aufklären soll. Ich fand es interessant, dass ausgerechnet ein nicht allzu kooperationswilliger, eingesperrter Mörder der einzige Hinweisgeber ist. Max ist ein authentischer Charakter, der sich trotz seiner emotionalen Schieflage für die Ermittlungen brennt und mit dem ich mitfiebern konnte. Wer interessiert daran ist, mehr über ihn und seine Fälle zu erfahren, der startet am Besten mit dem ersten Teil „Tiefe Narbe“. Eine bislang gelungene Reihe, die ihr Niveau im zweiten Band halten kann.

Mittwoch, 17. Januar 2018

[Rezension Ingrid] Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie von Rachel Joyce


„Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie“ von Rachel Joyce ist ein Buch voller Musik. Ein Notenstreifen zieht sich in Wellen über das Cover des Romans. Weiter zu sehen sind eine junge Frau, ein junger Mann und zwei Stühle an einem kleinen Bistrotisch an dem die beiden sitzen werden und damit ist man schon mitten in der Erzählung. Die Autorin nahm mich zeitlich mit den Januar 1988 als die CD gegenüber der Vinylschallplatte an Bedeutung gewann. Der Roman erzählt nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern schaut auch auf die Auswirkungen der strikten Weigerung des Protagonisten Frank, CD’s in sein Sortiment aufzunehmen.

Frank besitzt seit 14 Jahren einen Plattenladen in einem langsam verfallenden Gebäude in einer Gegend mit Häusern ähnlichen Alters und Zustands. Es gibt nur noch wenige weitere Geschäfte in der Straße. In der Stadt ist Frank förmlich eine Institution, denn er verkauft Musik auf Vinyl aller Stilrichtungen und jeglichen Alters. Was ihn aber so einzigartig macht, ist sein Gespür dafür, welches Musikstück sein Kunde gerade benötigt, um wieder in eine gute Stimmung zu kommen. Eines Tages fällt eine junge Frau in einem auffallend grünen Mantel direkt vor seinem Laden in Ohnmacht kurz nachdem sie Frank durch die Schaufensterscheibe in die Augen geblickt hat. Sofort eilen er und einige andere ihr zu Hilfe. Frank vergisst, sie nach ihrem Namen zu fragen, bevor sie spurlos verschwindet. Er ist verwirrt, denn ihm ist aufgefallen, dass er ihr keine passende Musik zuordnen kann. Allerdings hat sie ihre Handtasche zurück gelassen und daher hofft er auf ein Wiedersehen.

Aus der Inhaltsangabe wusste ich, dass Schallplatten im Roman eine große Rolle spielen würden. Zunächst war ich skeptisch, ob ich die Songs kennen würde, die die Autorin für ihre Erzählung ausgewählt hat. Meine Bedenken wurden schnell zerstreut, denn Rachel Joyce schaffte es allein durch die Beschreibung der Komposition, egal ob ernst oder Unterhaltung, mir dessen Aussage zu vermitteln. Daher ist eine Kenntnis der einzelnen Stücke nicht unbedingt notwendig. Man spürt zwischen den Zeilen die Begeisterung der Autorin für die Musik. Sehr schön fand ich auch die kleinen Geschichten zu den Komponisten, die die Autorin ganz nebenbei einstreut.

Bereits bevor der Roman beginnt habe ich Frank und seine besondere Fähigkeit im Prolog kennen gelernt. Er ist ein Bär von einem Mann und ein Gemütsmensch der es versteht, anderen zuzuhören. Den Antrieb, seine Kunden glücklich zu machen und trotz Schwierigkeiten an seinem Plattenladen festzuhalten, konnte ich erst durch die Rückblicke auf seine Kindheit und Jugend besser verstehen. Diese Kenntnis zeigte leider auch eine unerfreuliche Seite des Protagonisten, wodurch er mir aber nicht weniger sympathisch wurde. Von Beginn an hätte ich gerne Ilse, die junge Deutsche, die ihre Tasche in seinem Laden zurück gelassen hat, an seiner Seite gesehen. Neben den beiden liebenswerten Hauptfiguren finden sich in der Geschichte noch eine ganze Reihe weiterer unverwechselbarer Charaktere, die zum besonderen Charme des Romans beitragen wie beispielsweise ein tollpatschiger Verkäufer, eine eifersüchtige Tattoo-Künstler und ein Devotionalien verkaufender Pater.

„Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie“ hat mir noch besser als erwartet gefallen. Es ist eine emotional berührende Erzählung durch mancherlei Hochs und Tiefs des Lebens. Rachel Joyce versteht es, eine gewisse Spannung zunächst durch die Suche nach Ilse aufzubauen und mich als Leser anschließend darum Bangen zu lassen, ob Frank seinen Laden schließen muss. Und natürlich habe ich auf ein Happy End für Frank und Ilse gehofft. Der Roman ist ein Plädoyer für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Man spürt das Herzblut der Autorin, das ihn ihm steckt. Zart und doch voller Kraft spielt er mit den Gefühlen der Leser und überrascht mit unerwarteten Wendungen Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

*Werbung
Titel: Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
Autorin: Rachel Joyce
Übersetzerin: Maria Andreas
Erscheinungsdatum: 29.12.2017
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag

Freitag, 12. Januar 2018

[Rezension Hanna] Olga - Bernhard Schlink



*Werbung*
Olga
Autor: Bernhard Schlink
Hardcover: 320 Seiten (Foto zeigt das TB-Leseexemplar)
Erschienen am 12. Januar 2018
Verlag: Diogenes

Inhalt
Olga hat schon als Kind gern ihre Umgebung beobachtet. Als ihre Eltern sterben, nimmt ihre Großmutter sie zu sich in ein kleines Dorf in Pommern. Dort lernt sie Herbert kennen, der am liebsten rennt, so schnell und oft es geht. Sie freundet sich mit ihm und seiner Schwester Viktoria an, Sprösslinge einer wohlhabenden Familie. Olga möchte Lehrerin werden, während Herbert sich zwar zu ihr hingezogen fühlt, aber immer wieder das Abenteuer in der Ferne sucht. Jahrzehnte möchte ein junger Freund Olgas das Unausgesprochene in ihrer Lebensgeschichte aufdecken, um zu verstehen.

Meinung
„Olga“ ist ein Buch, das aus drei ganz verschiedenen Teilen besteht. Es gibt dem Leser Einblicke in das Leben von Olga Rinke und lässt ihn schließlich auch hinter die Kulissen schauen. Wer einen emotionalen Roman erwartet, muss sich ein wenig gedulden. Denn erst einmal beginnt ein personaler Erzähler, in recht nüchternem Ton über Olgas Leben zu erzählen.


In diesen Kapiteln lernte ich Olga als strebsame Persönlichkeit kennen, die aus bescheidenen Verhältnissen kommt. Ihr Ziel ist es, Lehrerin zu werden, wozu sie sich das nötige Wissen selbst beibringen muss. Herbert ist dabei oft an ihrer Seite, während sich Viktoria mit den Jahren von ihr entfernt und nach standesgemäßen Freundinnen sucht. In hohem Tempo erhält man einen Abriss ihrer Kindheit und Jugend, der sich entwickelnden Liebe zu Herbert und seinen immer neuen Abenteuern in der Ferne, ihrer Tätigkeit als Lehrerin, wie es ihr in den Weltkriegen ergangen ist und in der Zeit danach.

Nach dem ersten Teil hatte ich einen umfassenden Eindruck von Olgas Lebensweg. Wie auch Olga gern beobachtet, so steht man als Leser am Rand und blickt auf die Ereignisse. Offen bleibt die Frage, wie sie sich bei all dem gefühlt hat. Im zweiten Teil berichtet ein Ich-Erzähler, der deutlich jünger ist als Olga, von seiner Freundschaft zu ihr, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg begann. Er vermittelt dem Leser seinen persönlichen Eindruck der gealterten Olga, die ihm seit seiner Kindheit gern Geschichten über Herberts Abenteuer erzählt und zu der er auch als Erwachsener Kontakt hält. Sein Bericht hat sich für mich ein wenig in die Länge gezogen. Schließlich stößt er auf alte Briefe, die Olga an Herbert geschrieben hat.

