[Werbung]
Die Hochhausspringerin
Autorin: Julia von Lucadou
Hardcover: 288 Seiten
Hardcover: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 23. Juli 2018
Verlag: Hanser Berlin
Link zur Buchseite des Verlags
Link zur Buchseite des Verlags
-----------------------------------------------------------------------
In der Zukunft ist Hochhausspringen eine der beliebtesten
Leistungssportarten. Die Massen schauen fasziniert zu, wenn eine Sportlerin auf
die Absprungplattform tritt. Welche Kunststücke wird sie im Fallen zeigen, und
wird sie rechtzeitig vor dem Boden wieder in die Luft abheben? Riva zählte zu
den Erfolgreichsten ihrer Sportart, doch eines Tages will sie nicht mehr
Springen, sondern sitzt schweigend in ihrer Wohnung. Hitomi ist Psychologin und
wird damit beauftragt, Riva wieder auf Spur zu bringen. Sie beobachtet diese
über Kameras und instruiert Rivas Freund Aston in Bezug auf Gesprächstaktiken.
Als keine Wirkung eintritt, werden ihre Versuche immer drastischer, und ihr
eigenes Leben beginnt, ihr aus der Hand zu gleiten.
Wer kennt sie nicht: Videos von wagemutigen Menschen, die sich in
Wingsuits Klippen hinunterstürzen oder damit zwischen Hochhäusern
entlanggleiten? Diese gefährlichen Aktionen faszinieren schon heute Millionen
Zuschauer. Der Schritt, den die Autorin Julia von Lucadou in der von ihr
geschilderten Zukunft macht, ist vor diesem Hintergrund gar kein allzu großer.
Hier stürzt man sich im freien Fall ein Hochhaus hinunter und macht dabei
Kunststücke, um im möglichst letzten Moment dank des Springanzugs wieder in die
Luft abzuheben. Das geht nicht immer gut, und dieser Nervenkitzel reizt die
Zuschauer im Buch nur noch mehr, zuzuschauen.
Warum die erfolgreiche Riva plötzlich nicht mehr springen will,
versteht keiner. Doch der Druck der Investoren, das zu ändern, ist groß,
schließlich steckt hinter ihren Aktivitäten ein riesiges Geschäft. Fast alles
wird irgendwie gesponsort und vermarktet, das sieht man auch an den ständigen
TM-Kennzeichnungen hinter Shows, Apps, Drinks und sogar Motivationssprüchen.
Nun überwacht die Psychologin Hitomi Riva aus der Ferne, so wie alles überwacht
wird. Kinder wachsen nicht in ihrer Bio-Familie, sondern in Heimen in den
Peripherien auf, trostlosen Vororten. Wer einen guten Job will, muss Castings
bestehen und wird fortlaufend in Bezug auf seine Gesundheit und Aktivitäten
überwacht.
Die Idee einer Welt, in der alles fast nahtlos kontrolliert wird, ist
nicht neu. Doch was passiert, wenn jemand nicht mehr funktionieren will? Und
was macht das mit einem Menschen, dessen eigenes Schicksal davon abhängt, genau
das wieder zu verändern? Die Autorin greift bekannte Ideen auf, verleiht ihnen
ihre eigene Note und platziert dieses interessante Szenario hinein. Mit
zunehmender Dringlichkeit setzt Hitomi alles daran, bei Riva den Schalter
umzulegen, doch kein Plan will funktionieren.
Riva bleibt das passive Objekt öffentlichen Interesses, während der
Leser Hitomis Reaktionen verfolgt. Es gibt in dieser perfekten Welt keinen
Platz für jemanden, der nicht mehr funktioniert. Und so entwickelt Hitomi eine
wachsende Verzweiflung und mit ihr eine Obsession für Riva, die Frau, die sie
nur von den Kamerabildschirmen kennt und die mit ihrer stillen Rebellion Hitomi
unwissend mit hinunter zieht. Rückblicke in Hitomis Kindheit zeigen parallel,
was schon früh passiert, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. So wird
immer klarer, wie strikt das System nicht nur Entwicklung und Aufstieg
kontrolliert, sondern auch den Umgang mit allen, die nicht mehr hinein passen. Für
mich ist „Die Hochhausspringerin“ ein gelungenes dystopisches Debüt, das auf
ein hochaktuelles Thema setzt und ein schleichendes, unausweichlich wirkendes
Zerbrechen schildert, das der Leser hautnah miterlebt.