Eine Gruppe von Personen verschiedenen Alters, die sich in
Dänemark auf einem ehemaligen Gutshof zusammen finden, steht im Mittelpunkt des
Romans „Der endlose Sommer“ der dänischen Performance-Künstlerin, Autorin und
Sängerin Madame Nielsen. Dieser eine Sommer brachte den Hofbewohnern Liebe wie
Leichtigkeit und gleichzeitig Leidenschaft. Das Glück der Erde, das bekanntlich
auf dem Rücken der Pferde liegt, kann der Charaktere der Mutter als Reiter
genießen, das Festhalten an den unbeschwerten Tagen gelingt aber nur auf dem
Papier. Daher ist Madame Nielsens Roman wie ein Abgesang auf die Jugend, von
der wir uns wünschen, dass sie nie zu Ende geht.
Die Erzählung beginnt mit einem 19-jährigen Jungen, der ein 17-jähriges
Mädchen kennenlernt und zu ihrem festen Freund wird. Das Mädchen lebt mit
Mutter, Stiefvater und zwei kleinen Halbbrüdern auf dem „weißen“ Hof. Sie hat
außerdem noch einen besten Freund und Vertrauten, der sie gerne besucht. Ihr
krankhaft eifersüchtiger Stiefvater, dem der Hof gehört, ist längst
verschwunden, als das Mädchen eines Tages von der Schule nach Hause kommt und vom
portugiesischen Brieffreund ihrer Sitznachbarin und dessen Freund erzählt, die
zu Besuch in Deutschland sind. Die beiden Portugiesen im Alter von dem Mädchen
ziehen zu ihr und die Mutter verliebt sich in einen von ihnen. Die Gruppe wird
noch ergänzt von einem Freund der Jungen aus Odense. Gemeinsam genießen sie die
scheinbare Auflösung des Unmöglichen auf dem Scheitelpunkt ihres Lebens.
Ausdrücklich, weil mehrfach, betont Madame Nielsen, dass der
Junge mit dem alles beginnt, vielleicht ein Mädchen ist. Dabei habe ich mich
gefragt, wie viel die Autorin aus ihrem eigenen Leben in den vorliegenden Roman
eingebracht hat. Ohne lange Umschweife geriet ich als Leser in den endlosen Sommer
durch endlos erscheinende Sätze, denn die Schicksale der Figuren verknüpft
Madame Nielsen mit zahlreichen Nebenhandlungen in Teilsätzen. Ich geriet in
eine Erzählfolge, die unmittelbar nach der Vorstellung des Jungen am Anfang des
Romans mit einer offenen Klammer beginnt, die niemals geschlossen wird und die
dadurch den Gedankenfluss nicht abreißen lässt. Die Autorin weist dadurch dem
Jungen eine vorrangige Bedeutung zu. Der Rest ist Erinnerung, flüchtig, nicht
mehr zurückholbar und erscheint manchmal sogar unwirklich, nie dagewesen.
Dennoch versucht Madame Nielsen diesen Windhauch der Vergangenheit einzufangen
in Worte und Hannes Langendörfer ist es als Übersetzer gelungen, das auch im Deutschen weiterzugeben.
Was nun folgt sind Skizzen vieler Leben, von denen einige
sich streifen. Von Beginn an stellt die Autorin fest, dass die Erzählung nicht
gut ausgeht, denn der Tod lauert auf alle von uns, aber für einige tragischer
Weise früher als auf andere. Die Stränge der Geschichte behält sie fest in der
Hand, verweist ausdrücklich auf den Beginn um danach um etliche Ecken
abzubiegen, zahlreichen Nebenfiguren Leben einzuhauchen, kurz innezuhalten,
nach vorne zu schauen und auf der Geraden sich wieder dem endlosen Sommer
zuzuwenden. Zeitlos, geschlechtslos, alterslos, ortungebunden kommt dieser
daher, obwohl jeder Charakter nach Identität strebt. Aber der Alltag holt jeden
ein, auch die kleine Hofgruppe.
Wie ein expressionistisches Gemälde, mit schnellen Strichen
zu Papier gebracht, und Ereignissen wie Farbkleckse, präsentiert sich „Der
endlose Sommer“. Entsprechend einem Bild entdeckte ich bei näherer Betrachtung
beziehungsweise dem erneuten Lesen vorangegangener Seiten weitere Nuancen und
Feinheiten, die mich noch tiefer eintauchen ließen in diese einzigartige
Jahreszeit, bei der es keinem gelingt, sie festzuhalten. Lesen, erinnern, träumen!