Im letzten Teil des Buches sind eben diese Briefe abgedruckt und vermitteln dem Leser ein noch klareres Bild von Olga. Endlich kommt sie selbst zu Wort. Alles Unausgesprochene, ihre Gefühle und Geheimnisse, hat sie hier festgehalten. Ihre Worte konnten mich berühren und ich begriff das ganze Ausmaß ihrer tragischen Geschichte und wie sie an Scheidewegen im Leben zu ihren Entscheidungen kam. Herbert bleibt eine Figur in der Ferne, die mehr ab- als anwesend ist, ein Objekt der Sehnsucht und vergeblicher Hoffnungen. Mir hat die schrittweise Annäherung an die Figur Olgas sehr gefallen. Das Buch zeichnet das Portrait einer entschlossenen und intelligenten Frau und ihrer großen Liebe vor dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts. Ich gebe eine klare Leseempfehlung.

Donnerstag, 11. Januar 2018

[Rezension Ingrid] Rattatatam, mein Herz von Franziska Seyboldt


Im Buch „Rattatatam, mein Herz“ von Franziska Seyboldt schildert die Autorin ihr Leben mit der Angst, wie es denn auch genauso im Untertitel heißt. Bereits als 12-Jährige hatte sie ein prägendes Erlebnis, das ihre Angst hervorrief, in Ohnmacht zu fallen. Dass sie erst als Erwachsene den Mut gefunden hat, darüber zu reden, wird verstärkt durch die Reaktion auf ihr damals ehrliches Bekenntnis einer Lehrperson gegenüber, die sich darauf eher abfällig äußerte. Das Buch hat einen Pappeinband, der gut in der Hand liegt und ein angenehmes Empfinden hervorruft. Die gelben Zacken auf dem Cover ließen mich an ein Elektro-Enzephalogramm denken, sind aber der kreative Ausdruck der Autorin einer Wiese.

Rattatatam, bumm, bumm, poch, poch – wer kennt es nicht, wenn der Herzschlag sich beschleunigt weil man sich in einer Situation befindet, die Angst hervorruft. Im Gegensatz zur Furcht als Reaktion auf eine konkrete oder erahnte Bedrohung bleibt bei der Angst unklar auf welche genaue Gefahr sie sich bezieht. Als Angststörung gilt eine krankhaft überhöhte Angst. Neben vielen verschiedenen Situationen in denen die Autorin Angst empfunden hat, schildert sie ihren Weg in die Therapie. Für sie bedeutete dieser Schritt, das Eingestehen eines Problems. Therapie kann unterschiedliche Formen haben und die nächste Schwierigkeit ist es, eine geeignete auszusuchen. Seit April 2017 hat jeder gesetzlich Versicherte die Möglichkeit bis zu drei Sprechstunden bei einem Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen, ohne Überweisung durch einen Arzt, zur Abklärung weiterer Schritte und zur Ermittlung der passenden Methode, auch verbunden mit einem Wechsel des Therapeuten.

Neben dem Besuch einer Therapie und der Schilderung ihrer Erfahrungen damit, hat die Autorin sich mit Literatur zum Thema beschäftigt und nennt beispielhaft Lektüre dazu. Obwohl ihre Erzählung ein schwieriges Thema behandelt, findet sie einen Schreibstil, der amüsant und locker-leicht zu lesen ist. Das liegt vor allem daran, dass sie auf ungewöhnliche Weise die Angst personalisiert.

Franziska Seyboldt hat den Mut gefunden, mit „Rattatatam, mein Herz“ ein wichtiges Thema, das vielfach verschwiegen wird, öffentlich zu machen auf eine Weise, die zur Diskussion anregt. Ich hoffe, dass das Buch viele Leser finden wird und vergebe gerne eine Leseempfehlung.

Ich selber habe auch Ängste, vor allem davor schwer zu erkranken, denn ich habe schon früh viele liebe Menschen durch schlimme Krankheiten verloren. Daher gehe ich zu allen Vorsorgeuntersuchungen mit großem Herzklopfen, sitze im Wartezimmer wie ein Krümelchen Elend und jedes unauffällige Ergebnis ist für mich ein unbeschwerter Schritt in die Zukunft, allerdings nur so lange bis die Angst sich wieder meldet.

