In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhundert hat Reiner, der bei der Post
arbeitet, ein recht spezielles Hobby: Er sammelt alte Computer und spielt auf
denen mit halbwegs funktionstüchtigem Akku alte Spiele. Für den Rest der
Bevölkerung handelt es sich bei diesen Geräten nur noch um Elektroschrott, denn
das Internet wurde vor Jahrzehnten abgeschaltet. Doch dann wird Reiner von
einem Schulfreund kontaktiert, der ihm zeigt, dass es noch immer stillgelegte
Serverhallen gibt. Reiner gelingt es, eine Verbindung zu den Servern
herzustellen und YouTube-Videos aus unserer Zeit abzuspielen.
Wie blicken Menschen in etwa sechzig Jahren auf Videos von heute, wenn
sie diese Art des unbegrenzten Teilens per Mausklick nicht mehr kennen? Das
Buch verspricht ein interessantes Gedankenexperiment zu dieser Frage. Zu Beginn
lernt man den Protagonisten Reiner kennen, dessen Leben nicht sonderlich
aufregend ist. In seiner Freizeit widmet er sich ganz seinen gesammelten
Computern und den Spielen, die er auf einigen davon spielen kann. Bald wird er
von einem alten Schulfreund kontaktiert, der ihn mitnimmt zu alten Servern und
ihn fragt, ob er die Verbindung zu ihnen herstellen kann. Reiner bejaht. Einige
Zeit später fahren sie einer noch
größeren Serverhalle, wo Reiner das Vorhaben in die Tat umsetzt und eine App
schreibt, die das auch anderen ermöglicht.
Bei mir hat die Handlung zahlreiche Fragen aufgeworfen, auf die keine
Antwort gegeben wird: Warum wurde das Internet abgestellt? Warum hat sich
ansonsten rein gar nichts verändert? Woher weiß Meyer von den Serverhallen? Warum
ist sonst noch keiner auf die Idee gekommen, eine Verbindung zu den Servern
herzustellen? Warum sind Computer Elektroschrott, wenn man auf ihnen noch
Spiele spielen kann? Wie haben Menschen aus aller Herren Länder ohne Internet
davon erfahren, was in der Serverhalle vor sich geht? Was läuft im zensierten
Fernsehen, wenn die gefundenen Videos so anders sind? Das sind nur einige
Beispiele für all die Fragen, mit denen man als Leser allein gelassen wird.
Die Charaktere erhalten wenig Tiefe, ich hätte gern mehr über ihre
Motivation erfahren. Stattdessen stehen Partys, Alkohol und Drogen im
Vordergrund. Immer mehr Menschen kommen zur Serverhalle und es entsteht eine
Art Kommune, in der nur wenige sich wirklich für die gefundenen Videos
interessieren. So bleibt für diese in dem ohnehin schon kurzen Buch wenig
Platz. Man unterhält sich über einige Videos, die hinten im Buch auch zum
Nachschauen mit Link angegeben sind, doch die Reaktion ist meist irgendwo
zwischen „Cool“, „Schräg“, „Heftig“ oder „Warum hat man so was mit der Welt
geteilt?“. Mir hat sich bis zum Schluss leider nicht erschlossen, was die
Botschaft des Buchs sein soll.
„Serverland“ basiert auf der Idee, das in einer Zukunft ohne Internet
YouTube-Videos von heute gefunden werden. Es ist eine interessante Idee, die
jedoch nicht konsequent weitergedacht wurde und viel zu unkonkret bleibt. Das Setting wird so grob skizziert, sodass ich
mich nicht gut in die Welt von Reiner eindenken konnte. Auch er selbst bleibt
als Charakter blass. Nach hundertsechzig Seiten habe ich dieses schmale Buch
mit einem großen Fragezeigen im Kopf beendet.
*Werbung* Weitere Informationen zum Buch
Serverland
Autorin: Josefine Rieks
Hardcover: 176 Seiten
Erschienen am 19. Februar 2018
Verlag: Hanser