Die junge Frau auf dem Cover des Romans „Die Oleanderfrauen“
von Teresa Simon blickt über eine grüne ausschweifende Parkfläche auf ein
stattliches Herrenhaus. Hier könnte Mitte der 1930er Jahre Sophie gewohnt haben,
eine der Protagonistinnen der Geschichte, denn sie gehört zur Familie eines
einflussreichen Kaffeehändlers in Hamburg.
Von ihr wird erwartet, dass sie sich eines Tages standesgemäß
verheiratet. Auf dem Anwesen befindet sich ein Glashaus, in dem die
Oleanderpflanzen von Sophies Mutter überwintern. Der Ort eignet sich perfekt
für heimliche Stelldicheins mit dem Geliebten. Liebe jedoch kann Gebote und
Standesdünkel überwinden und noch viel mehr wie sich später zeigen wird. Doch
das ist nur eine der beiden Handlungsfolgen des Buchs, das auf zwei Zeitebenen
spielt.
Im Erzählstrang, der in der Gegenwart spielt, besitzt Jule
Weisbach seit zwei Jahren in Hamburg-Ottensen ein Café, das sie nach ihrem
abgebrochenen Studium eröffnet hat. Eines Tages informiert ihr Vermieter sie
über eine drastische Mietpreiserhöhung. Die engagierte junge Frau sucht
verzweifelt nach weiteren Verdienstmöglichkeiten. Über eine gute Freundin
erhält sie den Auftrag, eine ungewöhnliche Hochzeitstorte zu gestalten. Doch
sie selbst ist mit ihrer Arbeit nicht zufrieden. Die über 70-jährige Johanna
erfährt als Kundin des Cafés von Jules Dilemma und bietet ihre Hilfe an.
Während ihrer Zusammenarbeit erzählt Johanna Jule vom Tagebuch Sophies, das sie
auf dem Dachboden ihrer Mutter gefunden hat. Sophie hat das Buch als 16-jährige
im Jahr 1938 begonnen, zu einer Zeit, als ihre Gefühle sich für Hannes, den
Sohn der Köchin, veränderten. Früher waren sie Spielgefährten, doch nach einer
langen Reise von Hannes, fühlt Sophie sich immer stärker zu ihm hingezogen.
Johanna und Sophie sind gespannt, ob die beiden eine gemeinsame Zukunft haben
werden.
Der Autorin ist hier eine gelungene Verknüpfung der zwei
Handlungsebenen gelungen. Als Historikerin versteht sie es, die vorliegenden realen
Fakten der Vergangenheit ansprechend einzukleiden und zum Lesen so
aufzubereiten, dass die Fiktion als tatsächlich stattgefunden wahrgenommen
wird. Den geschichtlichen Hintergrund des Romans bildet zu Beginn die Zeit vor
dem Zweiten Weltkrieg. Schon bald machen sich die Auswirkungen der Politik auf
den Kaffeehandel bemerkbar. Obwohl Sophie behütet aufwächst, bleibt auch ihr
nicht die zunehmende Macht der Nationalsozialisten verborgen und ihre Besorgnis
wächst. Nahezu ohnmächtig nimmt sie die Verfolgung der Juden, von kranken und
behinderten Menschen sowie Homosexuellen wahr.
Teresa Simon lässt Sophie weite Teile ihrer Geschichte in
Tagebuchform selbst erzählen, so dass ich ihr Gefühlschaos gut nachvollziehen
konnte. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs verändern sich noch einmal Sophies
Lebensumstände. Neben dem Bangen um ihre große Liebe, hoffte ich nun darauf,
dass sie den Krieg unbeschadet überstehen wird. In einem Nachwort hat die
Autorin die wichtigsten historischen Daten kurz in Erzählweise zusammengefasst.
Sowohl Sophie wie Jule sind Frauen mit einem starken Willen,
die sich für ihre Ideale einsetzen und dabei auch Rückschläge erleben. Dennoch
lassen sie sich nicht so schnell unterkriegen. Gerade die Ecken und Kanten der
beiden Frauen machen sie sympathisch und glaubhaft. Die Beschreibung des angebotenen
Gebäcks in Jule Kaffee weckte an manchen Stellen bei mir das Verlangen nach
einem Stück Kuchen mit authentischem Kaffee. Glücklicherweise hat die Autorin
im Anschluss an den Roman einige Rezepte angefügt.
Durch den Wechsel der beiden Perspektiven und entsprechenden
Cliffhangern entsteht mit der Zeit ein zunehmender Lesesog, dem ich mich nicht
entziehen konnte um zu erfahren, wie beide Geschichten zusammenhängen und
enden. Ich kann den Roman jedem empfehlen der nach einer unterhaltsamen mitreißenden
Familiengeschichte sucht, die eingebettet in zwei Zeitebenen ist und eine
bewegende historische Zeitepoche beinhaltet.
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Titel: Die Oleanderfrauen
Autorin: Teresa Simon
Erscheinungsdatum: 09.01.2018
Verlag: Heyne (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Ausgabe: Taschenbuch mit Klappen