Kennt ihr das auch? Welche Ängste habt ihr? Vorm Fliegen (ein früherer Nachbar bekam dabei immer einen schrecklichen Ohrenschmerz, ich dagegen fliege gerne), davor vor Publikum zu reden (bei mir im grünen Bereich, manchmal liebe ich es sogar),  vor Spinnen (ich mag sie auch nicht, vertreibe sie einfach) oder vorm Zahnarzt (klar, tut meist weh und ist unangenehm wenn er was an meinen Zähnen macht, aber da stirbt man ja nicht bei)? Vielleicht auch vor was ganz anderem? Schreibt doch einfach mal, wie es euch so geht oder ob ihr jemanden kennt, der eine Angststörung hat.

*Werbung*
Titel: Rattatatam, mein Herz
Autorin: Franziska Seyboldt
Erscheinungsdatum: 11.01.2018
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Pappband

Dienstag, 9. Januar 2018

[Rezension Ingrid] Der Preis, den man zahlt von Arturo Perez-Reverte


„Der Preis, den man zahlt“ von Arturo Pérez-Reverte ist der erste Band einer Serie rund um den spanischen Spion Lorenzo Falcó. Der Autor nimmt den Leser mit in das Jahr 1936 in dem der spanische Bürgerkrieg begann. Die in Sepiafarben getauchte Szene auf dem Cover führte mich direkt in den Beginn der Geschichte hinein, in der Falcó seiner Arbeit während einer Zugfahrt nachgeht, ohne auffällig zu werden. Schmerz bis hin zum Tod ist der Preis, den diejenigen zahlen, die wie Falcó bereit sind, Risiken einzugehen und dabei entdeckt werden.

In Salamanca trifft sich Falcó mit seinem Vorgesetzten, dem Leiter des nationalen Geheimdienstes, um neue Instruktionen zu empfangen. Falcó wird mitgeteilt, dass ihn sein nächster Einsatz nach Alicante führen wird. Unter anderem wird die paramilitärische faschistische Bewegung der Falangisten die Aktion unterstützen. Durch weitere Informationen erfährt er, dass der Einsatz einen hochrangigen politischen Gefangenen aus dem Gefängnis der spanischen Stadt an der Costa Blanca befreien soll. Ihm obliegt die Organisation, bei der er von einem Geschwisterpaar und einer jungen Frau mit dem Namen Eva Rengel unterstützt wird die alle zur Gruppierung der Falangisten gehören. Falcó fühlt sich, wie von vielen anderen Frauen auch, zu Eva hingezogen. Um den Inhaftieren zu befreien, müssen sie sich aufeinander verlassen und vertrauen können, obwohl sie voneinander nur grundlegende Fakten zur Kenntnis bekommen. Im Geheimdienst sind Fehler lebensgefährlich. Falcó ist im Job erfahren und Taktik gehört zu seinen Stärken, doch der Auftrag wird für ihn zu einer Gratwanderung.

Eva ist eine entschlossene, aber für mich als Leser auch dubiose Person. Ihr Eifer verbunden mit ihren Handlungen weckte nicht nur bei mir Zweifel an ihrem persönlichen Hintergrund. Mit dem Charakter des Lorenzo Falcó hat der Autor eine Figur geschaffen, die mir nicht sympathisch wurde. Falcó mordet gegen Bezahlung, ständig auf der Suche nach dem gewissen Kick. Er raucht wo immer es möglich ist und scheint bereit für jede Frau zu sein, die sich ihm zuwendet. Dennoch hält er eine geheimdienstliche Zusammenarbeit von Frauen und Männern für wenig tauglich. Er bewegt sich unauffällig zwischen den verschiedenen politischen Zonen im Spanien des Bürgerkriegs.

