Im Jahr 1986 sind Eddie Munster, Fat Gav, Hoppo, Metal Mickey und Nicky
eine Gang, die zusammen durch dick und dünn geht. Im Jahr 2006 rekapituliert
Eddie die Monate, in denen sich alles ändern sollte. Erst kommt ein neues
Lehrer an die Schule: Mr. Halloran ist ein Albino und deshalb ganz blass, und
er bringt die Gang auf die Idee, sich mit Kreide Botschaften zu hinterlassen. Dann
kommt es zu einem Unfall, einem Überfall, schweren Beschuldigungen und
schließlich einem grausigen Fund… und irgendjemand scheint die Kreidezeichen
der Gang für seine Zwecke zu missbrauchen. Auch im Jahr 2006 scheinen die
Ereignisse noch nicht ganz abgeschlossen.
Schon im Prolog dieses Thrillers kommt es zu einer schauderhaften Entdeckung:
Jemand findet Teile einer Mädchenleiche im Wald und nimmt den Kopf mit, den die
Polizei nie findet. Wer hat den Kopf mitgenommen? Ist es die gleiche Person,
die den Mord begangen hat? Warum findet die Polizei die Leiche erst einige
Stunden später?
Meine erste Vermutung nach diesem Prolog war, dass die Geschichte im
selben Tempo weitergeht und nun alle paar Seiten eine Leiche gefunden wird,
doch dem ist nicht so. Wer eine rasante, blutrünstige Story erwartet, ist hier
falsch. Stattdessen wird die Geschichte in ruhigem Tempo abwechselnd auf zwei
Zeitebenen erzählt. Im Jahr 2006 wohnt Eddie, aus dessen Sicht die Geschichte
erzählt ist, noch immer in seinem Elternhaus und ist inzwischen Lehrer. Er hat
nur noch zu zwei Freunden aus der alten Gang Kontakt. Doch erhält er einen
Brief mit einem Strichmännchen am Galgen und einem Stück Malkreide. Warum spielt
ausgerechnet jetzt jemand auf die Ereignisse von damals an und warum? Eddie blickt
ins Jahr 1986 zurück und erzählt dem Leser, was damals vorgefallen ist
beginnend mit dem Tag, an dem sein zwölfjähriges Ich Mr. Halloran kennenlernte und gemeinsam mit
ihm ein Leben rettete.
Die Geschichte nimmt sich viel Zeit, um dem Leser das
Beziehungsgeflecht begreiflich zu machen. Es erklärt, wie die Mitglieder der
Gang 1986 zueinander stehen und was sich während der fatalen Ereignisse und in
den Jahren danach verändert hat. Darüber hinaus blickt es auf die anderen
Charaktere der Kleinstadt, mit denen die Freunde Kontakt haben wie ihre Eltern
und Lehrer. Alles nur, um vom Täter abzulenken? Nein! Im Laufe der Lektüre
begreift man, wie geschickt die Autorin verschiedene Handlungselemente
miteinander verknüpft hat und wie gut man die einzelnen Charaktere kennen muss,
um nachvollziehen zu können, was geschehen ist. Als Leser kann man viel spekulieren
und liegt vielleicht sogar mal richtig, doch die Geschichte besitzt eine
gewisse Komplexität, durch die man unmöglich alles durchschauen kann.
„Der Kreidemann“ wird in ruhigem Tempo erzählt und setzt bietet dem Leser
psychologische Spannung mit unerwarteten Vorfällen und überraschenden, aber
plausiblen Antworten. Vieles ist nicht so, wie es zunächst den Anschein hat. Damit
hat mich das Buch bis zu seinem verblüffenden und doch einleuchtendem Ende
unterhalten können. Ein wirklich gelungenes Debüt!
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Der Kreidemann
Autorin: C.J. Tudor
Übersetzer: Werner Schmitz
Hardcover: 384 Seiten
Erscheint am 29. Mai 2018
Verlag: Goldmann
(Vorab-Veröffentlichung der Rezension mit Genehmigung des Verlags)