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Olga
Autor: Bernhard Schlink
Hardcover: 320 Seiten (Foto zeigt das TB-Leseexemplar)
Erschienen am 12. Januar 2018
Verlag: Diogenes
Inhalt
Olga hat schon als Kind gern ihre Umgebung beobachtet. Als ihre Eltern
sterben, nimmt ihre Großmutter sie zu sich in ein kleines Dorf in Pommern. Dort
lernt sie Herbert kennen, der am liebsten rennt, so schnell und oft es geht.
Sie freundet sich mit ihm und seiner Schwester Viktoria an, Sprösslinge einer
wohlhabenden Familie. Olga möchte Lehrerin werden, während Herbert sich zwar zu
ihr hingezogen fühlt, aber immer wieder das Abenteuer in der Ferne sucht.
Jahrzehnte möchte ein junger Freund Olgas das Unausgesprochene in ihrer
Lebensgeschichte aufdecken, um zu verstehen.
Meinung
„Olga“ ist ein Buch, das aus drei ganz verschiedenen Teilen besteht. Es
gibt dem Leser Einblicke in das Leben von Olga Rinke und lässt ihn schließlich
auch hinter die Kulissen schauen. Wer einen emotionalen Roman erwartet, muss
sich ein wenig gedulden. Denn erst einmal beginnt ein personaler Erzähler, in
recht nüchternem Ton über Olgas Leben zu erzählen.
In diesen Kapiteln lernte ich Olga als strebsame Persönlichkeit kennen,
die aus bescheidenen Verhältnissen kommt. Ihr Ziel ist es, Lehrerin zu werden,
wozu sie sich das nötige Wissen selbst beibringen muss. Herbert ist dabei oft
an ihrer Seite, während sich Viktoria mit den Jahren von ihr entfernt und nach
standesgemäßen Freundinnen sucht. In hohem Tempo erhält man einen Abriss ihrer
Kindheit und Jugend, der sich entwickelnden Liebe zu Herbert und seinen immer
neuen Abenteuern in der Ferne, ihrer Tätigkeit als Lehrerin, wie es ihr in den
Weltkriegen ergangen ist und in der Zeit danach.
Nach dem ersten Teil hatte ich einen umfassenden Eindruck von Olgas
Lebensweg. Wie auch Olga gern beobachtet, so steht man als Leser am Rand und
blickt auf die Ereignisse. Offen bleibt die Frage, wie sie sich bei all dem
gefühlt hat. Im zweiten Teil berichtet ein Ich-Erzähler, der deutlich jünger
ist als Olga, von seiner Freundschaft zu ihr, die in der Zeit nach dem Zweiten
Weltkrieg begann. Er vermittelt dem Leser seinen persönlichen Eindruck der
gealterten Olga, die ihm seit seiner Kindheit gern Geschichten über Herberts
Abenteuer erzählt und zu der er auch als Erwachsener Kontakt hält. Sein Bericht
hat sich für mich ein wenig in die Länge gezogen. Schließlich stößt er auf alte
Briefe, die Olga an Herbert geschrieben hat.
Im letzten Teil des Buches sind eben diese Briefe abgedruckt und vermitteln
dem Leser ein noch klareres Bild von Olga. Endlich kommt sie selbst zu Wort.
Alles Unausgesprochene, ihre Gefühle und Geheimnisse, hat sie hier
festgehalten. Ihre Worte konnten mich berühren und ich begriff das ganze Ausmaß
ihrer tragischen Geschichte und wie sie an Scheidewegen im Leben zu ihren
Entscheidungen kam. Herbert bleibt eine Figur in der Ferne, die mehr ab- als
anwesend ist, ein Objekt der Sehnsucht und vergeblicher Hoffnungen. Mir hat die
schrittweise Annäherung an die Figur Olgas sehr gefallen. Das Buch zeichnet das
Portrait einer entschlossenen und intelligenten Frau und ihrer großen Liebe vor
dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts. Ich gebe eine klare Leseempfehlung.