Es ist nicht einfach zu begreifen, welche Gruppe oder Partei wo in welchem Gebiet die Vormachtstellung innehat, denn die Lage ist recht unübersichtlich, was mir das Lesen nicht erleichterte. Ein großer Teil des Buchs wird dazu verwendet, die an der Aktion beteiligten Personen aufzubauen, was die Spannung zurücknahm. Der Autor schreckt nicht davor zurück, gewaltsame Szenen zu beschreiben. Den Alltag des Kriegs hat er als Reporter vielfach miterlebt und daher wirken seine Schilderungen realistisch.

„Der Preis, den man zahlt“ ist ein komplexer Spionageroman mit einigen unerwarteten Wendungen. Es erhöht das Verständnis des Geschehens, wenn man sich in die Geschichte des spanischen Bürgerkriegs einarbeitet. Mir persönlich hat das Buch nicht so gut gefallen, was an den oben genannten Gründen, vielleicht aber auch am Genre liegt. Wer einen ungewöhnlichen historischen Roman mit geheimdienstlichen Ermittlungen lesen möchte und dabei nicht vor Gewaltdarstellung zurück schreckt ist hier richtig.

*Werbung*
Titel: Der Preis, den man zahlt
Autor: Arturo Pérez-Reverte
Übersetzerin: Petra Zickmann
Erscheinungsdatum: 11.09.2017
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag

Mittwoch, 3. Januar 2018

[Rezension Hanna] Nachts an der Seine - Jojo Moyes




*Werbung*
Nachts an der Seine
Autorin: Jojo Moyes
Übersetzerin: Karolina Fell
Erschienen am 21. Oktober 2016 
Taschenbuch: 144 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag

Die Engländerin Nell freut sich sehr auf ihren ersten Paris-Besuch. Gemeinsam mit ihrem Freund Pete will sie dort ein romantisches Wochenende verbringen. Doch am Bahnhof wartet die Enttäuschung: Pete schafft es nicht rechtzeitig zum Zug. Zweifelnd macht sich Nell allein auf den Weg: Wie soll sie sich bloß in der fremden Stadt zurecht finden? Es droht, ein ernüchternder Ausflug zu werden. Doch dann lernt sie Fabien aus Paris kennen und handelt entgegen ihrer üblichen Art völlig spontan.

Das Cover zeigt die Silhouette einer Frau, die mit einem Glas Wein allein vor der nächtlichen Silhouette von Paris sitzt. Das könnte Nell an ihrem ersten Abend in der Stadt der Liebe sein. Versetzt von ihrem Freund Pete, der nicht weiß, ob er es überhaupt noch nach Paris schafft, erhält sie den Tipp für ein Café, in dem man auch gut allein sitzen kann. Ich konnte Nells Enttäuschung absolut nachvollziehen und auch ihre Überlegung, ob sie nicht doch zurück und zu ihren Freundinnen fahren soll, denen sie wegen des Paristrips abgesagt hat.

Nell ist ein zurückhaltender, nicht sonderlich abenteuerlustiger Charakter. Allein in einer fremden Stadt zu sein stellt für sie eine Ausnahmesituation dar, die sie verunsichert. Als erste Dinge schief gehen wächst ihr Wunsch, ohne großes Programm auf die Rückfahrt zu warten. Deshalb habe ich mich sehr für sie gefreut, als sie sich doch noch dazu erschließt, die Stadt zu erkunden. Dabei lernt sie den sympathischen Pariser Fabien kennen, von dem man sich als Leser in kurzen Kapiteln schon einen Eindruck verschaffen konnte.

Nells Abenteuer in Paris passt sehr gut zu dem Charakter, den ich bis dahin kennengelernt hatte. Erst zaghaft, dann immer mutiger lässt sie sich auf die Stadt und Fabien ein. Es kommt zu vielen einfach schönen Momenten. Doch auch der Gedanke an Pete lässt sich nicht ganz beiseite drängen und stimmt sie nachdenklich. Sie fragt sich, was sie wirklich will. Für die Umsetzung der Antwort muss sie über ihren eigenen Schatten springen, wodurch auch noch ein wenig Spannung aufkommt. Nells Ausflug nach Paris läuft ganz anders als geplant und ist genau deshalb ein absolut gelungener, romantischer Kurzroman!



-->