Das Cover des Debütromans „Die Mütter“ von Brit Bennet ist
wie Glasmalerei gestaltet, die einzelnen Gläser vereinen sich zu dem Porträt
einer schwarzen Frau. Solche Fenster sind aus Gebetshäusern bekannt und hierhin
führt auch der Titel des Buchs. „Die Mütter“ sind eine Gruppe von fünf Frauen,
etwa 80 Jahre alt, die sich täglich im Upper Room, dem Abendmahlssaal der
Kirchengemeinde, zum Beten für aktuelle Anliegen treffen. Die farbenfrohe
Gestaltung des Titelbilds spiegelt die Vielfalt unserer Möglichkeiten wider,
Entscheidungen zu treffen und damit unser Leben zu gestalten.
Die Erzählung beginnt im Jahr 2009. Nadia Turner ist 17
Jahre alt und lebt in Oceanside, einer Stadt am pazifischen Ozean in Kalifornien.
Ihre Mutter hat sich ein halbes Jahr vorher umgebracht, den Grund dafür kennt
sie nicht. Von ihrem Vater fühlt sie sich nicht verstanden und so versucht sie
sich, mit ihrem Kummer zu verstecken. Doch dann trifft sie in einem Imbiss Luke,
den Sohn des Pastors, der vier Jahre älter ist als sie. Aufgrund eines Unfalls
beim Football hat er sein Studienstipendium verloren und arbeitet jetzt in der
Gaststätte. Beide fühlen sich zueinander hingezogen und beginnen eine heimliche
Liaison, die nicht ohne Folgen bleibt. In Erinnerung der Worte ihrer Mutter,
die sich für ihre Tochter eine Karriere gewünscht hat, die ihr selbst aufgrund
ihrer frühen Schwangerschaft mit Nadia verwehrt war, beschließt sie, das Kind
abzutreiben. Sie erhält das Geld dazu von Luke durch seine Eltern. Weitere
Mitwisser gibt es nicht. Für Luke und Nadia ist es das Ende ihrer Beziehung.
Kurze Zeit später lernt sie die etwa gleichaltrige Aubrey
kennen, die seit etwa einem Jahr bei ihrer Schwester in Oceanside wohnt und
sich in der Gemeinde engagiert. Die beiden werden beste Freundinnen. Doch am
Ende des Sommers zieht Nadia nach Michigan, um dort das College zu besuchen. Währenddessen
kommen sich Aubrey und Luke einander näher und werden schließlich ein Paar.
Nadia kehrt Jahre später zur Hochzeit der beiden nach Hause zurück. Alte
Gefühle werden wach, als sie Luke wiedersieht.
Die Zugehörigkeit zu einer Gemeinde hat sicher auch bei der
schwarzen Bevölkerung in Oceanside an Bedeutung verloren, aber noch immer
bietet sie ihnen den Halt im Glauben und lässt sie als Gemeinschaft vor allem
gegen Anfeindungen stark sein. Brit Bennet bindet die Mütter in jedes Kapitel
ihres Romans ein. Sie bilden sozusagen die gute Seele der Gemeinde, weil sie
sich dort stark engagieren und vieles organisieren. Jeder kann seine
Gebetsanliegen bei ihnen einreichen und sie interpretieren die Bitten auf ihre
eigene Art und Weise. Sie kennen jedes Mitglied der Gemeinde, verfolgen über
Jahre hinweg deren Tun und ziehen aus neuen Entwicklungen Rückschlüsse. Hierdurch
entstehen manches Mal auch Fake News, die sich langsam aber stetig verbreiten
und den Ruf der betroffenen Person bestimmen. Eigentlich weiß das jeder, doch
gerne wird man von ihren Vermutungen, die wie Tatsachen klingeln, eingesponnen.
Auch als Leser habe ich mich von der ersten Seite an von den Spekulationen der
Mütter, die hier vom Ende der Geschichte her betrachtet zu mir sprachen,
faszinieren lassen.
Im Mittelpunkt des Romans steht die Abtreibung, die weder
Nadia noch Luke je vergessen können. Die Autorin hat ihre Protagonistin dabei
begleitet und vermittelte mir die von Nadia wahrgenommenen Geräusche, Gerüche
und ihre Gefühle in dieser Situation, so dass ich auch später ihre Empfindungen
nachvollziehen konnte, wenn sie sich wieder daran intensiv erinnerte. Meist
wird die Last der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch nur bei den Frauen
gesehen, doch Brit Bennett weist nachdrücklich darauf hin, dass auch Luke sein
Päckchen daran zu tragen hat. Nadia und Luke tragen beide Schuldgefühle in sich
hinsichtlich der Enttäuschung ihrer leiblichen Mütter, die bestimmte Vorstellungen
für die Zukunft ihrer Kinder hatten. Aubrey wird zwar von Nadia bewundert, weil
sie sich selbst von ihrer Mutter gelöst hat, doch auch sie macht sich stille
Vorwürfe dafür. Ich verfolgte, dass sich im Laufe der Zeit die Einstellungen
der Protagonisten durchaus ändern konnten vor allem durch ihre zurückliegenden
Erfahrungen.
Brit Bennet hat mit ihrem Debüt „Die Mütter“ einen
ergreifenden Familienroman geschrieben, der sich aus der Sicht zweier junger
Frauen und eines jungen Manns mit den an sie gestellten Erwartungen auseinandersetzt
die geprägt sind von der Haltung der Kirchengemeindemitglieder. Mich hat das
Buch begeistert und darum empfehle ich es gerne weiter.
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Titel: Die Mütter
Autorin: Brit Bennett
Übersetzer: Robin Detje
Erscheinungsdatum: 24.04.2018
Verlag: Rowohlt (Link zur Buchseite des Verlags)
rezensierte Buchausgabe: Leseexemplar