Montag, 2. April 2018

[Rezension Ingrid] Das Leben des Vernon Subutex von Virginie Despentes


Der Eiffelturm in der oberen rechten Ecke des Covers weist den Leser schon beim ersten Betrachten des Buchs darauf hin, dass der Roman ihn beim Lesen nach Paris entführen wird, denn hier lebt Vernon Subutex, Protagonist und Titelgeber des gleichnamigen Buchs von Virginie Despentes. Vernon hat mit seinem Plattenladen selbst erlebt wie es ist beliebt und bekannt, „ganz oben“ zu sein, jetzt findet er sich gesellschaftlich gesehen ganz unten am Rand der Gesellschaft, synonym dargestellt auf dem Titel durch den Einblick in den U-Bahn-Schacht. Sein Name ist von der Autorin bewusst satirisch gemeint, Subutex ist die Bezeichnung einer Ersatzdroge in Frankreich.

Der Vorname der Autorin ist auf dem Umschlag nicht zu finden. Sie hat selbst ein ereignisreiches Leben geführt und Einblicke in die unterschiedlichsten sozialen Schichten gewonnen, mit ihren Werken im Film und im Buch hat sie vielfach schockiert und Diskussionen ausgelöst, gleichzeitig wurde sie auch dafür ausgezeichnet. Ihr Nachname steht für Kontroversen, wie auch die Farbgebung und deren Anordnung auf dem Cover.

Vernon hat mehr als zwanzig Jahre als Verkäufer im Schallplattenladen in Paris gestanden, zunächst als Angestellter später dann als Besitzer, bis er aufgrund der zu geringen Umsätze schließen mußte. Das ist schon ein paar Jahre her und zuerst hat er noch durch den Verkauf von Restbeständen gelebt. Alex Bleach, Rockstar und sein guter Freund, hat ihm seit geraumer Zeit seine Miete bezahlt, doch jetzt ist er tot. In der Wohnung von Vernon hat er ein letztes Interview aufgenommen. Die Kassetten sind Vernons größtes Vermögen. Er nimmt sie mit als er seine Wohnung aufgrund des Mietrückstands räumen muss. Auf die Idee sich eine anderweitige bezahlte Arbeit zu suchen kommt er nicht, lediglich ein Dach über dem Kopf soll es sein. Daher nimmt er reihum, meist über facebook, Kontakt zu Freunden und Bekannten auf, die er hauptsächlich aus seiner Zeit als Plattenverkäufer kennt.

Mit Wehmut denkt er an den Tod einiger seiner besten Freunde und stellt fest, dass diejenigen, die ihm Obdach gewähren, sich im Laufe der Zeit geändert haben und wie er findet, nicht immer zu ihrem Vorteil. Für jeden hat er eine kleine erfundene Geschichte bereit, warum er eine Unterkunft sucht. Virginie Despentes bietet dem Leser eine bunte Mischung von Charakteren an, die insgesamt die französische Gesellschaft gut abbilden. Dazu verlässt die Autorin den Handlungsstrang über ihren Protagonisten und wendet sich dem Leben der entsprechenden Person zu. Sex, Alkohol, Drogen und natürlich Musik, über die sie die Verbindung zu Vernon meist hergestellt, sind fast in jeder Beschreibung der Figuren mehr oder weniger zu finden. Es ist oft eine rauhe, ungeschliffene Sprache die sie benutzt und die den Figuren Authentizität verleiht. Themen wie beispielweise Vor- und Nachteile der zunehmenden Digitalisierung, häusliche Gewalt und Ängsten vorm Älterwerden flechtet sie in die Hintergrunderzählungen ihrer Charaktere ein.

Virginie Despentes hat mit Vernon Subutex einen Charakter kreiert, der sich selbst noch nicht aufgegeben hat, aber im Laufe des Romans tief in der gesellschaftlichen Anerkennung sinkt. Glücklicherweise geht seine Geschichte weiter und ich bin sehr gespannt darauf, ob mit Hilfe seiner Freunde ein sozialer Aufstieg für ihn möglich ist und ob er diesen überhaupt will.

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Titel: Das Leben des Vernon Subutex (1. von 3. Bänden)
Autorin: Virginie Despentes
Übersetzerin: Claudia Steinitz
Erscheinungsdatum: 17.08.2017
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
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