Samstag, 26. Mai 2018

[Rezension Hanna] Der Kreidemann - C.J. Tudor



Im Jahr 1986 sind Eddie Munster, Fat Gav, Hoppo, Metal Mickey und Nicky eine Gang, die zusammen durch dick und dünn geht. Im Jahr 2006 rekapituliert Eddie die Monate, in denen sich alles ändern sollte. Erst kommt ein neues Lehrer an die Schule: Mr. Halloran ist ein Albino und deshalb ganz blass, und er bringt die Gang auf die Idee, sich mit Kreide Botschaften zu hinterlassen. Dann kommt es zu einem Unfall, einem Überfall, schweren Beschuldigungen und schließlich einem grausigen Fund… und irgendjemand scheint die Kreidezeichen der Gang für seine Zwecke zu missbrauchen. Auch im Jahr 2006 scheinen die Ereignisse noch nicht ganz abgeschlossen.

Schon im Prolog dieses Thrillers kommt es zu einer schauderhaften Entdeckung: Jemand findet Teile einer Mädchenleiche im Wald und nimmt den Kopf mit, den die Polizei nie findet. Wer hat den Kopf mitgenommen? Ist es die gleiche Person, die den Mord begangen hat? Warum findet die Polizei die Leiche erst einige Stunden später?

Meine erste Vermutung nach diesem Prolog war, dass die Geschichte im selben Tempo weitergeht und nun alle paar Seiten eine Leiche gefunden wird, doch dem ist nicht so. Wer eine rasante, blutrünstige Story erwartet, ist hier falsch. Stattdessen wird die Geschichte in ruhigem Tempo abwechselnd auf zwei Zeitebenen erzählt. Im Jahr 2006 wohnt Eddie, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt ist, noch immer in seinem Elternhaus und ist inzwischen Lehrer. Er hat nur noch zu zwei Freunden aus der alten Gang Kontakt. Doch erhält er einen Brief mit einem Strichmännchen am Galgen und einem Stück Malkreide. Warum spielt ausgerechnet jetzt jemand auf die Ereignisse von damals an und warum? Eddie blickt ins Jahr 1986 zurück und erzählt dem Leser, was damals vorgefallen ist beginnend mit dem Tag, an dem sein zwölfjähriges Ich Mr. Halloran kennenlernte und gemeinsam mit ihm ein Leben rettete.

Die Geschichte nimmt sich viel Zeit, um dem Leser das Beziehungsgeflecht begreiflich zu machen. Es erklärt, wie die Mitglieder der Gang 1986 zueinander stehen und was sich während der fatalen Ereignisse und in den Jahren danach verändert hat. Darüber hinaus blickt es auf die anderen Charaktere der Kleinstadt, mit denen die Freunde Kontakt haben wie ihre Eltern und Lehrer. Alles nur, um vom Täter abzulenken? Nein! Im Laufe der Lektüre begreift man, wie geschickt die Autorin verschiedene Handlungselemente miteinander verknüpft hat und wie gut man die einzelnen Charaktere kennen muss, um nachvollziehen zu können, was geschehen ist. Als Leser kann man viel spekulieren und liegt vielleicht sogar mal richtig, doch die Geschichte besitzt eine gewisse Komplexität, durch die man unmöglich alles durchschauen kann.

„Der Kreidemann“ wird in ruhigem Tempo erzählt und setzt bietet dem Leser psychologische Spannung mit unerwarteten Vorfällen und überraschenden, aber plausiblen Antworten. Vieles ist nicht so, wie es zunächst den Anschein hat. Damit hat mich das Buch bis zu seinem verblüffenden und doch einleuchtendem Ende unterhalten können. Ein wirklich gelungenes Debüt!


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Der Kreidemann 
Autorin: C.J. Tudor
Übersetzer: Werner Schmitz
Hardcover: 384 Seiten
Erscheint am 29. Mai 2018
Verlag: Goldmann
(Vorab-Veröffentlichung der Rezension mit Genehmigung des Verlags)
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