Mileva Marić kommt mit einem klaren Ziel vor
Augen von Serbien nach Zürich: Sie will am Polytechnikum Physik und Mathematik
studieren. Als fünfte Frau überhaupt ist sie für dieses Studium zulassen
worden. Wie bislang will sie ihre ganze Energie ins Lernen stecken, für anderes
bleibt da nicht viel Zeit. Doch in den anderen drei Studentinnen, die wie sie
in der Pension Engelbrecht untergebracht sind, findet sie bald Freundinnen.
Außerdem ist da noch Albert Einstein, der im selben Jahrgang studiert und mit
dem sie interessante wissenschaftliche Debatten führt. Sie ist entschlossen,
seinetwegen ihre Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Doch es kommt alles
anders als gedacht.
Mileva Marić war die erste Frau Albert Einsteins und ist trotzdem
nicht allzu bekannt. Ich hatte hier und da schon mal etwas über sie gehört und
freute mich darauf, in Form dieses fiktiven Werkes tiefer in ihre Geschichte
einzutauchen. Wie so viele vor mir stolperte ich schnell darüber, dass sie mit
Einstein studiert hat und in seinen produktivsten Jahren an seiner Seite war,
aber in seinen Arbeiten nirgends als Beitragende genannt wird. Die Autorin
Marie Benedict hat basierend auf dem Bekannten einen Roman geschrieben, in dem
sie die Lücken in Mileva Marićs Biographie füllt, sich hier und da künstlerische Freiheiten
gönnt und damit eine Frau lebendig werden lässt, die ihrer Zeit voraus war und
doch von den Konventionen zurückgeworfen wird.
Die Mileva, die ich zu Beginn des Buches kennen lernte, konnte mich
durch ihre Entschlossenheit beeindrucken. Viele Männer in ihrer Umgebung lassen
sie spüren, was sie von ihrem Ambitionen halten. Selbst Professor Weber, der
sie zum Studium zugelassen hat, scheint ihr eine falsche Uhrzeit genannt zu
haben, sodass sie gleich zur ersten Vorlesung zu spät erscheint. Zum Glück
wurde sie immer von ihren Eltern, insbesondere von ihrem Vater, unterstützt.
Sie haben ihr die bisherige Ausbildung überhaupt erst ermöglicht. Nun hat sie
es bis ans Polytechnikum gebracht, sodass ich ihren Vorsatz nach so wenig
Ablenkung wie möglich gut nachvollziehen konnte.
Doch das Leben spielt bekanntlich anders. Mileva findet zum ersten Mal
in ihrem Leben Freundinnen. Mit den anderen Studentinnen in ihrer Pension
erlebt sie unbeschwerte Stunden. Als sich dann Albert Einstein zur Runde
gestellt reagieren Milevas Freundinnen argwöhnisch: Was sind seine Absichten?
Mileva ahnt, dass er ihre Pläne, je mehr Zeit sie mit ihm verbringt, ins Wanken
bringt. Gleichzeitig weiß er ihre Intelligenz zu schätzen und lädt sie zu
wissenschaftlichen Debatten ein. Vielleicht könnten sie Partner auf Augenhöhe
sein?
Aus Hoffnung wird bald Ernüchterung, denn die beiden erleben mehrere
Rückschläge. Als Jude und Serbin mit einem unehelichen Kind haben sie es zu
ihrer Zeit alles andere als leicht, weshalb ein Versteckspiel beginnt, das an
Milevas Nerven zerrt. Über die Zeit ändert sich zudem die Beziehung der beiden
zueinander. Albert Einstein macht dabei in seiner Haltung zu ihr eine komplette
Wende. Auf das Warum wurde für mich leider zu wenig eingegangen, die
Schilderung der Ereignisse fällt recht einseitig aus. Mileva zieht sich
gleichzeitig immer mehr in die Rolle der von Selbstmitleid beherrschten
Hausfrau zurück, die keinen Ausweg sieht. Der Fokus lag stark auf ihren
Gedanken, wie er dies und das denn wagen könnte. Ob dies nun wirklich so
passiert ist oder nicht – das hier geschilderte Schicksal steht stellvertretend
für viele intelligente Frauen ihrer Zeit, die im Schatten ihrer Männer standen.
„Frau Einstein“ erzählt die Geschichte von Mileva Marić, die mit großen Ambitionen
nach Zürich ans Polytechnikum kam. Der Autorin ist es gelungen, die historische
Persönlichkeit in diesem fiktiven Werk lebendig werden zu lassen. Ich habe an
ihrer Seite gehofft und gebangt, hätte aber gern noch besser verstanden, warum
sie ihre Entschlossenheit verliert und ihr Mann seine Haltung zu ihr so schnell
verändert. Ein Buch für alle, die mit einer möglichen Version der Ereignisse
mehr über die erste Frau an Albert Einsteins Seite erfahren möchten, bei der
die Rolle, die sie für seine wissenschaftlichen Arbeiten gespielt hat, bis
heute nicht ganz geklärt ist.
*Werbung* Weitere Informationen zum Buch
Frau Einstein
Autorin: Marie Benedict
Übersetzerin: Marieke Heimburger
Hardcover: 360 Seiten
Erschienen am 15. Februar 2018
Verlag: Kiepenheuer & Witsch